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Bilanz nach zehn Jahren Afghanistan

Nachdem vor einigen Jahren Taliban-Kämpfer in die nordafghanischen Provinz Kundus einsickerten, begann für die deutschen Soldaten der gefährliche Kampfeinsatz. Mittlerweile gilt die Lage wieder als halbwegs sicher. Die Gesamtbilanz des Bundeswehreinsatzes ist aber durchwachsen.

Von Sandra Petersmann |
    Es ist ein Abschied ohne Wehmut. Fast niemand in Deutschland wird eine Träne darüber vergießen, dass sich die Bundeswehr nach einem Jahrzehnt aus der nordafghanischen Provinz Kundus zurückzieht. Dafür sind in den vergangenen zehn Jahren viel zu viele Tränen geflossen. Kundus ist in dieser Zeit ein deutsches Reizwort geworden.

    Das große Kofferpacken ist in vollem Gang. Die Bundeswehr wird sich noch vor dem ersten Schneefall aus Kundus zurückziehen. Nirgendwo sonst war die Bundeswehr in schwerere Gefechte verwickelt. Nirgendwo sonst sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mehr deutsche Soldaten gefallen.

    "Und insofern kommen wir auch anders wieder zurück. Mit dem, was wir dort durchgeführt haben, was wir geleistet haben. Mit unseren Gefallenen und Verwundeten. Aber wir sind auch selbstbewusst geworden, dass wir nämlich den Auftrag, den eine Armee erfüllen können muss, wenn es sein muss, nämlich kämpfen können, das haben wir erfolgreich dort bewiesen. Also, insofern kommen wir da mit einem Selbstbewusstsein nach Hause, das uns sagt, ja, wir können unseren Auftrag erfüllen."

    Generalmajor Jörg Vollmer dient im deutschen Kundus-Jahrzehnt zwei Mal als sogenannter Regionalkommandeur Nord der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe. Das heißt, er befehligt aus dem deutschen Hauptquartier in Mazar-i-Sharif alle ISAF-Soldaten im Norden des Landes. Vollmer ist stolz auf die Bundeswehr.

    "Das erreicht zu haben, einfach zehn Jahre Luft zu schaffen einer neuen Generation, die da heranwächst, das ist schon ein Verdienst. Und die ganzen Aufbauprojekte, die durchgeführt worden sind, die ja auch etwas sind, was wir jetzt übergeben, ist etwas, wo ich immer sage, jetzt haben sie relativ gute Bedingungen, auf die sie aufbauen können."

    Für Frieden, das ist dem 55-jährigen Kommandeur klar, haben seine Soldaten nicht gesorgt.

    "Wir haben unverändert Problembereiche. Und die sind über all die Jahre identisch geblieben. Und diese Probleme haben wir auch nicht abschließend lösen können. Wozu wir beigetragen haben, ist, dass die Möglichkeiten derjenigen, die für Unruhe sorgen und die Sicherheit ihrer eigenen Bevölkerung gefährden, deren Fähigkeiten haben wir deutlich reduziert. Das Niveau der Gewalt ist abgesunken. Und in diesem Zustand übergeben wir es und haben es ja auch schon übergeben an die afghanischen Partner."

    Rückblende: Als die Bundeswehr im Herbst 2003 das regionale Wiederaufbauteam in Kundus von den Amerikanern übernimmt, gehört die nördliche Provinz zu den sichersten im ganzen Land. Hier leben vor allem Menschen, die zur tadschikischen und usbekischen Bevölkerungsgruppe gehören. Paschtunen, auf die sich die Taliban-Bewegung stützt, sind in Kundus in der Minderheit. Die Bundeswehr geht am Anfang zu Fuß und in offenen Jeeps auf Patrouille. Die Soldaten lächeln und winken. Sie bauen Brunnen, Straßen, Krankenhäuser und Schulen. Sie präsentieren sich als Helfer in Uniform – ein Bild, das die Bundesregierung im fernen Berlin um jeden Preis aufrechterhalten will.

