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"Bild"-Berichte über Christoph Metzelder
"Ich glaube, dass wir nicht vorverurteilt haben"

Die „Bild“-Zeitung berichtete exklusiv über eine Razzia bei Christoph Metzelder. Mit den Berichten über den ehemaligen Fußballprofi habe sich seine Zeitung nicht schuldig gemacht, sagte „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt im Deutschlandfunk. Die "Bild" sei "staatsbürgerlichen Pflichten" nachgekommen.

Julian Reichelt im Gespräch mit Brigitte Baetz |
"Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt
Nach Ansicht von "Bild"-Chef Julian Reichelt hat sich seine Zeitung im Fall Christoph Metzelder nicht schuldig gemacht (dpa / Bernd von Jutrczenka)
Brigitte Baetz: Gegen den ehemaligen Fußballprofi Christoph Metzelder wurde von der "Bild"-Zeitung in der letzten Woche eine Berichterstattungslawine losgetreten, die heute immer noch in der Medien- und der Juristenszene heftig diskutiert wird. Mehr als ein Dutzend Artikel, darunter zwei Titelgeschichten, widmete das Blatt mit den vier Buchstaben den Vorwürfen wegen möglichem Besitzes und Verbreitung von kinderpornographischem Material. Bewiesen ist nichts, es wird ermittelt, und das vermutlich, weil die "Bild"-Zeitung selbst an die Hamburger Polizei herangetreten ist. Julian Reichelt, Chefredakteur der "Bild"-Zeitung: Warum haben Sie Metzelders Namen sofort veröffentlicht?
Julian Reichelt: Warum sind wir mit dem Namen Christoph Metzelder rausgegangen? Weil die Durchsuchungsmaßnahmen in aller Öffentlichkeit stattgefunden haben, bei einem nicht nur deutschlandweit national bekannten, sondern weltbekannten Fußballstar, weil diese Durchsuchungsmaßnahmen in Anwesenheit von zum Beispiel anderen ehemaligen Bundesliga-Profis stattgefunden haben, weil davon absolut auszugehen ist, dass mediale Aufmerksamkeit dort innerhalb kürzester Zeit stattfindet, dass die Durchsuchungsmaßnahmen in seinem Haus, in einer Nachbarschaft stattgefunden haben, wo einfach jeder ihn kennt. Und eine Verkürzung des Namens hätte aus unserer Sicht in diesem Fall keinerlei schützenden Effekt gehabt. Im Gegenteil: Das hätte die Spekulationen darüber, um wen handelt es sich denn da, warum wird denn über den jetzt abgekürzt berichtet, wird da vielleicht etwas verborgen, massivst befeuert. Und dadurch das, was die große Sorge aller Kritiker ist, nämlich Vorverurteilung, vermutlich eher noch beschleunigt als gedämpft.
Kontaktaufnahme mit Polizei als "staatsbürgerliche Pflicht"
Baetz: Aber vielleicht nochmal von Anfang an: Am Mittwoch war in der Zeitung zu lesen, eine Frau habe sich bei der Polizei gemeldet. Am Donnerstag zitieren Sie in "Bild" einen Hamburger Polizeisprecher, die "Bild"-Zeitung sei an die Polizei herangetreten. Was stimmt denn nun?
Reichelt: Also erstens ist darin kein Widerspruch. Zweitens kommentieren wir nicht, wie wir mit Quellen umgehen. Drittens, das Statement des Polizeisprechers haben Sie ja genannt. Dem habe ich überhaupt gar nichts hinzuzufügen. Es ist grundsätzlich so, dass wir Quellen, die möglicherweise von strafrechtlich relevanten Vorgängen wissen, dass wir diesen Quellen raten, sich an die Polizei zu wenden. Das ist unser grundsätzliches Vorgehen. Das hat auch nichts mit der Arbeit von Medien zu tun, sondern das ist aus meiner Sicht eine staatsbürgerliche Pflicht, dass wenn man von möglicherweise schweren Straftaten erfährt, dass man diese Verdachtsmomente der Polizei meldet. Das ist von den journalistischen Vorgängen völlig getrennt. Das ist sozusagen unser grundsätzliches Vorgehen. Wie das hier genau war, kommentieren wir hier wie immer bei Quellen nicht. Aber es gibt ja das Statement der Hamburger Polizei. Was sich im Übrigen glaube ich sehr lobend über "Bild" äußert, auch wenn das hier und da in der Berichterstattung ganz gerne weggelassen worden ist.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Die "Bild"-Zeitung hat groß über Ermittlungen gegen Christoph Metzelder berichtet (Deutschlandfunk / Christoph Sterz)
Baetz: Der "Bildblog" schreibt aber quasi, dass Sie die eigene Berichterstattung erst initiiert haben, indem Sie sich an die Hamburger Polizei gewandt haben. Was würden Sie dazu sagen?
