"Ich habe etwas zu verkünden. Wir werden eine Menge Geld mehr in Schulen stecken. Das wird Ihnen gefallen."
Der britische Premierminister Johnson verspricht eine große Geldspritze für die Schulen. 14 Milliarden Pfund, verteilt auf die vier kommenden Jahre. Doch der Enthusiasmus von Lehrergewerkschaften und Schulleitern hält sich in Grenzen. Sie wollen erst abwarten, ob das Geld tatsächlich in den Schulen ankommt oder ein Wahlkampf-Versprechen bleibt. Auch die Wirtschaftsforscher des Institute of Fiscal Studies relativieren den Geldsegen: Es bringe den Bildungsetat de facto nur zurück auf den Stand von 2010, als nach der Finanzkrise die Sparpolitik begann. Sally Weale, Bildungsexpertin der Tageszeitung "Guardian", sieht das genauso:
"Sie haben versprochen, den Bildungsetat nicht zu kürzen. Aber seither wurde der Etat nie aufgestockt, und die Kosten sind massiv angestiegen."
Deshalb können viele Schulen frei werdende Lehrerstellen nicht wiederbesetzen:
"Das Gros ihres Budget geben die Schulen für Lehrer aus. Da geht man ran, wenn nichts anderes mehr geht."
Die ersten, die gehen müssen, sind die Teaching Assistants: Assistenzlehrer, die unter Tony Blair als zweite Lehrkraft pro Klassenraum in den 2000er Jahren eingeführt wurden. Jetzt können sich die Schulen viele von ihnen nicht mehr leisten. Manche Schulen sind inzwischen so dünn besetzt, dass sie Eltern dazu auffordern, ihre Kinder freitags früher abzuholen. Gewerkschafter schätzen, dass 200 bis 250 Schulen das so handhaben oder darüber nachdenken. Die Labour-Abgeordnete Jess Philipps hat ihren Sohn deshalb vor ein paar Monaten freitags demonstrativ vor der Tür der damaligen Premierministerin May in Downing Street Number 10 abgesetzt:
"In diesem Land erwarten wir immer noch, dass der Staat fünf Tage pro Woche für die Bildung unserer Kinder verantwortlich ist."
Andere Schulen sparen an Toilettenpapier und Arbeitsmaterial. Siobhan Lowe, Schulleiterin einer weiterführenden Mädchenschule in Surbiton im Süden von London, hat der BBC erzählt, dass sie bereits Teile des Schulhofes verkauft, Fächer gestrichen und einen ihrer beiden Stellvertreterposten nicht mehr besetzt hat. Außerdem musste sie zeitweise selbst die Toiletten putzen, weil sie das Personal nicht mehr bezahlen konnte. Einige ihrer Schülerinnen hätten so viel Mitleid mit ihr gehabt, dass sie sich den Staubsauger geschnappt und mitgeholfen hätten:
"Ich bin einfach nur wirklich sauer, ich bin absolut wütend darüber. Ich schäme mich auch, dass ich hier vor Ihnen stehe und Ihnen sagen muss, ich habe kein Geld. Ich bin traurig, dass ich nicht ausreichend für die Schülerinnen sorgen kann, die mir anvertraut sind."
Spenden von Eltern gegen die Verkümmerung der Schulen
An anderen Schulen fallen Schulausflüge aus, Orchester werden aufgelöst. Britische Medien berichten regelmäßig darüber, dass Schulleiter Eltern regelrecht anbetteln – und zwar inzwischen regelmäßig:
"Wir hören von Schulen, die buchstäblich Bettelbriefe an Eltern schicken und sie bitten, ihnen eine Einzugsermächtigung zu geben. Elisabeth hat mir geschrieben, sie hat einen Brief von der Schule ihrer Tochter erhalten, die darum bittet, dass die Eltern die Kürzungen bei den staatlichen Zuweisungen abpuffern. Wir würden Sie wirklich bitten, tief in Ihre Taschen zu greifen und für die Schule Ihrer Kinder zu spenden."
Sally Weale vom "Guardian" sagt, sie kenne Schulleiter, die bei Amazon Wunschlisten anlegen und hoffen, dass die Eltern das Schulmaterial besorgen:
"Das sind staatliche Schulen, und trotzdem hören wir immer öfter, dass sie nicht einmal um Spenden bitten, sondern regelmäßig. Unsere Schule braucht Geld, könnten Sie bitte einen Dauerauftrag einrichten? Es ist eine Spende, nicht verpflichtend, aber hätten Sie nicht zehn Pfund pro Monat, 30 Pfund vielleicht?"
Für Sally Weale und andere Beobachter der britischen Schullandschaft hat das verheerende Folgen. Die Schulen, die eigentlich versuchen sollten, die soziale Ungleichheit zumindest abzumildern, verschärften sie nun unfreiwillig. Denn in wohlhabenden Stadtvierteln können die Eltern die Budgets ihrer Schulen großzügig auffüllen; in den armen Vierteln, wo die Eltern ihre Schulen kaum finanziell unterstützen können, verkümmern die Schulen noch mehr.