    Im Mai 2007 sprengt sich ein Selbstmordattentäter auf einem Marktplatz in der gleichnamigen Provinzhauptstadt Kundus in die Luft. Er reißt zehn Menschen mit in den Tod, darunter drei deutsche Soldaten. Je mehr die Taliban und ihre Verbündeten im Siedlungsgebiet der Paschtunen im Süden und Osten Afghanistans an Boden gewinnen, desto mehr verschlechtert sich auch die Sicherheitslage im Norden. Der mit einem UN-Mandat versehene Stabilisierungseinsatz verwandelt sich auch für die Bundeswehr endgültig in einen Kampfeinsatz. Offene Jeeps weichen Panzern. Das Feldlager Kundus wird zur Festung ausgebaut. Oberstleutnant Olav Hinkelmann hat das alles hautnah miterlebt. Er ist der Kommandeur des Fallschirmjägerbataillons in Seedorf.

    "Jedes Mal, wenn eine Patrouille oder eine Teileinheit das Lager verlassen hat, musste sie damit rechnen, und in der Regel war das auch so, dass sie in Gefechtshandlungen verstrickt wurde. Das hat uns alle geprägt. Und das hat auch das Gefühl vor Ort bei den Soldaten bestärkt, dass man sich hier im Krieg befinde."

    Zwei Entscheidungen sorgen dafür, dass die Taliban in Kundus ab 2010 langsam wieder an Boden verlieren. Die USA schicken Spezialkräfte nach Kundus. Die Kommandos lassen sich vor allem nachts von Helikoptern in ausgespähten Zielgebieten absetzen. Ihr Auftrag: Capture or kill! Festnehmen oder töten! Die Spezialkräfte töten und verhaften zahlreiche Anführer der radikalen Islamisten. Außerdem macht die NATO-geführte, internationale Afghanistan-Schutztruppe das sogenannte "Partnering" zum neuen Kernelement der Aufstandsbekämpfung. Das bedeutet auch für die Bundeswehr in Kundus, Schulter an Schulter mit afghanischen Soldaten und Polizisten auf Patrouille zu gehen, ins Gefecht zu ziehen. Mit ihnen in Außenposten zusammenzuleben. Es geht darum, spürbare Präsenz in der Fläche zu zeigen. Und es geht darum, die afghanischen Sicherheitskräfte im laufenden Einsatz auszubilden. Für Oberstleutnant Olav Hinkelmann ist die "Partnering"-Strategie aufgegangen.

    "Die afghanische Armee hat enorm viel dazugelernt und ist in der Lage, die Gefechtsführung selbst zu planen und dann auch im Feld umzusetzen – ohne unsere Hilfe und ohne unser "Mentoring" auf der Bataillonsebene. Al Kaida oder andere Organisationen werden es im Raum Kundus schwer haben, hier offen zu agieren, um sich auf Anschläge im Westen vorzubereiten."

    Doch die Strategie ist risikoreich. Immer wieder richten einzelne Afghanen in Uniform ihre Waffen auf ausländische Kameraden. Auch deutsche Soldaten sterben durch einen Angriff aus den eigenen Reihen.

    In Kundus überlässt die Bundeswehr heute das Kämpfen in der ersten Reihe den Afghanen. Hauptmann Martin verbringt jeden Tag viele Stunden im operativen Hauptquartier der afghanischen Sicherheitskräfte als Berater und als Bindeglied zu den internationalen Truppen. Es ist sein dritter Einsatz in Afghanistan.

    "Als Zivilist würde ich sagen: Ja, ich verstehe, dass wir rausgehen. Ich verstehe, dass es in der Bevölkerung viele gibt, die das nicht unbedingt verstehen oder unterstützen, dass wir uns hier befinden. Als Soldat sage ich, ein paar Jahre mehr wären vielleicht nicht schlecht gewesen."

    Hauptmann Martin weiß, dass zu Hause in Deutschland viele der Meinung sind, dass der Afghanistaneinsatz gescheitert ist.

    "Die Wahrnehmung ist falsch. Das kann man so einfach nicht sagen. Es hat sich viel bewegt. Die Frage ist: Welchen Anspruch erhebe ich, welchen Maßstab lege ich an? Wenn ich den Maßstab anlege, ich bringe hier die Demokratie nach deutschem Vorbild her, dann haben wir sicherlich unsere Ziele nicht erreicht. Aber wenn wir sagen, okay, wir müssen ein Land auf einem gewissen Niveau stabilisieren, wir müssen dafür sorgen, dass sich Institutionen entwickeln können, wir müssen dafür sorgen, dass die nächsten Generationen auf eine Bahn gebracht werden, die es ihnen ermöglicht, durch Ausbildung und eine friedliche Umgebung voranzukommen. Dann sind da die ersten Schritte getan."

