Benedikt Schulz: Die Bildungssysteme stehen derzeit vor großen Herausforderungen – nicht nur, aber vor allem auch wegen der vielen Menschen, die derzeit nach Deutschland flüchten. Und da Schulbildung Ländersache ist, bestehen die größten Herausforderungen eben auch für die Bundesländer. Das meinen zumindest die Ressortchefs der norddeutschen Bundesländer, Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein. Die fordern in einer gemeinsamen Erklärung schlicht mehr Geld, denn für die neuen Aufgaben der Bildungsministerien müsse auch der Bund einen Beitrag leisten, einen finanziellen Beitrag. Am Telefon ist Claudia Bogedan, Bildungssenatorin von Bremen und außerdem amtierende Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Ich grüße Sie!
Claudia Bogedan: Schönen guten Tag!
Schulz: Hat die Bundesregierung nicht bereits einen ziemlich großen Beitrag geleistet, denn Sie können als Bundesland ja schließlich seit 2015 komplett auf die Mittel zurückgreifen, die Sie vorher ins Bafög stecken mussten.
Bogedan: Ich würde eher sagen, dass das angesichts der aktuellen Zunahme an Schülerinnen- und Schülerzahlen in unseren Systemen eher ein Tropfen auf den heißen Stein ist, denn wir haben es ja mit mehreren Hunderttausenden von Schülerinnen und Schülern bundesweit eben zu tun, und Kinder und Jugendliche, die eben ohne deutsche Sprachkenntnisse hier in die Systeme integriert werden müssen, für die wir sprachliche Erstintegration zur Verfügung stellen müssen, aber für die wir auch tatsächlich das Ankommen insgesamt in der Bundesrepublik organisieren müssen. Und das ist eine immense Herausforderung für die Länder und vor allem aber auch für die Kommunen.
Schulz: Versuchen wir es mal konkret: Wie viel Geld wollen Sie haben?
Das kann konkret bedeuten: Schulsozialarbeit oder Ganztag ausweiten
Bogedan: Es geht gar nicht erst mal um Beträge, sondern es geht um eine Verständigung darüber, wo der Bund uns auch unterstützen kann. Denn wie Sie ja eingangs sagten, Bildung ist Ländersache, und das soll es auch erst mal bleiben, aber natürlich, in dem ganzen Bereich der unterstützenden Maßnahmen, die wir an Schule eben auch zu leisten haben, um gerade den Kindern mit dieser speziellen Ankommenssituation auch gerecht werden zu können. Da kann der Bund uns beispielsweise unterstützen. Das kann konkret bedeuten, Schulsozialarbeit auszuweiten. Da sind ganz viele Unterstützungsmöglichkeiten dann auch für Schule gegeben, die helfen den Kindern eben auch, hier richtig anzukommen. Aber das Zweite ist neben der Schulsozialarbeit auch die Frage des Ausbaus von Ganztag, da weitere Unterstützung auch im investiven Bereich vom Bund zu bekommen, würde eben deutlich helfen, die Ankommensmöglichkeiten für die Kinder hier zu verbessern. Denn wir wissen, da, wo die Kinder und Jugendlichen gemeinsam längere Zeit am Tag auch miteinander verbringen und voneinander lernen können und miteinander Zeit verbringen in ihrer Peergroup, da gelingt natürlich auch das Deutschlernen am besten, denn am besten lernt sich das natürlich, wenn man irgendwie mit anderen Gleichaltrigen was zusammen macht.
Schulz: Aber dann verstehe ich Sie richtig, dass Sie das Kooperationsverbot auch für den schulischen Bereich nicht abschaffen wollen, so wie Ihre Partei das eigentlich auf Bundesebene vor Kurzem noch gefordert hat?
Bogedan: Ich glaube, es ist an der Stelle einfach nicht notwendig, sondern der Bund kann an vielen Stellen eben auch unterstützen und die Länder und Kommunen eben mit dieser schwierigen Aufgabe nicht allein lassen. Und gleichzeitig kann man an anderer Stelle über das Kooperationsverbot sicherlich sprechen, aber ich würde beide Themen im Moment nicht zusammenwerfen wollen, denn die Frage des Kooperationsverbots berührt ganz andere Fragen als die Frage, wie kriegen wir die schnelle Integration von Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund jetzt auch über unsere schulischen Systeme hin.
