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Bilder der Corona-Krise
"Der Zuschauer ist wahrscheinlich relativ überfordert"

In der Corona-Krise werden immer wieder Bilder von schwer kranken und sterbenden Menschen in Krankenhäusern gezeigt. "Wenn die Kamera im Spiel ist, dann gibt es immer so etwas latent Voyeuristisches", sagte Medienethiker Alexander Filipović im Deutschlandfunk.

Alexander Filipovic im Gespräch mit Susanne Luerweg |
Blick in den Flur einer Intensivstation. An der Eingangstür hängt ein STOP-Schild.
Blick in eine Intensivstation für Covid-19-Patienten (dpa/ Sebastian Kahnert)
Susanne Luerweg: Jeden Tag von Montag bis Freitag sendet die ARD derzeit ein "Extra" nach der Tagesschau zur Corona-Krise. Am Dienstagabend (voriger Woche) waren dort Bilder zu sehen, die auf einige verstörend wirkten: Bilder von Menschen, die unerträgliche Schmerzen hatten und sogar an den Folgen der Covid-19-Erkrankung gestorben sind. Eine Reporterin ist die ganze Zeit mit der Kamera dabei, folgt Schwester Babsi in einem stark ausgelasteten Krankenhaus in Bayern auf Schritt und Tritt. Was ist aus medienethischer Sicht von dieser Art Berichterstattung zu halten? Darüber wollen wir sprechen mit Professor Dr. Alexander Filipovic. Er ist Professor für Medienethik an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München und uns nun zugeschaltet. Schönen guten Tag.
Alexander Filipović: Schönen guten Tag.
Susanne Luerweg: Herr Filipović, die Menschen in dem Beitrag die sind zwar unscharf gestellt, aber tatsächlich wird auch der Moment des Sterbens gezeigt oder zumindest, wenn die Geräte abgeschaltet werden. Ist das eine Zumutung oder vertretbar?
Alexander Filipović: Ja, also mich hat dieser Beitrag tatsächlich auch angegangen sozusagen. Es war ein bisschen eine Zumutung für mich, ihn auch zu schauen. Die Überlegung ist natürlich, ob eine Zumutung manchmal notwendig ist oder vielleicht auch heilsam sein kann. Ich glaube, es ist vertretbar, zu zeigen, dass in dieser Krise, an dieser Krankheit Menschen sterben und wie die sterben. Ich glaube, das gehört auch zur Pflicht der Berichterstattung. Journalisten sollen es auch zeigen. Es bleibt aber dann natürlich die Frage, wie man das macht. Es ist ja eine Inszenierung, wenn die Kamera auftritt, und das kann man gut und das kann man schlecht machen.
"Die Situation ist fast unerträglich"
Susanne Luerweg: Sind solche Bilder nötig, glauben Sie das tatsächlich, um auf die Gefahren des Virus aufmerksam zu machen, damit das auch dem Letzten klar wird?
Alexander Filipović: Also, das ist ein bisschen eine schwierige Kategorie. Ich habe das ja auch ein bisschen vorsichtig eingebracht. Es gibt natürlich die Berichterstattung. Der Journalismus soll ja zeigen, was ist und was passiert. Das wünschen wir uns ja auch vom Journalismus. Wenn der Journalismus aber versucht, mit viel Wirkung auf etwas hinzuweisen, selber sozusagen eine Agenda hat, und zu sagen: Wir wollen jetzt, dass die Menschen das unbedingt sehen und wissen, dann wird es immer so ein bisschen brenzlig. Das kann man auch bei Schock-Fotos - viele erinnern sich ja noch an den Tod des kleinen Jungen am Strand - da haben auch viele Journalisten gesagt, wir müssen das Bild zeigen, um darauf hinzuweisen, wie die Situation wirklich ist. Ich wäre da tatsächlich vorsichtig. Es gibt zwar so etwas wie eine soziale Verantwortung des Journalismus. Also Journalimus kann auch engagiert sein und kann auch etwas wollen. Aber das nur nach guter Überlegung. Wenn die Kamera im Spiel ist, dann gibt es immer so etwas latent Voyeuristisches, und ich glaube, das sieht man so auch an diesen Beitrag.
Susanne Luerweg: …denn im Grunde genommen: Die Menschen, die da sterben, die können sich nicht wehren. Und damit ist ja vielleicht ein Stück weit nicht doch auch die Menschenwürde verletzt? Wie würden Sie das sehen?
Alexander Filipović: Also, die Situation tatsächlich da in diesem Krankenhaus in diesem Moment – die Kamera war ja dabei, wo die Atemmaschine auch ausgeschaltet wurde und wo auch die Entscheidung kommuniziert wurde, dass dieser Mensch austherapiert ist. Das ist ja alles sehr, sehr schrecklich, und die Situation ist fast unerträglich. Die Professionalität dieser Krankenhausbesetzung, die schützt einen da ein bisschen vor, weil die natürlich das öfter erleben und dann nicht zusammenbrechen in diesem Moment. Aber der Zuschauer selber ist wahrscheinlich relativ überfordert in diesem Moment. Da kann man sich die Frage stellen: Ist hier die Menschenwürde dieser Person in Frage gestellt? Sollte man sie nicht lieber alleine lassen? Und da hätte ich mir etwas mehr Zurückhaltung von der Kamera gewünscht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.