    Major Frank ist skeptischer. Er berät zwei Bataillone der afghanischen Armee.

    "Ich glaube, das Problem der organisierten Kriminalität, des Terrors und der Insurgency wird man hier nie vollkommen lösen können. Hier geht es auch darum, dass die Stammesfürsten ihre Machtbereiche abstecken. Das ist für uns Westeuropäer nicht nachvollziehbar. Die Geschichte hier ist eine ganz andere, das werden wir nie verstehen können."

    Hat das deutsche Jahrzehnt die Provinz Kundus wirklich verändert oder ist der Einsatz eine Zeitverschwendung gewesen? Major Frank ist sich nicht sicher.

    "Verschwendete Zeit ist generell ein negativer Begriff. In vielen Bereichen bin ich mir nicht sicher, ob wir das erreicht haben, was wir erreichen wollten und ob es nicht doch verschwendet war. Andererseits sage ich mir aber auch: Wenn wir vielleicht schon früher rausgegangen wären, mit weniger erreicht zu haben. Dann müsste man bewusst die Frage stellen: War es das wirklich wert, war es das wert, dass wir hier Kameraden verloren haben, war es das wert, dass wir hier Geld und Material reingesteckt haben? Insofern sage ich: Wir sind jetzt an dem Punkt, wo man wirklich sagen muss - jawohl, jetzt müssen sie es selber übernehmen. Früher wäre aus meiner Sicht falsch gewesen, verschwendete Zeit würde ich so generell nicht unterschreiben."

    Aber was bleibt? Was ist nachhaltig? Die Führung und die Ausbildungscamps von Al Kaida sind aus Afghanistan verschwunden. Aber wie im ganzen Land gehören die Taliban, andere extremistische Gruppen und bewaffnete Milizen auch in Kundus weiter zur gesellschaftlichen Realität. Der Name Kundus ist für immer verbunden mit dem verheerendsten Luftangriff, den ein Bundeswehrsoldat bisher angeordnet hat. Für den 35-jährigen Bauern Abdul Hanan ist der Fall klar: Die Bundesrepublik ist schuldig, weil ein deutscher Befehl das Leben seiner Familie zerstört hat.

    "Ich habe in dieser Nacht meine beiden ältesten Söhne und einen Neffen verloren. Ich kann das einfach nicht vergessen. Wir erinnern uns immer noch täglich daran, wie die Kinder gespielt haben und wie sie zur Schule gegangen sind. Unsere Seelen sind krank. Sie haben uns bombardiert und unsere Kinder für ein paar Fässer Diesel getötet. Warum? Warum haben die Deutschen die Gegend nicht einfach mit Bodentruppen abgeriegelt? Wo war die afghanische Regierung?"

    Vor fast vier Jahren, in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009, ordnet der damals für Kundus verantwortliche deutsche Kommandeur Georg Klein einen nächtlichen Luftangriff auf zwei entführte Dieseltanker an, die in einem Flussbett feststecken. Der inzwischen zum General beförderte Klein befürchtet, dass die Taliban die Laster als rollende Waffen einsetzen könnten. Doch als die Bomben fallen, sind neben Taliban-Kämpfern auch viele Dorfbewohner vor Ort, um Diesel abzuzapfen. Die Gegend ist arm, Treibstoff ist für die meisten unbezahlbar. Nach Angaben der NATO sterben bis zu 142 Menschen, darunter viele Zivilisten.

    Nach den Zivilisten zahlt die Polizei den höchsten Blutzoll im Afghanistankrieg. Mir Alam hat den Dienstausweis seines ältesten Sohnes immer dabei. Er hält die kleine Plastikkarte mit Passfoto wie einen Schatz in seinen Händen.

    "Es macht mich sehr stolz, dass mein Sohn für sein Land gestorben ist. Natürlich wusste ich immer, dass seine Arbeit lebensgefährlich ist. Ich habe im heiligen Krieg gegen die Russen für die Unabhängigkeit meines Landes gekämpft, ich kenne die Gefahr."