Schulz: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka kritisiert ja immer mal wieder sinngemäß, dass die Bundesländer immer Geld haben wollen, aber den Gestaltungsspielraum nicht abgeben wollen. Wie sehen Sie das?
Gelingende Integration für Kinder und Jugendliche, damit wir die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen
Bogedan: Ja, deshalb sage ich ja, das ist eine ganz andere Frage beim Kooperationsverbot. Da muss man dann eben auch darüber sprechen, was kann der Bund da eigentlich gestalten, also was macht da Sinn, welche Formen von Mitsprache wünscht sich der Bund bei welchen Entscheidungen, und was sozusagen ist dann aber auch das Geld, was er dann dafür eben mitbringt. Deshalb ist das, glaube ich, ein ganz anderes Thema als jetzt die Frage, wie kriegen wir jetzt schnellstmöglich eine gelingende Integration für die Kinder und Jugendlichen hin, damit wir vor allem auch die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen. Ich glaube, die schnelle Integration muss jetzt wirklich im Vordergrund stehen, und deshalb, glaube ich, brauchen wir keine langen Debatten über das Für und Wider von Kooperationsverboten. Die sollten wir an anderer Stelle sicherlich weiter führen, aber jetzt brauchen wir erst mal schnelle Signale vom Bund, dass sie auch die Länder und Kommunen nicht bei der Integrationsaufgabe hängen lassen. Das ist jetzt erst mal die vordringliche Aufgabe des Tages.
Schulz: In Norddeutschland kommen jetzt gar nicht mal die meisten Flüchtlinge an. Fordern Sie das Ganze für alle Bundesländer, also mehr Geld für alle Bundesländer?
Bogedan: Wir sind in der KMK tatsächlich ja auch in Gesprächen mit den Bundesbehörden und den Bundesministerien auch eingestiegen, um genau auch auszuloten, wie der Bund die Länder an der Stelle unterstützen kann, und das fängt dann eben von Fragen dann auch im Übergang von Schule und Beruf an, aber geht eben hin bis zur Schulsozialarbeit, wie ich eben schon dargelegt habe. Das soll natürlich nicht nur exklusiv für die norddeutschen Länder sein, um das noch mal präzise zu beantworten.
Schulz: Die Länder rufen ja immer schnell nach Bundesmitteln, wenn ich das mal so formulieren darf, wenn es knapp wird. Aber der Bund schwimmt ja auch nicht im Geld. Woher soll das Geld denn kommen?
Bogedan: Die Frage im Moment ist schon, ob die Kommunen, die ohnehin mit dem Rücken an vielen Stellen ja zur Wand stehen und an vielen Stellen die großen Herausforderungen der letzten Jahre allein zu schultern hatten, ob die jetzt auch mit dieser großen nationalen Aufgabe alleingelassen werden, oder ob wir nicht zu einem Modus kommen müssen zu sagen, dass die Kommunen und Länder jetzt nicht die Hauptlast einer Politik tragen, die sie selber nicht herbeigeführt haben, zu der sie aber auch nicht beitragen können, die sie nicht beeinflussen können, aber deren Lasten sie zu tragen haben. Und ich glaube, damit das, was wir als positive Willkommenskultur in den letzten Monate ja auch hier in Deutschland erlebt haben und was insbesondere hier in Bremen ja auch immer überall noch entgegenschlägt, das dürfen wir jetzt nicht verspielen, denn wenn wir wirklich wollen, dass wir ein starkes Deutschland weiter haben, was auch wirtschaftlich prosperierend ist, dann müssen wir eben genau jetzt investieren und in die Kinder und Jugendliche und deren Zukunft und deren Ausbildung eben investieren.
Schulz: Vier norddeutsche Bundesländer fordern mehr Mittel vom Bund, um unter anderem die Bildungsintegration von Flüchtlingen zu schaffen. Claudia Bogedan, amtierende KMK-Präsidentin und Bildungssenatorin von Bremen, ganz herzlichen Dank!
Bogedan: Ich danke Ihnen!
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