Archiv

Bilanz der Kulturpolitik von Monika Grütters
Humboldt-Forum, Gurlitt, Kulturgutschutz

Er sei absolut zufrieden mit der Bilanz von Kulturstaatssekretärin Monika Grütters, sagte Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, im Dlf. Sie habe zum ersten Mal nicht nur Geld ausgegeben, sondern auch ein Gesetzesvorhaben umgesetzt.

Olaf Zimmermann im Gespräch mit Michael Köhler |
    Monika Grütters (CDU), Staatsministerin für Kultur und Medien, spricht am 23.08.2017 in Berlin bei der Eröffnung des Festivals "Pop-Kultur".
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) macht in der GroKo weiter (picture-alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Michael Köhler: Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, einer Spitzenorganisation der deutschen Kulturverbände. Mit ihm habe ich einen Tag vor der Bundestagswahl die Arbeit der Kulturstaatsministerin resümiert. Zimmermann ist vor wenigen Tagen erneut mit der Empfehlung hervorgetreten, die Beauftragte für Kultur und Medien im Kanzleramt mit einem vollwertigen Ministerium auszustatten und dadurch die Kulturpolitik aufzuwerten. Warum, Herr Zimmermann?
    Olaf Zimmermann: Weil es einfach Zeit ist. Wir haben ja schon vor 20 Jahren die Forderung nach einem Bundeskulturministerium aufgestellt. Damals gab es ja überhaupt nichts auf der Bundesebene. Dann kam zumindest der und die Beauftragte der Bundesregierung, also eine Staatssekretärin oder ein Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Die haben in den letzten fast 20 Jahren eine hervorragende Arbeit gemacht. Das Amt ist immer größer und größer geworden. Jetzt haben die schon mehr als 250 Mitarbeiter im Bundeskanzleramt nur für den Kulturbereich. Es wird einfach Zeit, jetzt normal zu werden, und zwar so normal zu werden, wie alle anderen europäischen Länder auch normal sind. Die haben nämlich auch alle ein Bundeskulturministerium. Warum sollten wir das nicht auch haben.
    Köhler: Dazu zählt, glaube ich, auch die Idee, Kräfte zu bündeln, beispielsweise auch kulturelle Bildung aus dem Bildungsministerium rauszunehmen, auswärtige Kulturarbeit aus dem Auswärtigen Amt und so weiter.
    Zimmermann: Ich glaube, man muss einfach darüber nachdenken. Bisher ist der Kulturbereich ja wirklich über die gesamte Bundesregierung verstreut. Das Thema Computerspiele liegt beim Verkehrsminister zum Beispiel, wie gesagt die kulturelle Bildung im Bildungsministerium, die Kulturwirtschaft im Wirtschaftsministerium. Und natürlich finde ich auch, wir müssen über die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik sprechen, weil es nämlich gar nicht mehr so einfach ist, festzustellen, was ist denn eigentlich auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und was ist innere Kultur- und Bildungspolitik. Das läuft ganz oft zueinander. Vielleicht muss man es einfach zusammentun.
    Köhler: Lassen Sie uns versuchen, die Ära Grütters zu resümieren. Ich nenne einige Stichworte: das Humboldt-Forum, das Museum der Moderne, das Haus der Kulturen der Welt, 200 Millionen für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Kulturgut-Schutzgesetz, der Fall Gurlitt, Zentralstelle für Kulturgutverluste, Buchhandelspreis, Erwerb der Thomas Mann Villa, Erhöhung des Etats auf 1,7 Milliarden Euro, persönliches Engagement und Leidenschaft in Person der Kulturstaatsministerin, gepaart mit großer Kenntnis. So sehr ist das Amt doch eigentlich noch nie ausgefüllt und gestaltet worden wie bisher, oder?
    "Wir sind absolut zufrieden"