    Mir Alams ältester Sohn stirbt mit 27 Jahren. Ein Selbstmordattentäter reißt den Polizisten im Januar 2013 mit in den Tod. Er sprengt sich auf einem Basar in Kundus-Stadt in die Luft. Insgesamt verlieren bei diesem Selbstmordanschlag zehn Polizisten ihr Leben.

    "Mein Sohn ist als Märtyrer für Afghanistan gestorben, aber von offizieller Seite hat uns niemand sein Beileid ausgesprochen. Uns hat auch niemand bei der Beerdigung geholfen. Mein Sohn hat diesem Land sieben Jahre lang gedient. Und wir erhalten nichts vom Staat – noch nicht mal ein Wort des Bedauerns."

    Der 57-Jährige ist ein einfacher Tagelöhner. Die Wut des verzweifelten Polizistenvaters richtet sich gegen die afghanische Regierung und ihre westlichen Verbündeten.

    "Welche Regierung meinen Sie? Für mich existiert keine afghanische Regierung mehr. Wenn es eine gäbe, würde sie meiner Familie helfen, den Tod unseres Sohnes zu verkraften. Die internationalen Truppen helfen einer korrupten Regierung, die unsere Kinder im Krieg verbrennt."

    Viele afghanische Polizisten sind schlecht ausgebildet und schlecht ausgerüstet. Viel schlechter als afghanische Soldaten oder die NATO-Truppen. Doch sie sind die erste Verteidigungslinie im Kampf gegen die Feinde des afghanischen Staates. Allein im vergangenen Jahr haben fast 2000 Polizisten ihr Leben verloren. Deswegen macht Shukria aus ihrem Beruf ein großes Geheimnis. Sie verdankt es auch den Deutschen, dass sie als Frau einen Job hat.

    "Meine engsten Verwandten wissen, was ich mache. Sie wissen, dass ich die Arbeit bei der Polizei brauche, um meine drei Kinder durchzubringen. Aber meine entfernten Verwandten und meine Nachbarn wissen nicht, wo ich arbeite. Wir sind im Krieg, ich will mich nicht angreifbar machen."

    Die Unsicherheit nagt, obwohl sich die Sicherheitslage in den vergangenen Monaten auf dem Papier verbessert hat. Trotzdem kriecht auch in Nazir eine lähmende Angst hoch. Der 25-jährige Übersetzer arbeitet seit 2008 für die Bundeswehr in Kundus.

    "Bis jetzt hat mich noch niemand bedroht. Aber was passiert, wenn die ISAF hier abzieht? Dann ist unser Leben in Gefahr. Und uns droht der soziale und wirtschaftliche Abstieg. Unsere Gesellschaft ist sehr religiös und traditionell. Für viele hier sind wir Übersetzer Ungläubige wie die Ausländer. Andere halten uns für Spione. Es geht nicht nur um die Aufständischen, es geht um die Gesellschaft als Ganzes."

    Nazir hofft wie die meisten Übersetzer, dass die Bundeswehr ihn außerhalb Afghanistans in Sicherheit bringt oder wenigstens mitnimmt ins nördliche Hauptquartier nach Mazar-i-Sharif, wo es auch nach dem Abzug der NATO-Kampftruppen aus Afghanistan Ende 2014 weitergehen soll.

    "Keiner weiß genau, was hier passieren wird. Aber wenn die Lage hier in Kundus so unsicher bleibt, wie jetzt, dann muss ich das Land verlassen. Dann bin ich in Lebensgefahr. Für mich gibt es dann keinen sicheren Platz mehr in dieser Gesellschaft. Und keine Arbeit. Was soll ich denn machen?"

    Das Vertrauen in den eigenen Staat ist auch nach mehr als einem Jahrzehnt immer noch sehr schwach. Ebadullah Talwar, der stellvertretende Polizeichef von Kundus, weiß, dass viele Bürger in Angst leben. Und sich nichts sehnlicher wünschen als Sicherheit.

    "Unsere Sicherheitskräfte sind stark. Sie werden in Zukunft in ganz Kundus für Sicherheit sorgen. Natürlich drohen die Aufständischen mit Gewalt, aber schauen sie sich die Situation doch an. Wir erleben hier nur noch ein paar Explosionen und Selbstmordanschläge. Und die können auch in den sichersten Ländern der Welt passieren - wie den USA oder Deutschland. Vollständige Sicherheit gibt es nicht."