Reichelt: Dazu müssen Sie den "Bildblog" fragen, wie sie auf diese Interpretation kommen und wie, das würde mich dann interessieren, "Bildblog" verfahren würde, wenn sie, wie gesagt, in einem grundsätzlich gelagerten Fall Kenntnis von möglichen schwersten Straftaten erlangen, ob sie das dann für sich behalten, was ich bei "Bildblog" durchaus für möglich halte, oder ob sie das der Polizei mitteilen würden.
"Ich glaube, dass wir Verdachtsberichterstattung geübt haben"
Baetz: Herr Reichelt, Sie sagen, Sie haben Christoph Metzelder nicht vorverurteilt, aber Sie haben doch relativ reißerisch berichtet. Zum Beispiel eine Überschrift hieß: "Hier holen Fahnder Metzelder aus der Sportschule". Das bedeutet doch, im übertragenen Sinne: Hier wird jemand abgeführt. Aber er wurde ja gar nicht verhaftet.
Reichelt: Ja, da haben Sie jetzt kunstvoll, glaube ich, drei oder vier verschiedene Dinge vermischt, die alle rein gar nichts miteinander zu tun haben. Sie haben gesagt, vorverurteilt, ich habe auch nicht gesagt, da haben Sie mich falsch zitiert, wobei ich glaube, dass wir nicht vorverurteilt haben, sondern Verdachtsberichterstattung geübt haben. Dann haben Sie gesagt "eine reißerische Überschrift", "Hier holen sie Metzelder aus der Sportschule ab". Das ist eine rein nachrichtliche Überschrift auf einen Sachverhalt. Und dann sagen Sie, er ist doch gar nicht verhaftet worden. Das steht dort aber auch nirgendwo. Also um da reißerische Berichterstattung sehen zu wollen, muss man die schon sehr, sehr, sehr dringend und energisch sehen wollen. Die Überschrift bei uns war der Sachverhalt: Hier holt die Polizei Christoph Metzelder in der Sportschule Hennef ab. Das ist tatsächlich genau das, was dort geschehen ist.
Baetz: Wieso waren denn Fotografen überhaupt dabei, als Metzelder zum Verhör gebracht wurde?
Reichelt: Weil es unser Beruf ist, Dinge zu recherchieren und Dinge zu wissen, genau wie bei Ihnen auch.
"Keinerlei Grundlage für irgendeinen Deal"
Baetz: Das heißt, einen Deal haben Sie nicht gemacht mit der Polizei möglicherweise?
Reichelt: Sie können dazu gerne die Behörden anfragen, ob Behörden Deals in solchen Fällen schließen. Ich glaube, es ist relativ offenkundig, wenn man der Argumentation folgen kann, dass das Anzeigen von möglicherweise schweren Straftaten kein Gefallen und kein Zugeständnis an die Behörden ist, sondern eine staatsbürgerliche Pflicht. Und aus dem Nachkommen von staatsbürgerlichen Pflichten ergibt sich logischerweise und zwangsläufig keinerlei Grundlage für irgendeinen Deal, dass man sagen kann, wir haben Euch jetzt aber da einen Gefallen getan, selbst wenn das in dem Fall jetzt so wäre. Es kann einen Deal nur dann geben, wenn man hier etwas zu bieten hat. Und es bleibt weiter unsere Aufgabe, zu Dingen, von denen wir erfahren haben, zu recherchieren und nicht Deals zu schließen.
Baetz: Wolfgang Kubicki, der FDP-Politiker, hat bei "Maischberger" letzte Woche sinngemäß gesagt, Metzelder wäre durch die Berichterstattung im Grunde jetzt fertig. Es bleibt eigentlich immer etwas hängen, gerade bei einem solchen Vorwurf. Haben Sie sich da jetzt schuldig gemacht? Bewiesen ist ja noch nichts.
Reichelt: Ich finde, dass das Wort schuldig im Umgang mit dem demokratisch-freiheitlichen Grundrecht auf Verdachtsberichterstattung ehrlich gestanden ziemlich abwegig ist. Also welcher Sache sollte ich mich schuldig gemacht haben? Dass ich ein Recht der freien Presse wahrgenommen habe, Verdachtsberichterstattung auf Grundlage von Recherche, oder worin besteht jetzt genau die Schuldigkeit? Das wüsste ich jetzt von Ihnen gerne.
Verdachtsberichterstattung als Grundrecht der Presse
Baetz: Die Schuldigkeit würde darin bestehen, dass Sie schon über Ermittlungen berichten, die ja auf jeden Fall von der Polizei durchgeführt werden müssen, egal, was dann zum Schluss dabei rauskommt.
Reichelt: Und aus dem, was man da Verdachtsberichterstattung nennt und was ein Grundrecht der Presse ist, würden Sie eine Schuldigkeit ableiten?
Baetz: Nein, aber es bleibt ja immer etwas hängen.
Reichelt: Aber dann kann ich mich ja nicht schuldig gemacht haben, wenn Sie keine Schuldigkeit daraus ableiten. Das halte ich ehrlich gestanden für einen abwegigen Vorwurf.
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