    Zimmermann: Sehr gut! Wir sind absolut zufrieden. Das waren vier wirklich gute Jahre. Man hat, glaube ich, noch mal wichtige Schritte auch gemacht. Man darf ja auch nicht vergessen, das Amt der Kulturstaatsministerin hat zum ersten Mal nicht nur Geld vergeben, weil das ist ja etwas schon fast Normales. Das haben die Vorgängerinnen und Vorgänger von Monika Grütters auch gemacht. Sie hat zum ersten Mal ein Gesetzesvorhaben, nämlich mit dem Kulturgut-Schutzgesetz, auch selbst umgesetzt, eigentlich eine ungewöhnliche Form, dass das im Bundeskanzleramt gemacht wurde. Das war nicht unstrittig, aber es ist doch letztendlich auch erfolgreich abgeschlossen worden.
    Köhler: Wo sehen Sie Probleme? Ich nenne mal die Stichworte Einheitswippe oder ich nenne mal das große Stichwort, das Kritiker fallen lassen, Nationalisierung von Kulturpolitik.
    Zimmermann: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir eine zukunftsgewandte Kulturpolitik machen. Das heißt eine Kulturpolitik, die sich natürlich nicht nur in Erinnerungskultur erschöpft. Das ist was ganz Wichtiges, aber wir müssen natürlich auch nach vorne denken. Wir müssen, finde ich, ganz besonders die Künste fördern. Und wenn man die letzten Jahre sieht, hat man so ein bisschen das Gefühl, dass man ein bisschen zu viel Preußen und zu wenig Zukunft gemacht hat. Deswegen, glaube ich, muss man jetzt in der nächsten Legislaturperiode, egal, in welcher Struktur denn die Bundeskulturpolitik dann auch immer organisiert sein soll, einfach ein bisschen mehr darauf achten, dass wir auch Visionen im Bereich der Kulturpolitik entwickeln, die gemeinsam diskutieren in der gesamten Kulturszene, mit der Politik gemeinsam, und dann auch nach vorne gehen.
    Köhler: Ich höre da eine Kritik heraus, die auch in der Wochenzeitung "Die Zeit" laut geworden ist. Sie haben das Stichwort der Preußensymbolik genannt, des Humboldt-Forums, manche sagen auch mit Event Location. Zu wenig Neues, zu wenig Kluges, zu wenig Schönes, kritisiert der Autor der Wochenzeitung "Die Zeit". Es mangele auch an einer europäisch ausgerichteten Kulturpolitik. Würden Sie zustimmen?
    Zimmermann: Ich glaube, wir müssen wirklich aufpassen, dass wir uns nicht zu sehr an bestimmten Orten zu intensiv aufhalten. Das Humboldt-Forum ist ein bisschen eine Gefahr. Das ist eine tolle Möglichkeit, eine tolle Idee. Ich hoffe, man wird es auch noch hinbekommen, das zu etwas ganz Außergewöhnlichem zu gestalten. Aber selbst wenn das was ganz Außergewöhnliches wird, dann ist das trotz alledem erst mal nur ein Ort in Berlin, auf den sicherlich auch ein bisschen stärker das gesamte Land, vielleicht auch Europa, vielleicht sogar die ganze Welt schaut. Aber das ist mitnichten die gesamte Kulturpolitik, sondern Kulturpolitik heißt, heute, finde ich, ganz besonders darauf zu achten, wie kriegen wir denn die kulturelle Integration in unserem Land überhaupt gestemmt. Das kann ich nicht an einem einfachen Ort festmachen; da muss ich mir wirklich überlegen, was wir in der nächsten Legislaturperiode machen. Ich glaube, wir brauchen so etwas wie eine wirklich ganz große Bundesanstrengung oder auch ein Bundesprogramm zur kulturellen Integration. Damit meine ich nicht nur die Integration derjenigen, die in unser Land geflüchtet sind, sondern ich meine auch eine Integration der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Deutschland, die auch schon immer hier gelebt haben, wie die auch wieder ein bisschen stärker zusammenkommen können.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.