    Talwar ist seit 32 Jahren Polizist. Er hat fast sein ganzes Leben im Krieg verbracht und glaubt, dass er die Lage besser einschätzen kann als die meisten anderen.

    "Gut, es mag schon sein, dass es nach dem deutschen Rückzug wieder mehr Anschläge in Kundus gibt. Aber wir werden damit klarkommen. Wir haben in den vergangenen Jahren mit eurer Hilfe hart gearbeitet. Wir kennen das Gelände und die Kultur und die Tradition besser als ihr. Ihr könnt beruhigt nach Hause gehen. Und wenn wir das gleiche Geld hätten, das ihr hier ausgeben könnt, dann würden wir den ganzen Norden sichern. Ich hoffe nur, dass ihr uns finanziell nicht vergesst, wenn ihr geht."

    Gouverneur Mohammad Anwar Jegdalek vertritt die Regierung von Präsident Hamid Karsai in der Provinz Kundus. Der Politiker lobt den deutschen Einsatz – aber zweifelt an der Nachhaltigkeit.

    "Ich fürchte, dass der Feind wieder verstärkt in Kundus einsickern wird, wenn die internationalen Truppen abziehen. Meine Angst wäre nur dann unbegründet, wenn die internationale Gemeinschaft unseren Feind an der Grenze stoppen würde. Unsere afghanischen Sicherheitskräfte sind dazu nicht in der Lage. Aber hier sind 50 Nationen im Land. Und jeder kann sehen, dass der Feind aus Pakistan einsickert. Die Deutschen haben hier gute Arbeit geleistet. Deutschland hat hier das Geld seiner Steuerzahler investiert und das Blut seiner Jugend vergossen. Aber die Deutschen haben auch Fehler gemacht und Geld unnötig verschwendet. Die internationale Gemeinschaft ist nicht mit dem richtigen Ziel nach Afghanistan gekommen. Es gab keine klare Vision, sondern täglich neue Zielvorgaben. Und das hat den Fortschritt behindert."

    Am Sichtbarsten ist der Fortschritt im Straßenverkehr. Aus Buckelpisten sind geteerte Straßen geworden. Autos haben Pferdekutschen und Eselskarren verdrängt. In Kundus-Stadt gibt es eine Rushhour. Die Märkte sind voll, neue Geschäfte sind wie Pilze aus dem Boden geschossen. Doch viele Betriebe und Arbeitsplätze hängen von den internationalen Truppen ab.

    "Ich habe zwei Bitten an die Deutschen. Sie sollten ihre Verbündeten davon überzeugen, dass es falsch wäre, Afghanistan ganz zu verlassen. Es wäre falsch, uns wieder zu vergessen. Die Deutschen müssen ihren Verbündeten klar machen, dass es darum geht, dem Feind zu verbieten, sich in Afghanistan einzumischen. Wir sind weiter auf internationale Hilfe angewiesen, wenn wir das Leben der Menschen hier schützen und verbessern wollen. Die Unterstützer der Taliban sind Teil der internationalen Gemeinschaft. Pakistan hat gute Beziehungen zu den USA, zu Großbritannien und auch zu Deutschland. Ihr müsst Pakistan verbieten, sich in unser Land einzumischen."

    Kundus hat sich durch die Präsenz der Bundeswehr sichtbar entwickelt, aber keinen Frieden gewonnen. An den gesellschaftlichen Rissen und politischen Feindschaften, die zum afghanischen Bürgerkrieg geführt haben, hat sich nichts geändert. Das deutsche Jahrzehnt in Kundus geht zu Ende, aber die Zukunft der Provinz ist ungewiss. Und das ist symbolisch für das ganze Land.
    Deutsche ISAF-Soldaten in Afghanistan
    Deutsche ISAF-Soldaten in Afghanistan (AP)
    Afghanische Sicherheitskräfte stehen vor einem ausgebrannten Tanklaster in Kundus.
    Afghanische Sicherheitskräfte stehen vor einem ausgebrannten Tanklaster in Kundus. (AP)