Lena Orabi Shafiq Hamdan führt ganz und gar nicht das Leben einer normalen 14-Jährigen. Sie ist in Jordanien als Kind palästinensischer Eltern geboren worden. Wo sie zu Hause ist, weiß sie nicht. Zu lange sind sie, ihre Eltern und Geschwister schon unterwegs. Auf der Suche nach einem sicheren Ort, an dem sie bleiben können. Lena hat Zukunftsträume wie viele andere Teenager auch.
"Ich möchte Modedesignerin werden. Ich liebe es, Kleider und andere Sachen zu zeichnen. Ich liebe zeichnen."
Seit mehreren Monaten nicht mehr in der Schule
Doch wann und ob Lena überhaupt die Möglichkeit haben wird, einen Schulabschluss zu machen, steht in den Sternen. Knapp vier Jahre durfte sie in Schweden zur Schule gehen, dann wurde der Asylantrag ihrer Familie dort abgelehnt. Seit mehreren Monaten sind alle in Deutschland und seitdem ist Lena nicht mehr in der Schule gewesen. Sie spricht Arabisch, Englisch und Schwedisch. Aber kein Deutsch, das ist ein Problem, sagt sie.
"Wenn du auf der Straße vielleicht Hilfe brauchst, sind die Leute sauer, wenn du mit ihnen Englisch redest. Aber wie soll ich die deutsche Sprache lernen, wenn ich nicht mal zur Schule gehe?"
Lena ist kein Einzelfall. Obwohl die Zahl der Geflüchteten sinkt, steige die Zahl der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen, die nicht zur Schule gehen. Dem Sächsischen Flüchtlingsrat zufolge betrifft das mittlerweile die Hälfte der rund 400 schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen, die in sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen leben. Und das verstoße gegen geltendes Recht, sagt Mark Gärtner vom Sächsischem Flüchtlingsrat.
"Jeder Mensch, jedes Kind, jeder Jugendliche hat ein Recht auf Bildung."
Recht auf Zugang zur Bildung
So steht es auch in Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention. Unterzeichnerstaaten wie Deutschland verpflichten sich, - so wörtlich - den "Besuch der Grundschule für alle unentgeltlich zur Pflicht zu machen und allen Kindern den Zugang zu weiterführenden Schule zu gewähren". Die EU-Aufnahmerichtlinien präzisiert in Artikel 14, dass der Zugang zu Bildung nach spätestens drei Monaten zu gewährleisten ist. Dagegen verstoße der Freistaat Sachsen, so Gärtner.
"Wir begleiten das Thema jetzt schon seit zwei Jahren. Es gibt dazu Positionspapiere, offene Briefe und rein quantitativ betrachtet, ist es immer noch eine geringe Zahl von Kindern. Es wäre ein Leichtes ihnen den Schulzugang zu ermöglichen und das diese Erkenntnis nach so langer, beharrlicher Zeit immer noch nicht gereift sein will, das heißt, sie müssen das wirklich wollen."
Nur wenige Stunden Ersatzunterricht
Anders als in vielen anderen Bundesländern sind Kinder in sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen per Gesetz von der Schulpflicht ausgenommen. Ein Recht auf Schule haben sie auch nicht. Das sei gut, weil man Schulen so "von der Bürde freihalte, alle Kinder der Aufnahmeeinrichtungen für jeweils kurze Zeit durchschleusen zu müssen", so das sächsische Innenministerium in einer schriftlichen Stellungnahme. Wenn Kinder deutlich über sechs Monaten in einer Aufnahmeeinrichtungen verbringen, dann werde der Zugang zu einer Regelschule geprüft. Für die große Mehrheit allerdings seien Lernangebote, die auf die Schule vorbereiten, sinnvoller. Lena aus der Erstaufnahmeeinrichtung in der Hamburger Straße in Dresden bekommt diese Art Ersatzunterricht.
"Das ist nur eine Stunde. Und man lernt nur Wörter wie ’Hallo‘, ‚Wie heißt du‘, ‚Ich heiße‘, aber nicht die anderen Wörter. Also nicht die ganze Sprache, man muss zur Schule gehen, um eine Sprache zu lernen."
Der Bundesverband Deutscher Kinderschutzbund hält die eingeschränkte Form der Beschulung weder für förderlich noch für rechtens. Kinder vom regulären Schulbesuch auszuschließen, bleibe ein nicht hinnehmbarer Verstoß gegen Kinderrechte. So sieht es auch Mark Gärtner vom sächsischen Flüchtlingsrat.
"Wir wollen diese Praxis gerichtlich überprüfen lassen und wollen da dann dagegen klagen."