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Bildung
Das Saarland soll Französisch lernen

In 30 Jahren sollen sich nach der Vorstellung von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer alle Saarländer auf Französisch verständigen können. Damit diese Wunschvorstellung Realität werden kann, müssen Schulen und Kindergärten ihren Beitrag leisten.

Von Tonia Koch | 19.02.2014
    "Quest-ce-q’on met dans le sac?"
    Was nehmen wir denn alles mit, fragt Natasche Stupfler ihre Schützlinge.
    "Cola, Toastbrot, Taschenlampe, Badehose."
    Die Ausrüstung ist äußerst wichtig, bloß nichts vergessen, schließlich begeben sich die 20 Kinder auf Bärenjagd.
    Un, deux, trois, je part à la chasse à l’ours."
    Die Reise vom Kindergarten in Ensheim bis zu den Bären ist beschwerlich. Immer wieder steigen die Kinder auf ihre Stühlchen und wieder herunter. Sie müssen erst Berge erklimmen, bevor sie einen Fluss entdecken und ins Wasser hüpfen dürfen. Zumindest so tun dürfen als ob. Französisch hören und verstehen, das ist das Ziel, das der Kindergarten verfolgt, sagt Natascha Stupfler.
    "Ich spreche nur Französisch, aber ich mache sehr viel Mimik und Gestik, dass die Kinder mich verstehen. Und das klappt schon."
    Die meisten der Drei- bis Sechsjährigen können sich auch bereits vorstellen in der Fremdsprache oder haben den einen oder anderen Begriff abgespeichert.
    "Je m’ appelle Leon, Leonie, Lioness. Ich weiß, was auf Französisch Mülltonne heißt, poubelle."
    Dass die Kinder sich in der Fremdsprache ausdrücken könnten, das sei nicht die Intention. Das sei auch gar nicht möglich, mit nur etwa 170 französischen Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern, in saarländischen Kindertagsstätten und Kindergärten.
    "Ich bin nur einen Tag in der Gruppe, dann mache ich besondere Angebote auch, aber ich kann nicht mit 20 oder 22 Kindern an einem Vormittag spielen."
    Es gibt im Saarland auch Kindertagesstätten, die für jede ihrer Gruppen eine französische Muttersprachlerin oder einen Muttersprachler ganztägig zur Verfügung haben, aber das ist die Ausnahme. Wünschenswert wäre es allemal, nur auf dem französischen Arbeitsmarkt seien diese Leute, die die notwendigen Qualifikationen aufweisen, das heißt eine Ausbildung als Erzieherin oder zumindest als Kindergartenhelferin mitbringen, kaum zu finden, bestätigt die Leiterin der Ensheimer Einrichtung Marie-Louise Nagel.
    Es fehlt an Personal und Geld
    "Es ist schwer. Wir hatten auch als diese Stelle erstmalig besetzt wurde keine große Auswahl. Da waren 5 bis 6 Personen, die in der Auswahl waren für diese Stelle, das ist ja schon sehr wenig und wir hatten Glück, dass eine dabei war, die unseren persönlichen Vorstellungen entsprochen hat."
    Das fehlende Personaluf der einen und die prekäre finanzielle Lage des Saarlandes auf der anderen Seite verhindern ein schnelle Umsetzung der von der Ministerpräsidentin ausgegeben Frankreichorientierung des Landes. Das gilt vor allem für die Schulen. Generell startet der Fremdsprachenunterricht im Saarland erst mit der Klassenstufe 3. Dort, wo die Kindergärten jedoch in die sprachliche Früherziehung eingestiegen sind, knüpfen die Grundschulen unmittelbar daran an. Sie bieten bereits im ersten und zweiten Schuljahr wöchentlich zwei Stunden Französisch an. Diese kommen auf den allgemeinen Lehrplan obendrauf, sind also zusätzlich und müssen in die schulischen Abläufe integriert werden. Petra Rossi, Direktorin der Grundschule Ensheim.
    "Angedacht ist es so, dass die Kinder zwei Mal in der Woche sechs Stunden haben und da wir das gerade den Erstklässlern nicht zumuten wollten, haben wir beschlossen, dass wir eine Förderstunde dafür aufgeben und die Kinder nur ein Mal die Woche sechs Stunden haben."
    Auch an der Ensheimer Grundschule unterrichtet eine Muttersprachlerin, Lydivie Rodange. Sie würde den Sprachunterricht gerne ausdehnen, um mehr Möglichkeiten zu haben.
    "Eine Stunde mehr wäre nicht schlecht, und eine AG wäre auch gut, um mehr Zeit zu haben, um Theater zu spielen oder Spiele machen."
    Beim Stichwort Spiele nicken die 4. Klässler zustimmend. Das wird jedoch so schnell nicht kommen, denn der Bildungsminister, Ulrich Comercon, hat bereits klar gestellt, dass für die Umsetzung der Frankreichstrategie momentan kein zusätzliches Geld zu Verfügung steht. Selbst wenn die finanziellen Ressourcen vorhanden wären, es fehlt auch hier an Lehrkräften. Als das Saarland vor zwei Jahren die Grundschullehrerausbildung an der Universität neu eingerichtet hat, wurde auf Französisch als Pflichtfach verzichtet. Frühes Fremdsprachenlernen Französisch kann von den Studierenden zwar gewählt werden, muss aber nicht. Wie viele der jährlich 60 ausgebildeten Grundschullehrerinnen und -lehrer sich für diesen Wahlpflichtbereich entscheiden werden, ist offen. Die Hoffnung liegt auf 50 Prozent.
    Bis überall im Land ein fröhliches "Bonjour" ertönt, wird es also dauern.