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Bilanz des Sportausschusses des Bundestages
Corona hat die Arbeit geprägt

Der Bundestag hat sich in dieser Woche in die Sommerpause verabschiedet. Damit geht auch die Arbeit des aktuellen Sportausschusses zu Ende, denn im Herbst wird gewählt. In den vergangenen anderthalb Jahren war die Ausschussarbeit von der Corona-Pandemie geprägt - dabei wurde auch in anderen Bereichen etwas erreicht.

Von Wolf-Sören Treusch |
Anhörung zum Rechtsextremismus im Fussball im Sportausschusses des Deutschen Bundestag am 4.3.2020 in Berlin.
Bei einer Anhörung zum Thema Rechtsextremismus im Fußball im Sportausschuss des Bundestages (IMAGO / Christian Ditsch)
"Mein Gott, wir müssen doch in der Lage sein, diese Gesellschaft so auszustatten, dass die Kinder und Jugendlichen Sport treiben können."
Ungewohnt emotional trat Andreas Silbersack vor zwei Monaten im Sportausschuss auf, als Vizepräsident ist er im Deutschen Olympischen Sportbund für den Breitensport zuständig. Mehr als zwei Millionen Kinder und Jugendliche seien dem organisierten Sport wegen Corona verloren gegangen. Viel zu wenig habe die Politik versucht, Sportangebote für die Jüngsten in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten, so seine Kritik.
Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses von der SPD, habe, so sagt sie, für Emotionen immer großes Verständnis, nicht aber im Fall von Corona:
"Man muss auch bereit sein, zu sehen wie schwierig Differenzierungen sind, wo fangen Sie dann an und wo hören Sie auf? 'Warum darf ich mit der Frau, mit der ich jeden Tag frühstücke, nicht zum Tanztraining gehen?' Das ist schon schwierig, darauf eine Antwort zu geben. Das war eine ganz schwierige Gemengelage, und allererstes Ziel von Politik auf kommunaler, auf Länder- und auf Bundesebene musste sein, diese Pandemie in den Griff zu bekommen."

Seit der Corona-Pandemie gibt es kaum ein anderes Thema

In fast jeder Sitzung seit Ausbruch der Pandemie beschäftigte sich der Sportausschuss mit den Auswirkungen und Folgen von Corona. Auch für die Opposition gab es keine Spielräume, meint Britta Dassler, sportpolitische Sprecherin der FDP:
"Was hätte eine Sportpolitik machen können? Wir reden doch mit der Kultusministerkonferenz und auch mit der Sportministerkonferenz und sagen: 'Leute, in den Kitas, in den Kindergärten, in den Schulen, ihr müsst Sport einen anderen Stellenwert geben.' Aber Sie wissen auch: Sport ist Länderföderalismus, wir sind ja nur für den Spitzensport zuständig, und wir versuchen schon zu machen, was zu machen ist. Aber da müssen die Länder ran."
SC DHfK Leipzig gegen TUSEM Essen am 04.03.21 in der Handball-Bundesliga. Im Bild ist Leipzig-Spieler Marko Mamic zu sehen. Das Spiel findet vor leeren Rängen statt.
Ausweitung der Coronahilfen - Bund schüttet mehr Geld an den Profisport aus
Keine Fans in den Stadien und Hallen: Dem Profisport fehlen die Ticketeinnahmen. Der Bundestag hat jetzt reagiert und die Coronahilfen ausgeweitet. Profivereine und deren Dachverbände können in diesem Jahr eine Million Euro mehr beantragen, als bislang vorgesehen.
Kernaufgabe der sportpolitischen Arbeit des Ausschusses, so heißt es auf der Website des Deutschen Bundestages, ist "die Förderung und Finanzierung effektiver und nachhaltiger Rahmenbedingungen für den Spitzensport". Deshalb habe das Gremium auch die Soforthilfen des Bundes parteiübergreifend begrüßt. Sagt Fritz Güntzler, der für die CDU im Sportausschuss sitzt. Vor allem das Programm 'Coronahilfe für den Profisport' erweise sich als wirkungsvoll:
"Alle Profiligen sind noch am Start, keine Mannschaft ist in die Insolvenz gegangen, wir haben weit über hundert Millionen Euro in 2020 und 2021 ausgeben können, damit die Ligen fortgeführt werden konnten. Ich glaube, das ist ein Riesenerfolg."

