Aus Sicht der ehemaligen Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und Vorsitzenden des Expertenkreises der Deutschen Unesco-Kommission gibt es in Sachen Inklusion und deren Umsetzung in Deutschland noch viele offene Fragen. Fast in jedem Bundesland gebe es eine unterschiedliche Ausprägung von inklusiver Bildung, sagte Ute Erdsiek-Rave im Dlf.
Darum sei es wichtig, über Bundesländergrenzen hinweg einmal ein einheitliches Verständnis von Inklusion und deren Umsetzung zu definieren. Mit Inklusion ist aus Sicht der Deutschen UNESCO-Kommission nicht nur die Inklusion von Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen gemeint. Auch sozial benachteiligten Menschen sei der Zugang zu Bildungsmöglichkeiten oft verschlossen.
Es fehlt an Vernetzung
Dass inklusive Bildungskonzepte und deren Umsetzung sehr teuer seien, ließ Erdsiek-Rave nicht gelten. "Es ist eben nicht das Geld allein", sagte sie im Dlf. Allein durch Abschaffung des in Deutschland vorhandene Doppelsystems von Förder- und Regelschulen ließe sich jede Menge Geld einsparen. Dieses Geld könne neu verwendet werden - zum Beispiel für qualifiziertes Fachpersonal. Allerdings sei das Thema Abschaffung der Förderschule aktuell noch so ideologisch befrachtet, dass sie sich nicht vorstellen könne, dass sich in Deutschland in naher Zukunft etwas ändere, sagte die ehmalige Bildungsministerin von Schleswig-Holstein.
Es fehlt an Beratungsstellen
In der Inklusion fehle es aktuell vor allem an einem konsequenten Fallmanagement. Zwar sei die Zusammenarbeit zwischen Grund- und weiterführenden Schulen grundsätzlich gut entwickelt. Vor allem beim Übergang von Zuhause in die Kita und auch beim Übergang von der Schule in die Ausbildung sei aber noch viel zu tun, sagte Erdsiek-Rave im Dlf.
Aus Sicht der Deutschen UNESCO-Kommission fehle es in Deutschland vor allem an Möglichkeiten für Eltern und Lehrkräfte, aber auch für Unternehmen, sich beraten zu lassen, wenn sie sich für mehr Inklusion öffnen wollten. Regionale Förderzentren könnten dabei helfen, offene Fragen zu beantworten und bei der Umsetzung inklusiver Konzepte zu unterstützen.
Berufliche Orientierung oft mangelhaft
Auch nach dem Schulabschluss stünden viele junge Menschen mit Einschränkungen vor großen Problemen. Das gleiche an vielen Stellen einer Blackbox, sagte Ute Erdsiek-Rave im Dlf. Viele würden dann wieder in nicht-inklusive Ausbildungsformen landen, da es an Unterstützungs- und Beratungsmöglichkeiten bei der Berufswahl fehle.
"Wir fordern ein Recht auf Ausbildung mit der Priorität auf Regelausbildungsorte. Dafür muss es für die Betriebe vermutlich noch mehr Anreize geben", sagte Erdsiek-Rave.
Hier könnten ehemalige Förderschulen eine wichtige Rolle bei der Beratung spielen. "In den Förderschulen sitzt ja auch Kompetenz und die wollen wir erhalten."
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