Bikini - das klingt nach Sonne, Strand und Meer. Nach Wärme, braun gebrannten Körpern und Müßiggang. Doch nichts davon scheint weiter entfernt an diesem Ort - verkehrsumtost, zugig und grau. Nein, es war ein fehlendes Zwischengeschoss, ein Luftraum, der dem lang gestreckten Gebäude gegenüber der Gedächtniskirche in Berlin diesen Namen gab. Ein Haus - zweigeteilt wie ein Bikini.
Ein Haus, das jahrelang vor sich hin dümpelte. Wie die gesamte Gegend. Mit dem Mauerfall geriet sie ein bisschen in Vergessenheit. Edel shoppen ging man fortan in Mitte, die Berlinale spielte sich am Potsdamer Platz ab, und der Hauptbahnhof ersetzte den "Bahnhof Zoo". Endstation. Doch jetzt scheint sich das Blatt zu wenden.
"Das ist halt immer so, dass wenn etwas ein gewisses Vakuum erzeugt hat, dass dieses Vakuum dann irgendwann kreativ gefüllt wird. Hier war sehr lange viel Vakuum, und jetzt ist es einfach so, dass es aus verschiedensten Gründen Sinn macht, Einkaufen anders zu denken",
sagt Robert Klanten, Mitgründer des Gestalten-Verlags, der in Berlin-Mitte bereits vormacht, wie dieses "anders gedachte Einkaufen" aussehen kann. Dort verkauft der Verlag im Gestalten-Store nämlich nicht nur Bücher, sondern auch das, was in den Büchern drin ist: Designobjekte.
Einkaufen als kultureller Austausch
"Weshalb gehe ich einkaufen? Um für mich selber etwas zu entdecken, um neue Erfahrungen zu machen, meine Neugier anders zu befriedigen. Das ist kultureller Austausch, so ist es geworden."
Einkaufen muss zum kulturellen Austausch, zum neuen Erlebnis werden, meint Klanten, sonst hat ein Laden keine Chance gegen das Online-Shopping. Diese Haltung war wohl seine Eintrittskarte als Mieter im frisch sanierten Bikini-Haus, wo sein Verlag auch ein Café eröffnet. "Bikini Berlin" zelebriert das exklusive Shopping-Erlebnis, und "exklusiv" meint hier: jenseits der exklusiven Labels. Andreas Murkudis zum Beispiel, Sammler und Geschäftsmann, wird im Bikini-Haus unter anderem Porzellan der Firma Nymphenburg verkaufen und die alte Glasmachertradition aus Theresienthal feiern. Warum?
"Diese Marken haben es ja einfach schwer zu überleben, weil sie einfach zu hochwertig sind, und der Kunde heutzutage nach dem Preis geht. Und in diesem Gebäude kann man die Sachen in die Hand nehmen, fühlen, man kann haptisch damit umgehen."
Das Ambiente stimmt: Trotz starker Eingriffe beim Umbau wurde der elegante 50er-Jahre-Style erhalten: schmale Metallfensterrahmen, hohe Decken, Großzügigkeit. Wer ein Päuschen vom Geldausgeben sucht, trinkt einen Kaffee auf der Terrasse mit Blick auf das Flamingogehege im angrenzenden Berliner Zoo. Und da ist sie dann doch wieder, die Bikini-Exotik.
Murkudis: "Ich bin ein totaler Fan vom alten Westen."
Ein Design-Trip
Nebenan, im frisch eröffneten 25hours-Hotel, warten Hängematten zur Entspannung, und dann öffnet auch bald schon die "Monkey-Bar" mit eingebautem Gewächshaus und Micro-Garten. Alternativ gäbe es eine Vorstellung im ebenfalls neu und exklusiv renovierten Traditionskino "Zoopalast". Und dann ist doch auch noch die Vernissage in der C/O Galerie - die beste Fotogalerie der Stadt ist ja in den Westen gezogen! - Jetzt leuchtet die von Egon Eiermann entworfene Gedächtniskirche im Abendlicht blau. Das Ambiente ist großartig. Und doch: Das Ganze ist so stimmig, so zeitgeistig, dass man schon bald einen Ort sucht, um vom Design-Trip wieder runterzukommen. Vielleicht Berlin-Mitte?
"Viele unserer Kunden gehen nicht mehr nach Mitte, weil sie sagen, ich bin nur umringt von sechs H&M-Konzepten, und nur so Billig-Marken, das ist eigentlich wie in jeder Stadt, immer die gleichen Marken, die gleichen Schaufenster."
Zahmes Berlin
"Eine Lifestyle-Welt zu schaffen, ein Rundum-Konzept, das alles abdeckt, was man im Sinne des eigenen Lifestyles eigentlich sucht."
Anja Umann vom veganen Modelabel "Umasan", eben noch in Berlin-Mitte, demnächst auch im Bikini-Haus im Westen, bringt es auf den Punkt. Hier geht es um Lifestyle, weniger um Lebensgefühl. Und da wird Bikini-Berlin, das uns irgendwie vorgaukelt, so richtig coole Berliner Luft zu schnappen, dann doch wieder zur voll klimatisierten Shopping-Mall. Mit Pop-Up-Stores für junge Designer, die kein leer stehendes Ladenlokal mehr finden.
Berlin wird erwachsen und zahm - auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen. Und was hätte die Knef dazu gesagt?
"Bei dir war es immer so schön / und es fällt mir unsagbar schwer zu gehen / denn nur bei dir war ich wirklich zuhaus, doch der Traum, den ich hier geträumt, ist aus"