Archiv


Big Mac in Niedersachsen

So recht politisch verorten können ihn selbst Parteigenossen nicht. David McAllister steht nicht nur für eine moderne CDU, sondern schätzt auch die hemdsärmelige Gemütlichkeit von Schützenfesten.

Von Susanne Schrammar |
    Stefan Schostok: "Mit dem alten David McAllister, der uns mit stummer Nichtachtung, auch manchmal mit hochrotem Kopf und schärfster Rhetorik begegnete, der meinen Vorgänger schon mal öffentlich mit dem Satz belegte: "Wenn der Jüttner frech wird, kriegt er auf die ....", der es liebte, mit seinem Dienstwagen am Autoschalter einer amerikanischen Bulettenbraterei vorzufahren – mit diesem David McAllister ist es nun vorbei." - David McAllister: "Das letzte nicht..."

    Seine gefürchtete scharfe Zunge wird David McAllister als Ministerpräsident künftig im Zaum halten müssen. Und damit das nicht so schwer fällt, hat die Opposition im niedersächsischen Landtag mit dem Neuen im Amt ein Einsehen. Nach seiner Wahl zum Regierungschef überreichte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Stefan Schostok, David McAllister heute einen Punchingball, also einen Standboxsack zum Abreagieren. Ob er den brauchen wird? Wenn es nach dem neuen Ministerpräsidenten geht, werde er das Schiff Niedersachsen so sicher und unaufgeregt durch den Sturm segeln wie sein Vorgänger Christian Wulff.

    "Ich stehe inhaltlich für Kontinuität, wir sind in Niedersachsen auf einem guten Weg, wir brauchen gar nichts zu verändern. Ich sag's mal mit der Automobilsprache: Die Marke bleibt, das Modell ist neu."

    Was Christian Wulff meisterlich gelang, das Landesväterliche, das Präsidiale, das Staatstragende - da wird David McAllister noch hin wachsen müssen. Auch in Sachen Wirtschaftskompetenz muss der junge Mann noch zulegen, wenn er im Aufsichtsrat von Volkswagen ernst genommen werden will. Doch Wulff hat den Deutsch-Schotten bewusst als seinen Kronprinzen ausgesucht und das schon vor langer Zeit. 2003 hat er McAllister zum Fraktionschef gemacht, ihm vor zwei Jahren den Vorsitz der Landespartei übergeben. Das Haus ist gut bestellt, sagte Wulff kurz vor der seinem Wechsel nach Berlin. Dabei spielte der neue Bundespräsident nicht nur auf seine Kabinettsumbildung an, die kürzlich für Aufsehen gesorgt hatte – die erste Ministerin mit Migrationshintergrund, die erste aus Ostdeutschland – Wulff wusste, dass er sich auf seinen Vertrauten David McAllister würde verlassen können.

    "David McAllister, den ich sehr lange kenne, hat jetzt über sieben Jahre als Fraktionsvorsitzender meine Arbeit unterstützt, begleitet, gestaltet. Er ist Jahre jetzt schon Parteivorsitzender, er wird das wunderbar machen, er hat alle Voraussetzungen. Er hat vor allem die tolle Voraussetzung bester charakterlicher Eignung: Verlässlichkeit, Handschlagqualität, und auf der anderen Seite hat er nie aufgehört, dazuzulernen. Er fragt, er hört zu – wenn man sich diese Eigenschaft bewahrt, dann kann man ein sehr, sehr guter Ministerpräsident sein."

    David James McAllister hat Charaktereigenschaften, die Christian Wulff gefehlt haben. Wenn eine Bläsergruppe, so wie heute nach seiner Wahl zum niedersächsischen Ministerpräsidenten, ihm das Niedersachsenlied als Ständchen spielt, dann singt der ehemalige Schützenkönig von Bad Bederkesa aus vollem Halse mit. Das kommt gut an bei den bodenständigen Niedersachsen. Wulff hat in solchen Fällen zwar immer freundlich gelächelt, blieb im Kontakt zu den Menschen jedoch immer etwas distanziert. Mac, wie er von Freund und Feind genannt wird, ist da anders. Feierfreudig, hemdsärmelig und volksnah fühlte sich der Sohn eines britischen Offiziers und einer deutschen Lehrerin im Bierzelt schon immer wohler als auf der Berlinale. Heimatverwachsen lebt der Vater zweier kleiner Töchter mit ihnen und Ehefrau Dunja im Landkreis Cuxhaven und will dort auch als Ministerpräsident mit Amtssitz Hannover wohnen bleiben. Den Gulli vorm Haus ziert ein Niedersachsenpferd, und mit den Kindern läuft er in Shorts durchs Haus, erzählen Nachbarn. Weggefährten haben ihn auch heute zur Amtseinführung nach Hannover begleitet.

    "Supergut, es ist ein schöner Tag, und ich freue mich, dass ich so viel Besuch hab aus der Heimat – aus dem Elbe-Weser-Raum."

    Wer mit 39 jüngster Ministerpräsident Deutschlands wird, hat früh angefangen. Schon in der Grundschule, erzählt David McAllister, sei sein Interesse für Politik erwacht. Er müsse etwa neun Jahre alt gewesen sein, damals lebte er mit seinen Eltern noch im geteilten Berlin, als ihm sein Lehrer die Aufgabe stellte, eine Wahlkampfrede für die Christdemokraten zu halten.

    "Meine Ansprache führte anschließend zu einem irritierten Anruf meines Lehrers bei meiner Mutter, was denn da los wäre bei uns zuhause. Ich hätte angeblich eine nahezu druckreife Wahlkampfrede für Franz-Josef Strauß gehalten. Meine Mutter war sehr überrascht, weil wir zuhause völlig unpolitisch waren. Ich hab einfach abends Fernsehsendungen geschaut, Wahlkampfspots und fand halt in jungen Jahren schon die Argumentation der Union – Freiheit statt Sozialismus – sehr beeindruckend."

    Enak Ferlemann, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, kennt David McAllister noch aus der Jungen Union in Cuxhaven. Die beiden sind noch heute eng miteinander befreundet, Trauzeuge beim jeweils anderen. "Auf David kann ich mich immer verlassen", sagt der Weggefährte, politisch zeichne er sich dadurch aus, dass er Visionen habe. Ein Geheimnis seines schnellen Aufstiegs, sagt Ferlemann.

    "Auf der einen Seite ist er ein glänzender Rhetoriker, was in der Politik ja eine ganz wichtige Eigenschaft ist, zum Zweiten ist er auch ein glänzender Stratege – er weiß, welche Themen man wann wie wo setzen muss, und er hat auch ein großes Talent, Bürger mitzunehmen, also bei kritischen Diskussionen auch darauf zu achten, was denkt der Bürger vor Ort, wie muss man es vermitteln, dass man auch zum Ergebnis kommt."

    Politisch verorten können selbst Parteifreunde David McAllister nicht so recht, doch er gilt als Vertreter einer modernen CDU. Vor allem die Integration von Migranten ist eine Herzensangelegenheit. Als Landesvorsitzender setzt sich der Deutsch-Schotte dafür ein, mehr Mitglieder mit ausländischen Wurzeln in die CDU zu holen. Ein ehrgeiziges Unternehmen, denn in manchen Landesteilen ist die Partei ziemlich schwarz gefärbt.

    Weitere Berichte bei dradio.de:
    Rückblick: McAllister übernimmt CDU-Vorsitz in Niedersachsen