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Bildung
Bundestagswahlen im Schulunterricht

Das Superwahljahr 2017 ist eine besondere Herausforderung für Schulen. Die aktuelle politische Situation ist auch unter Schülern ein Thema - eine Chance, die viele Lehrer nutzen wollen. Bei einer Infoveranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn konnten sich Pädagogen austauschen und Lehrmaterialien testen.

Von Moritz Küpper |
    Schüler sitzen in einem Klassenraum.
    Kontroverse Diskussionen der Gesellschaft sollen auch im Klassenraum möglich sein. (Imago / Westend61)
    Silke Banneck sieht in der aktuellen Lage vor allem eine Chance:
    "Wenn ich jetzt den Klassenraum öffne, dann wird über Politik gesprochen. Und es wird nicht darüber gesprochen, wer wen in der Pause geärgert hat, sondern warum Trump gewählt wurde, was der Brexit soll. Darüber sprechen die Schülerinnen und Schüler."
    Wie umgehen mit Populismus?
    Banneck unterrichtet Deutsch, Politikwissenschaften und Geschichte an einem Berliner Gymnasium. Doch an diesem Abend ist sie extra nach Bonn gekommen. "Bundestagswahlen als Thema im Unterricht", so der Titel des Schulforums der Bundeszentrale für politische Bildung. Für Banneck heißt das vor allem: Wie umgehen mit Populisten?
    "In Zeiten, in denen wir mit vielen Herausforderungen zu kämpfen haben, ist es besonders wichtig, junge Menschen für die Demokratie zu gewinnen."
    Gut eine halbe Stunde lang präsentiert Banneck den Aufbau eines Unterricht-Moduls. Zeigt, wie sie ihre Schüler mit den Aufgaben von Politikern vertraut macht, wie sich Populismus definiert – und welche Gefahren darin liegen. Auch das TV-Duell im US-amerikanischen Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump war ein Thema, genauso wie die Analyse einer Rede von AfD-Mitbegründer Bernd Lucke. Rund 40 Lehrerinnen und Lehrer sind an diesem Abend gekommen, sitzen in Gruppen an Tischen, hören zu – und widersprechen auch, wie beispielsweise Rolf Haßelkus:
    "Wie kann ich mit denjenigen umgehen, die auf diese populistischen Meinungen hereinfallen, weil sie entziehen sich ja gerade diesen intellektuellen Beiträgen, die wir hier gerade sehr gut gehört haben. Wenn sie die alle durchlaufen hätten, ich glaube, dann würden ja viele gar nicht mehr diese populistischen Thesen übernehmen."
    Angst vor Kontroversen
    Seit rund 30 Jahren unterrichtet er an einer Realschule in Bonn. In seinen Klassen hat er einen hohen Anteil türkischstämmiger Schülerinnen und Schüler, die die deutsche Berichterstattung über den türkischen Präsidenten Erdogan in Frage stellen. Im Anschluss an Bannecks Vortrag, geht es an einzelne Stationen: Welche Arbeitsblätter gibt es? Wofür lassen sich Plakate einsetzen? Gibt es eine Möglichkeit, das Ganze spielerisch aufzugreifen?
    "… und dann versuchen, zu dieser These eine Anti-These zu …"
    An den Tischen wird diskutiert, doch wer länger zuhört, stellt auch Angst fest. Angst sich einer Thematik anzunehmen, die zu Kontroversen führen könnte. Gerade in dem anstehenden Wahl-Jahr und im Hinblick auf die unterschiedlichen Parteien:
    "Grundsätzlich müssen wir es einfach schaffen, neutral zu bleiben, solange wir nicht gezwungen werden, den demokratischen rechtlichen Rahmen einzufordern von den Schülern, wenn diese den eben durchbrechen."
    Sagt beispielsweise Nick Larsen, ein 33-jähriger Politik-Lehrer aus Dormagen. Doch gerade die Positionen von US-Präsident Trump oder der Alternative für Deutschland seien da eine besondere Herausforderung – erst recht bei den offenen, mitunter direkten Fragen einiger Schüler:
    "So muss ich dann einfach eine Art Spagat finden zwischen Neutralität, Überwältigungsverbot einhalten, aber auch trotzdem einen Weg vorzugeben oder eine Sichtweise vorzuleben, die ich vertreten kann – ohne eben den Schülern etwas aufzuzwängen."
    "Man muss den Kontroversen, die in der Gesellschaft bestehen nachgehen und man muss sich auch in der politischen Bildung damit beschäftigen."
    "Politische Bildung funktioniert nur über diesen Schritt: Informieren, diskutieren, urteilen."
    Sagt auch Daniel Kraft von der Bundeszentrale. Genauso wie Journalisten und Politiker sei sein Haus gefordert, bei aller Neutralität:
    "Wir tun das seit vielen Jahren, sind da dem sogenannten Beutelsbacher Konsens verpflichtet, der ganz klar sagt: Das, was in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird, das muss auch in der politischen Bildung kontrovers diskutiert werden. Und es muss in einer Weise getan werden, dass wir die verschiedenen Positionen, dass man die sich auch anschaut."
    Wie beispielsweise beim Wahl-O-Mat, in dem man die Partei-Programme anhand von Fragen überprüfen kann. Für die Bonner Einrichtung hat der Abend zwei Funktionen: Zum einen geht es darum, ihre Materialen bekannt zu machen, zum anderen, die Bedürfnisse aus der Praxis kennenzulernen. Und die liegen, das zeigt sich an diesem Abend ganz deutlich, bei einem Austausch in schwierigen Fragen. Zumal einfache Antworten fehlen:
    "Politische Bildung funktioniert nur über diesen Schritt: Informieren, diskutieren, urteilen."
    Meint Expertin Banneck. Die Schule biete den Raum, sich mit populistischen Thesen auseinanderzusetzen, daher sei es wichtig, diese Herausforderung anzunehmen, auch wenn Banneck sagt:
    "Das politische Urteil ist die Königsdisziplin und es ist schwierig, auch als Lehrerinnen und Lehrer Schülerinnen und Schüler auf diesem Weg anzuleiten."
    Und auch der Bonner Realschullehrer Haßelkus ist fündig geworden: Ein Kartenspiel, bei dem die Kinder und Jugendlichen Thesen bilden müssen, das könnte passen, meint er. Dazu eine Reihe, die die direkten Konsequenzen politischen Handelns verdeutliche. Denn, so Haßelkus, letztendlich gehe es ja genau darum:
    "Was hat Politik eigentlich mit mir selber zu tun? Und ich denk mir gerade bei meinem Klientel ist das wahnsinnig wichtig. Ich kann keinen Zugang finden, wo die intellektuell zur Politik kommen, sondern ich muss denen klarmachen, Politik hat was mit dir zu tun und du musst dir im klaren sein, dass du da auch irgendwie dann vielleicht viel mehr mitmachen kannst."