Seit Jahren sind die Zahlen der Bafög-Empfänger rückläufig. Mit einer Reform der Förderung will Bundesbildungsministerin Anja Karliczek das nun ändern. Am Mittwoch soll der Gesetzentwurf der Christdemokratin vom Kabinett verabschiedet werden, bevor er im Parlament beraten wird. Ob die Zahl der Studierenden und Schüler dadurch wieder steigen wird? Bildungsexperten und Bundestags-Opposition bezweifeln das.
Mehr Bafög-Empfänger durch Reform? Bildungsexperten bezweifeln das
Ein Blick auf die Zahlen nährt diese Zweifel. In einer Antwort des Bildungsministeriums auf eine kleine Anfrage der Grünen wird der Abwärts-Trend beim Bafög noch einmal bestätigt. Demnach sei die Zahl der Geförderten binnen vier Jahren bis 2017 um knapp 180.000 gesunken, so dass es 2017 nur noch 782.000 Geförderte gab. Nicht ganz neu, doch Kai Gehring, der bildungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, bezweifelt den Anspruch der Regierung an die Gesetzesnovelle. Er hat verglichen, mit welchem stündlichen Mehraufwand die Regierung für das Ausfüllen der Bafög-Anträge bei der Bafög-Novelle 2016 gerechnet hatte – und mit welchem sie heute rechnet. Laut seiner Kalkulation erwarte die Regierung dieses Mal nur rund 35.000 zusätzlich Geförderte:
"Wenn man es so umrechnet, wird deutlich, dass der Anspruch der Regierung an die Novelle deutlich runtergedimmt ist. Und dass Frau Karliczek hier offensichtlich zu wenig Mittel hat, um dem Bafög einen ordentlichen Wumms nach vorne zu geben. Das Bafög war mal Chancengerechtigkeitsgesetz Nummer eins. Und es darf nicht sein, dass die Koalition es immer weiter herunterwirtschaftet."
Gesetzentwurf: Mehr Bafög, höhere Freibeträge und Wohnzuschläge
Der Entwurf von Bildungsministerin Karliczek sieht vor, dass bedürftige Schüler und Studierende ab Mitte 2019 mehr Bafög bekommen. Dafür will der Bund bis 2022 mehr als 1,8 Milliarden Euro ausgeben. Die wichtigsten Punkte: Der Höchstsatz der gesamten Förderung soll ab dem Wintersemester 2019 in zwei Stufen bis 2020 von 735 Euro auf insgesamt rund 850 Euro steigen. Damit mehr junge Menschen von der Förderung profitieren, sollen auch die Freibeträge für das Einkommen der Eltern in drei Schritten bis 2021 um insgesamt 16 Prozent angehoben werden. Und: Der Wohnzuschlag soll von 250 auf 325 Euro erhöht werden. Das reiche nicht aus, sagt Grünen-Bildungsexperte Kai Gehring:
"Wir brauchen auf jeden Fall deutlich höhere Sätze, weil wir auch gerade den Studierenden aus einkommensschwachen Elternhäusern den Weg auf den Campus ebnen wollen. Wir haben in allen Hochschulstädten eine Riesen-Problem mit dem studentischen Wohnen und den gestiegenen Lebenshaltungskosten. Und deswegen sind die angesetzten Sätze in zwei Stufen, die die Regierung vorschlägt, viel zu wenig."
Für Oppositionspolitiker geht die Reform nicht weit genug
Er fordert stattdessen eine sofortige Steigerung der Fördersätze und Freibeträge um zehn Prozent mit einer anschließenden Dynamisierung und ein Wohngeld, das entlang einer regionalen Staffelung gezahlt wird. Ein weiterer Vorschlag: Studierende, die Angehörige pflegen, sollen finanziell besser unterstützt werden.
Auch andere Oppositionsparteien halten die geplante Reform für nicht weitreichend genug. Die FDP plädiert für deutlich höhere Elternfreibeträge und auch die Linkspartei hatte stets davor gewarnt, dass die Förderung auch mit der Erhöhung des Höchstsatzes unterhalb der Armutsgrenze bleibe. Auch Bildungsökonomen glauben nicht daran, dass die Bafög-Novelle ihre Wirkung entfaltet. Verschiedene Studien bezweifeln, ob die Erhöhung des Wohngelds ausreichen wird.