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Bilanz aus den Landesparlamenten
"Die Auseinandersetzung wird mit der AfD wesentlich härter"

Demokratieforscher Alexander Hensel hat das Auftreten der AfD in drei Landesparlamenten untersucht. Überall sei es zu einer starken Polarisierung der Auseinandersetzung und einem raueren Ton gekommen, sagte Hensel im Dlf. Die AfD zwinge die etablierten Parteien, sich ihre Grundsätze zu vergegenwärtigen und diese zu begründen.

Jessica Sturmberg im Gespräch mit Alexander Hensel |
    Die kurz zuvor gewählten Fraktionsvorsitzenden der AfD im Deutschen Bundestag, Alice Weidel (links) und Alexander Gauland, äußern sich nach der ersten Fraktionssitzung der Bundestagsfraktion der Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Deutschen Bundestag in Berlin vor der Presse. Links dahinter steht der Parteisprecher Christian Lüth.
    Alice Weidel (links) und Alexander Gauland im Bundestag: "Die AfD bildet natürlich als Opposition einen offensiven Antipol zu einer kooperativen parlamentarischen Haltung", sagt Forscher Hensel (picture alliance/ dpa/ Bernd von Jutrczenka)
    Alexander Hensel: Wir sehen mit Blick auf diese drei Länder, dass die AfD auf der einen Seite ja sehr provokativ, sehr offensiv agiert, als Oppositionskraft in den Parlamenten, insofern natürlich eine enorme Herausforderung darstellt für die etablierten Parteien. Wir sehen auf der anderen Seite auch, dass es ihr zumindest zwischenzeitlich in den von uns untersuchten Fällen auch immer wieder gelingt, bestimmte Skandale, bestimmte Probleme aufzubringen und weiterzutragen, und das ist, womit man auch auf Bundesebene rechnen muss. Wir haben es mit einer AfD zu tun, die durch parlamentarische Ressourcen gestärkt ist, und die insofern sehr viel offensiver, sehr viel fundierter agieren kann. Ob dies tatsächlich passiert, ob die Partei sich selber lähmt, ob die Fraktion sich selber durch Konflikte lähmt und dergleichen, müssen wir sehen, aber die AfD agiert ja auf der parlamentarischen Bühne und auf Grundlage dieser parlamentarischen Ressourcen, die sie hat, und insofern hat sie einen ganz anderen Status jetzt als politische Kraft in unserem System.
    "Offensiver Antipol"
    Sturmberg: Können Sie da eine andere Kultur ausmachen als die, die wir bisher gewohnt waren?
    Hensel: Wir finden natürlich eine sehr, sehr offensive, eine sehr, sehr konfrontative Kultur. Nehmen Sie jetzt das Statement von Alexander Gauland, man werde die etablierten Parteien jagen. Die AfD bildet natürlich als Opposition einen offensiven Antipol zu einer kooperativen parlamentarischen Haltung, die wir gerade auf Landesebene auch aufseiten der Opposition ein Stück weit gewohnt sind. Insofern bricht die AfD derzeit ganz offensiv auch mit Gewohnheiten und Erwartungen, die wir im Parlamentarismus ganz allgemein, aber natürlich auch an Oppositionsstellen, dennoch aber die Oppositionsrolle ist ein Stück weit offen. Sie verändert sich historisch auch immer wieder, und an genau so einem Wendepunkt stehen wir derzeit möglicherweise.
    "AfD zwingt etablierte Parteien, Grundsätze neu zu begründen"
    Sturmberg: Sehen Sie darin eine Gefahr?
    Hensel: Also infolge des Einzuges der AfD können wir in allen Parlamenten beobachten, dass es zu einer starken Polarisierung der politischen Auseinandersetzung kommt, das heißt inhaltlich, aber auch rhetorisch-kulturell gesehen werden die Auseinandersetzungen wesentlich härter, der Ton wird rauer. Das birgt natürlich durchaus Ambivalenzen: Auf der einen Seite ist es ein enormes Problem, es ist eine Herausforderung. Die parlamentarische Bühne, die parlamentarischen Debatten können zum Spielball der AfD werden, können auch durch massive unsachliche Vorstöße entwertet werden ein Stück weit. Auf der anderen Seite zwingt die AfD die etablierten Parteien ein Stück weit, ihre Prinzipien, ihre Grundsätze zu vergegenwärtigen und gegebenenfalls wieder oder auch neu zu begründen. Insofern haben wir ja verschiedene Effekte, die sicherlich der Einzug der AfD in die Parlamente auslöst und dann auch auf Bundesebene auslösen wird.
    Aufgebrachtes Bürgertum im Westen, rechte Zusammenhänge im Osten
    Sturmberg: Sie haben ja die drei Länder untersucht. Wir haben Sie genannt: Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Gibt es da große Unterschiede?
    Hensel: Wenn wir die Zusammensetzung der AfD-Abgeordneten in diesen drei Ländern vergleichen, sehen wir, wir haben es im Südwesten mit einem etwas älteren, mit einem formal höher gebildeteren und auch beruflich erfolgreicheren Klientel zu tun. Im Südwesten verstehen sich die AfD-Abgeordneten als eine Art aufgebrachtes Bürgertum, das sich in einer Art Widerstand zu Angela Merkel sieht und die Rolle der Erben der alten CDU einnehmen will und sich ein Stück weit auch an dieser Rolle versucht zu orientieren. In Sachsen-Anhalt dagegen, überhaupt vielleicht im Osten, haben wir es oftmals mit etwas jüngeren, mit weniger formal gebildeten, auch beruflich oftmals weniger erfolgreichen Abgeordneten zu tun, die im Politischen einen Neuanfang, aber auch überhaupt vielleicht einen Anfang, gerade bei den jüngeren Abgeordneten, suchen. Dabei haben wir es mit Abgeordneten zu tun, die ein ganzes Stück weit stärker vernetzt sind, beispielsweise in rechten Bewegungszusammenhängen, in lokalen Initiativen gegen Flüchtlingsunterkünfte beispielsweise, aber auch etwa zur identitären Bewegung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.