Archiv


Bilder des Krieges

Armin Petras nähert sich an den Münchner Kammerspielen dem Phänomen Krieg auf zweifache Weise: mit einer Komödie von Carlo Goldoni und einem Trauerspiel von Kleist. Doch miteinender verwoben werden die Stücke nicht - Petras zeigt eins nach dem anderen.

Von Sven Ricklefs | 15.03.2010
    Es ist so eine Sache mit dem Krieg auf dem Theater, zeigen kann man ihn nicht, ohne sich lächerlich zu machen, bleibt nur die Erzählung davon oder ein Danach oder Davor oder Dazwischen. Armin Petras hat in seinem Projekt der Krieg ein Dazwischen und ein fast Danach kombiniert, indem er zwei Stücke spielen lässt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist zum einen die fröhliche Comedia von Carlo Goldoni, der selbst begeisterter Kriegsberichterstatter war und der in seinem Stück von einer Kampfpause berichtet, in der es vor allem um eins geht: um Genuss und Gewinn und was der Krieg an Freuden sonst noch zu bieten hat.

    "Jetzt bietet sich natürlich die hervorragende Gelegenheit den Waffenstillstand auch mal positiv zu nutzen, deshalb wollen wir es uns wohlergehen lassen."

    In Heinrich von Kleists sperrigem Trauerspielfragment "Robert Guiskard" dagegen wütet die Pest im Lager und das Volk will nur eins, heim, nach Hause. Goldoni also wusste viel Heiteres vom Krieg zu sagen, Kleist sprach mühevoll von Tod und Pest und Endzeit.

    Anders als es vielleicht von ihm zu erwarten war, collagiert Regisseur Armin Petras die Stücke nicht, sondern er zeigt zunächst Goldonis Komödie, deren drei Akte er allerdings auf das Handlungsskelett eingekürzt hat. Szenen und Konstellationen werden nur noch anzitiert: Die gelangweilt spielenden Soldaten, die freudigen Gewinnler, die harten Kriegsbräute, die Machogesten der Krieger und schließlich auch die burlesken Volksszenen, in denen Petras seine Schauspieler ganz bewusst in den Spiel- und Kostümklamauk treibt, in eine Art Operettenparodie,

    "Mädchen, was ist passiert?"

    "Man hat mir die Eier gestohlen. Man hat mir den Käse gestohlen. Die Eier und den Käse."

    Was dann aber durchaus auch wieder in einer Vergewaltigung enden kann. Durch eine hohe helle Wand eng in den Bühnenvordergrund gedrängt, spielen die Schauspieler häufig aus der Gruppe heraus und dabei weniger als sich in Rollen Identifizierende als vielmehr als Figurenzeiger. Und dieses Gruppenhafte verstärkt sich dann noch im zweiten Teil, in Kleists Robert Guiskard, zum Chor. Die Wand ist weg und immer wieder findet dieser Chor sich zu einem hilflosen Menschenhaufen zusammen, der von Guiskard die Führerschaft fordert und die Heimkehr, dabei ist dieser Feldherr vielleicht bald ein toter Feldherr, schließlich geht die Mär auch er sei von der Pest infiziert.

    Guiskard: "Ob ich wie einer ausseh', der die Pest hat, Ihr wollt mich Blühenden doch nicht hinschleppen zu den Faulenden aufs Feld."

    Chor: "Oh du geliebter Fürst, dein heiteres Wort gibt uns ein aufgegebenes Leben wieder, wenn keine Gruft doch wäre, die dich deckte, wärst du unsterblich doch."

    Eigentlich gehört der Krieg ja nicht gerade zu unserer Lebenswirklichkeit, auch wenn die Frage, ob sich Deutschland in Afghanistan nicht doch im Krieg und nicht nur in einem Stabilisierungseinsatz – wie das so schön heißt - befindet, seit Kurzem immer dringlicher diskutiert wird.

    Eigentlich also ist uns das Phänomen Krieg fern und trotzdem irritiert einen das Kriegsprojekt von Armin Petras gleich auf doppelte Weise. Zum einen, indem es einem in Spiel und Ästhetik vor Augen führt, wie Krieg etwa auf dem Theater zur Nichtigkeit banalisiert werden kann. Zum anderen zeigt es dann aber auch, wie verstörend er sein kann, ohne dass man von ihm etwas sieht. Die Hilflosigkeit, mit der sich die hier gleichsam in der Schöpfung herumstehende Menschen immer wieder zur Gruppe, zum Chor zusammendrängen, um in den verzweifelsten Momenten aus dem zugegebener Maßen nur schwer kommensurablen Text von Kleist in gesungene Hilferufe an Gott auszubrechen, diese Hilflosigkeit berührt und lässt einen durchaus mitfühlend zurück.

    Und so wird dieser Krieg an den Münchner Kammerspielen, auch dank des zehnköpfigen Ensembles, dass sich ganz auf Petras nervöse Spielweise eingelassen hat, sicherlich seine Nachwirkungen haben.