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Bilanz des Evangelischen Kirchentags
Das Finale und die 100.000

100.000 Menschen wurden zum großen Abschlussgottesdienst des Evangelischen Kirchentags in Wittenberg erwartet. Sie feierten dort auch 500 Jahre Reformation. Damit ging ein Kirchentag der Superlativen zu Ende. Aber was bleibt - welchen Mehrwert hatte dieser Kirchentag?

Von Andreas Main |
    Teilnehmer des Evangelischen Kirchentags versammeln sich in Wittenberg zum Gottesdienst "Nacht der Lichter"
    Teilnehmer des Evangelischen Kirchentags in Wittenberg zum Gottesdienst "Nacht der Lichter" (picture alliance / dpa / Sebastian Willnow)
    Martin Luther hätte es sich wohl nicht träumen lassen, als er seine Thesen vor 500 Jahren in seiner Uni-Stadt veröffentlichen ließ. Wenn er das gesehen hätte: Mehrere Zehntausend Christen strömen an einem Sonntagmorgen nach Wittenberg. Einige hatten die ganze Nacht über auf den Elbwiesen verbracht. Bei der "Nacht der Lichter" beteten junge Menschen mit den Brüdern der ökumenischen Ordens-Gemeinschaft aus dem französischen Taizé.
    Gelungener Auftakt
    Zuvor hatte der Kirchentag in Berlin mit einem Aufschlag begonnen, der es in sich hatte: Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, hatte offensichtlich Spaß am Donnerstag. Sie saß neben Heinrich Bedford-Strohm, dem EKD-Ratspräsidenten, und neben Christina Aus der Au, der Kirchentagspräsidentin – und vor allem neben Barack Obama, einst US-Präsident. Der bezeichnete sie als ihre "liebste Partnerin". Sie scherzte und punktete immer wieder mit guten Pointen.
    Merkel und Obama reflektierten ihren Glauben, bekannten, dass er ihre Arbeit prägt; und sie führten eine nachdenklich stimmende Debatte über Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Was will ich als Politiker im Idealfall – und was geht in der Wirklichkeit?
    Obama, der Heilsbringer aus dem fernen Westen, und Merkel, die Kanzlerin – das war ein gelungener Auftakt für den Kirchentag. Da bestand für alle anderen Politgrößen die Gefahr, dass sie im Schatten stehen. Und das obwohl sich fast das gesamte Bundeskabinett auf dem Kirchentag sehen ließ.
    100 Sonderzüge
    Die Deutsche Bahn setzte 100 Sonderzüge ein, die von Berlin aus im 10-Minuten-Takt nach Wittenberg fuhren. Der Evangelische Kirchentag in Berlin und Wittenberg umfasste insgesamt rund 2.500 Veranstaltungen. Die Einbindung Wittenbergs war den Organisatoren wichtig, weil Martin Luther
    hier im Jahr 1517 seine 95 Thesen veröffentlichte und damit die Reformation auslöste. Die Evangelische Kirche feiert in diesem Jahr 500 Jahre Reformation.
    Themen der heutigen Sondersendung:
    • Der Kollege Rainer Brandes hat den Kirchentag mit einer politischen Brille beobachtet. Die Frage: Obama, Schulz und de Maizière: Welchen politischen Nährwert hatte dieser Kirchentag?
    • Das Spannungsverhältnis von Politik und Religion, von Staatsnähe und –ferne des deutschen Protestantismus, darum geht es in einem Gespräch mit dem EKD-Kulturbeauftragten Johann Hinrich Claussen.
    • In Reportagen von Burkhard Schäfers und Christoph Richter beleuchten wir, wie der Anspruch des Kirchentags eingelöst wurde, dass Jung und Alt miteinander ins Gespräch kommen sollten, und die Frage, wie die regionalen Kirchentage – etwa in Magdeburg – beim Publikum ankamen.
    • Im Gespräch mit Christoph Schwöbel, Professor für Systematische Theologie an der Universität Tübingen, gehen wir auf die Konflikte von akademischer Theologie und evangelischer Kirchenleitung ein. Und wir fragen: Ist der Kirchentag theologiefeindlich? Und ist die Reformation auf den Podien in Berlin untergegangen – oder wurde sie nach Wittenberg abgeschoben? Von dort berichtet Kirsten Dietrich, wie sich die Elbwiesen für den Festgottesdienst füllen. Erwartet wurden rund 100.000 Teilnehmer.