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Bilderrausch, aber keine große Erzählung

In seinem neuen Film hat sich Steven Spielberg der unverbrüchlichen Freundschaft eines Jungen und eines Pferdes in Zeiten des Krieges zugewandt. "Gefährten" schwelgt in grandiosen Panoramen und makellosen Bildern, doch die Figuren bleiben überwiegend schablonenhaft.

Von Hartwig Tegeler | 15.02.2012
    Ein falsches Pferd hat Ted, der arme, englische Farmer, gekauft. Wie soll so ein Vollblut das steinige Feld pflügen? Die Farmersfrau schimpft:

    "Ted, du musst ihn zurückbringen. Du bringst ihn auf der Stelle zurück. Du gehst auf die Knie und bettelst, bis du unser Geld wieder hast."
    "Nein, bitte bringt ihn nicht zurück."

    Bittet der Farmerssohn Albert. Das Einstiegskapitel von "Gefährten", bevor der Erste Weltkrieg ausbricht, erzählt vom Beginn der großen Freundschaft zwischen Albert und Joey, dem Vollblut, der den Job als Ackergaul wider Erwarten brillant bewältigt. Trotz all der Felsbrocken. Joey rettet damit die Familie vor dem Großgrundbesitzer.

    "Braver Junge, gut gemacht. - Unglaublich, jetzt gucke sich das einer an."

    Doch mit dem Ausbruch des Krieges beginnt das eigentliche Drama: Albert verliert Joey an die Armee:

    "Er hört nur auf mich, Sir. Er nützt Ihnen im Krieg auch gar nichts. Er scheut bei jedem Geräusch."

    "Würdest du ihn mir leihen, Albert? Als mein persönliches Pferd? Ich verspreche dir von Mann zu Mann, dass ich für ihn sorge. Genauso gut, wie du es getan hast. Und wenn ich kann, dann bringe ich ihn dir wieder zurück."

    Das wird diesem Offizier nicht gelingen. Er stirbt beim ersten Angriff. Joey aber zieht weiter über die Schlachtfelder, von einem Herrn zum nächsten.

    Wenn Steven Spielberg in "Gefährten" die britische Kavallerieeinheit im Getreidefeld aufsitzen und die deutschen Stellungen angreifen lässt, "Vorwärts im Kanther! Marsch!"

    dann blitzen Erinnerungsfetzen auf, an die anderen Monumentalepen der Filmgeschichte - "Lawrence von Arabien", "Doktor Schiwago" -, ja, Spielberg verbeugt sich in seinen grandiosen Panoramen meisterhaft vor den alten Meistern. Die Bilder sind also makellos, aber sonst?

    "Und wenn die Fahrzeuge kaputt gehen und sie die Pferde braucht, dann sehen wir uns an der Front, und dann haben wir uns ja wieder."

    "Gefährten" fügt sich erstaunlich nahtlos in den Erzählkosmos von Steven Spielberg: Wenn man "Unheimliche Begegnung der dritten Art" oder "E. T. - Der Außerirdische" Revue passieren lässt, so ging es immer um die unverbrüchliche und scheinbar unmögliche Freundschaft, die sich bewähren muss. Der Außerirdische in "E. T." oder jetzt Joey, das edle Vollblut in "Gefährten", beide sind nicht von dieser 'menschlichen Welt'. Das Pferd in seiner Schönheit wie Unschuld, dem sein menschlicher Freund Albert über die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges folgt, um das Pferd nach Hause zu holen, das ist die universale Grunderzählung über Freundschaft, und sie ist eben "Spielberg pur".

    Doch die Erinnerung an das alte epische Hollywoodkino - John Ford, King Vidor, Victor Fleming oder David Lean - und die sich kurz einstellende nostalgische Rückschau verwandelt sich in Wehmut, wenn man nur - für einen Moment aus dem Rausch der Bilder von "Gefährten" erwachend - sich der Wahrheit stellen muss: "Gefährten" präsentiert Figuren, die eindimensional bleiben. Sie zeigen keine zerreißenden Widersprüche wie beispielsweise der selbstverliebte Macho Rhett Buttler oder die verwöhnte, liebende Zicke Scarlett in "Vom Winde verweht", einer Dame, der ja am Ende durchaus ein gehöriges Maß Schizophrenie diagnostiziert werden kann, was sie retrospektiv umso interessanter macht. Nichts Kantiges, Eckiges oder Vergleichbares in "Gefährten". Albert ist treu; Joey, sein Wallach, ist treu. Punkt. Nicht mehr! Und damit zu wenig! So versinkt Steven Spielbergs Figurenensemble in Schablonen, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Der französische Großvater ist eine:

    "Das fliegst du durch so viel Grauen und Schmerz. Und du weißt, dass du nicht ein einziges Mal nach unten sehen darfst."

    Grandios Niels Arestrup als Großvater, der versucht, seine Enkelin über die Kriegszeit zu retten.

    "Du musst nach vorne sehen, sonst kommst du nie heim. Jetzt frage ich dich, was könnte mutiger sein als das."

    Oder Hinnerk Schönemann als deutscher Soldat, der mitten im Niemandsland das Pferd Joey aus dem Stacheldraht herausschneidet und, genau wie sein englischer Feind, der ihm dabei hilft, menschliche Würde beweist, kurz bevor das große Schlachten weitergeht. Eindrucksvolle Momente in "Gefährten" wie gesagt, wenn das Monumentale nicht schon jede Emotion überwältigt hat.

    Die großen Bilder und dieser "Bigger-than-life"-Eindruck, den Spielberg erzeugt, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier keine große Erzählung gelungen ist.

    "The courage of this boy ... this extraordinary animal."

    Es gehe vor allem um den Mut, die Zähigkeit, die Beharrlichkeit dieses Jungen und der des Pferdes, sagt Regisseur Steven Spielberg. Dass der Krieg in "Gefährten" aber zum Schicksalshaften, zum Naturgegebenen und zur Hintergrundfolie verkommt, auf der dann die große Freundschaft umso edler aufscheinen kann, das ist dann leider die andere Seite! - Einen dunklen Blick auf die Welt, den konnte Spielberg eben noch nie aushalten in seinen Filmen. Und am Ende? Wie wahrscheinlich ist es bei dieser Art von Film, dass Joey und Albert nicht wohlversehrt nach Hause kommen? Giftgasangriff wie Schützengrabenhorror hin oder her!