Zu große Chancenungleichheit, zu wenig Bildungsaufsteiger, eine zu geringe Akademikerquote - das waren in den vergangen Jahren immer wieder die Kritikpunkte der OECD-Bildungsstudie "Bildung auf einen Blick" am deutschen Bildungssystem. Diesmal kamen dagegen fast nur lobende Worte.
Deutschland habe vor allem in der frühkindlichen Bildung in den vergangenen Jahren "erhebliche Fortschritte" gemacht. Zwei Drittel der 2-Jährigen und über 90 Prozent der 3-Jährigen nehmen an einer Vorschulbildung teil, sowie nahezu alle 4-5-Jährigen – das ist mehr als der OECD-Durchschnitt und ein wichtiger Schritt zu mehr Chancengleichheit, betonte Stefan Kapferer, stellvertretender Generalsekretär der OECD.
"Das hat etwas auch mit dem späteren Erfolg zu tun. Sie können in den PISA-Zahlen ganz deutlich messen, dass bereits ein Jahr frühkindliche Bildung nachher die Ergebnisse im PISA-Test deutlich verbessert. Und das hat auch eine Bedeutung für Kinder mit Migrationshintergrund. Es ist völlig klar, dass Kinder deutlich besser abschneiden, die frühzeitig die Chance haben, den Spracherwerb zu verbessern, indem sie in einer frühkindlichen Bildungseinrichtung sind."
Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist in Deutschland so niedrig wie in kaum einem anderen Land der OECD. 2014 betrug der Anteil der 20 -24-Jährigen, die weder arbeiten noch eine Aus- oder Weiterbildung machen, nur zehn Prozent – gegenüber 17,9 Prozent im OECD-Durchschnitt. Das sei das ein "hervorragendes Ergebnis", so Kapferer.
Grund sei zum einen die gute Wirtschaftslage - aber auch das leistungsfähige deutschen dualen Ausbildungssystem, das besonders geeignet sei, auch bei der Integration von Migranten zu helfen. Kapferer mahnte allerdings "spezielle Angebote" für Flüchtlinge an, um die Basis "noch weiter zu stärken". Als eine der großen Herausforderungen benannte die OECD-Studie den drohenden Fachkräftemangel. Allerdings helfe es, dass Deutschland in den letzten Jahren erfolgreich für die naturwissenschaftlich-technischen Fächer geworben habe. 40 Prozent der deutschen Studienanfänger entschieden sich für ein sogenanntes MINT-Fach.
"Deutschland hat die höchste Zeit von Studierenden prozentual die ein Bachelorstudium im naturwissenschaftlichen Bereich aufnehmen. Das ist glaube ich eine sehr gute Tatsache. Denn Deutschland ist natürlich aufgrund seiner Industriestruktur, seiner Wirtschaftsstruktur ein Land das einen erheblichen Nachbesetzungsbedarf von Ingenieuren, von Naturwissenschaftlern im Berufsleben hat."
Allerdings sei der Frauenanteil in den technischen Berufen immer noch zu niedrig. Dies läge auch an der Erwartungshaltung in den Elternhäusern. Von 40 Prozent der Jungen erwarteten die Eltern, dass sie später etwas mit Technik machten, aber nur von 14 Prozent der Mädchen. In anderen Ländern würden von Mädchen viel selbstverständlicher gute Leistungen in den Naturwissenschaften eingefordert.
Bei den höheren Bildungsabschlüssen zeichnet die OECD für Deutschland ein eher durchwachsenes Bild. Vor allem in der Promotion sei Deutschland international führend: Mit neun Prozent eines Jahrgangs machen hier mehr als doppelt so viele Menschen ihren Doktor als im internationalen Vergleich.
Allerdings schneidet Deutschland bei den Studienabschlüssen eher schlecht ab. Zwar nehmen mittlerweile 53 Prozent eines Jahrgangs ein Studium auf oder machen ihren Meister – doch nur 36 Prozent schließen auch erfolgreich ab. Die hohen Abbrecherquoten zu senken, stelle eine der Herausforderung für die Zukunft dar, erklärte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka.
"Wir verlieren dadurch nicht nur volkswirtschaftliche Ressourcen, sondern das ist ja auch für den einzelnen Betroffenen, der ein Studium abbricht, immer ein Misserfolgserlebnis. Und deswegen sind die Dinge Beratung in den Gymnasien, Qualitätspakt Lehre oder anderes sehr wichtig."
Für die Bundesländer verwies Brunhild Kurth, sächsische Kultusministerin und gleichzeitig Präsidentin der Kultusministerkonferenz, auf den großen Handlungsbedarf beim Thema Fachkräftemangel. Es sei daher eine Herausforderung an das Bildungssystem, die jungen Flüchtlinge erfolgreich zu integrieren.
"Wir brauchen diese jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Wir wissen, dass wir da ein ganz dickes Brett zu bohren haben. Dass wir die erforderlichen Qualifikationen nicht im Handumdrehen erlangen werden. Hier brauchen wir einen langen Atem und eine ganz große Bandbreite von Maßnahmen in den einzelnen Bundesländern, das ist nicht nur mit dem Erlernen der deutschen Sprache getan."
Erst gestern hatte eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft gezeigt, dass sich die Zahl der unbesetzten Lehrstellen seit 2005 verdreifacht hat. Besonders betroffen sind Ostdeutschland und Bayern.