Anti-Doping-Gesetz wurde erweitert

Corona überlagerte alles. Fast ging deshalb auch der kleine Erfolg im Kampf gegen Doping unter. Der Bundestag erweiterte das Anti-Doping-Gesetz aus dem Jahr 2015 um eine Kronzeugenregelung. Sie soll dopende Leistungssportler und -sportlerinnen ermutigen, den Ermittlungsbehörden Informationen über Hintermänner und kriminelle Netzwerke zu liefern. Im Sportausschuss ging die Zusatzregelung glatt durch.
Athleten-Initiative im Sportausschuss - Viel Lob für den "Thinktank"
Bessere Voraussetzungen für Sportlerinnen, Programme gegen Diskriminierung und Missbrauch – der Verein "Athleten Deutschland" hat im Sportausschuss des Bundestages eine Vielzahl an Ideen vorgestellt, um den Sport gleichberechtigter zu gestalten. Dafür gab es von den Politikern viel Lob.
Auch sonst gab es wenig Konfliktpotenzial. Beispiel 'Athleten Deutschland'. Das ist ein Verein, der unabhängig vom DOSB Sportlern und Sportlerinnen im Land echtes Mitspracherecht ermöglichen will und der seit seiner Gründung 2017 auffällig oft zu Besuch ist im Sportausschuss. Dagmar Freitag findet die sportpolitischen Impulse, die von dem Verein ausgehen, wegweisend:
"Neben der Deutschen Sporthilfe haben sich 'Athleten Deutschland' zum zweiten Thinktank des deutschen Sports gemausert. Und die Tatsache, dass sich Athletinnen und Athleten weltweit mittlerweile unabhängig von den Strukturen des Sportsystems organisieren, zeigt, dass es richtig und vor allen Dingen auch wichtig war."

Bund finanziert 'Athleten Deutschland' mit

Der Bund finanziert die Arbeit von 'Athleten Deutschland' jährlich mit einer knappen halben Million Euro. Fritz Güntzler war zunächst dagegen, weil er in dem Verein eine Konkurrenz zum DOSB sah, keine Ergänzung.
"Wir müssen aufpassen, dass das nicht zu einem Wildwuchs wird, dass es zu viel wird, weil: wir brauchen schon die eine starke Stimme des Sportes, und von daher gab es die Diskussion, ob das zwingend notwendig ist, eine eigene Athletenorganisation zu haben, aber ich glaube, gerade die Debatten, die wir mit denen geführt haben, haben gezeigt, dass es eine richtige Entscheidung war."

Oppositionsfraktionen konnte keine Akzente setzen

Zumal die aktuelle Führungskrise des DOSB die oberste deutsche Sportorganisation lädiert erscheinen lässt. Als auffällig unauffällig erwies sich in den vergangenen vier Jahren die Arbeit der Opposition im Sportausschuss. In zentralen Themen auf einer Linie mit der Regierung, schaffte es keine der vier Fraktionen, wesentliche eigene sportpolitische Akzente zu setzen. Die FDP versuchte es am häufigsten. 18 Anträge stellten die Liberalen, Erfolge?
"Keine, weil wir Opposition sind. Also alle Anträge, die wir bringen, werden abgelehnt. Deswegen höre ich jetzt auch auf und gehe wieder in die freie Wirtschaft, also es hat mir viel Spaß gemacht, die vier Jahre hier, aber auch frustrierend, wenn Sie nichts durchsetzen können."

Freitag pocht auf kommunale Schwimmbäder

Nicht nur Britta Dassler hört auf, auch Dagmar Freitag, zwölf Jahre lang Vorsitzende des Sportausschusses. Sie geht in den Ruhestand. Ihren Nachfolgerinnen und Nachfolgern gibt sie einen dringenden Rat mit auf den Weg: Den kommunalen Sportstättenbau im Auge behalten. Vor allem Schwimmbäder sanieren oder neu bauen.
"Allein in den letzten Tagen sind so viele Kinder und Jugendliche – ich glaube, allein in NRW vier oder fünf – ertrunken. Das sind einfach Dinge, die dürfen nicht sein, weil sie nicht sein müssen. Und ich rate dringend dazu, ohne die Länder aus der Pflicht entlassen zu wollen, dass der Bund an der Stelle hilft, denn das ist ein Beitrag für den Sport in Gänze."