Kate Maleike: Welche Hürden und welche Unterstützung erleben Flüchtlingskinder und -jugendliche auf ihrem Weg ins deutsche Bildungssystem und wie gelingt die Arbeit von freiwilligen Helfern dabei? Das wollte die Vodafone-Stiftung Deutschland herausfinden und hat dazu gemeinnützige Bildungsorganisationen befragt, die sich bundesweit in Schulen, Kitas und Hochschulen engagieren. Sebastian Gallander hat die Umfrage geleitet und ich habe ihn danach gefragt, welche Erfahrungen denn die ehrenamtlichen Helfer in der Bildungsarbeit mit jugendlichen Flüchtlingen so machen.
"Die Organisationen haben sehr gute Erfahrungen gemacht mit freiwilligen Helfern"
Sebastian Gallander: Also, die Organisationen, die wir befragt haben, haben eigentlich sehr gute Erfahrungen gemacht mit freiwilligen Helfern an der Schnittstelle zum Bildungssystem, und das ermuntert uns eigentlich auch, dass wir jetzt angesichts der vielen Zahlen von Menschen, die sich ja freiwillig gemeldet haben bisher schon, um Flüchtlingen zu helfen, dass uns das auch gelingt, dieses Engagement jetzt auch ins Bildungssystem zu kanalisieren. Weil, bisher war das Engagement ja vor allem so bei der kurzfristigen Erstversorgung, Kleiderkammer im Flüchtlingsheim oder beim Ankommen am Bahnhof. Und das sind natürlich Aufgaben, die sehr wichtig sind, aber jetzt in der zweiten Phase geht es ja darum, wie können wir auch den Kindern und Jugendlichen helfen, die jetzt eben in unseren Kitas, Schulen und Hochschulen ankommen. Und das klappt ganz gut mit der Hilfe von freiwilligen Helfern, und worauf man dabei achten muss, das haben wir eben von den Organisationen erfahren.
Maleike: Dann kommen wir da mal zu. Sie haben gesagt, die Flüchtlingskrise verdeutlicht Schwachstellen im Bildungssystem. Welche sind das?
Gallander: Also, wir haben ja in Deutschland das Problem, dass der Bildungserfolg sehr stark von der Herkunft, also vom Elternhaus abhängt. Das ist zwar überall so, in allen Ländern, aber in Deutschland ist das besonders stark ausgeprägt. Und jetzt ist es natürlich so, dass die Zahl der Kinder, die, sage ich mal, aus benachteiligten Verhältnissen kommen, eben weil ihre Eltern hier ja nicht das Bildungssystem durchlaufen haben und ihnen nicht helfen können, der steigt jetzt. Das heißt also, dieses strukturelle Problem, was wir haben im Bildungssystem in Deutschland, wird noch verschärft. Und deshalb ist es jetzt die Frage, wie können wir eben denjenigen, die schlechtere Startchancen haben als andere, noch ein bisschen besser helfen? Und da brauchen wir natürlich mehr Lehrer und Erzieher, weil, das sind ja die eigentlichen Profis im Bildungssystem und die dürfen jetzt mit dieser Aufgabe nicht alleingelassen werden, sondern müssen unterstützt werden, weil ihre Aufgaben eben viel schwieriger werden. Und deshalb ist eben wichtig, auch noch mit zusätzlichen Helfern von außen sie zu unterstützen. Also durch freiwillige, ehrenamtliche Helfer.
"Die Freiwilligen brauchen auch eine gewisse Aus- und Fortbildung"
Maleike: Das heißt, wir brauchen mehr Lehrer, wir brauchen mehr Geld. Wenn es jetzt darum geht, die Hilfe der ehrenamtlichen Helfer von außen zu verbessern, was würden Sie sich da wünschen, was fordern Sie da?
Gallander: Also, es hat sich gezeigt, dass es sehr hilfreich ist, dass die Freiwilligen einen Koordinator haben, der sie in der Kommune vermittelt an die Bildungseinrichtung, sodass sie sich das nicht selber suchen müssen. Sondern es gibt einen Ansprechpartner, eine zentrale Stelle, an die sie sich wenden können. Das macht es auch für die Bildungseinrichtungen einfacher, dass sie sich nicht alle selber um die Freiwilligen kümmern müssen, sondern dass sie einen Ansprechpartner vor Ort haben, bei dem sie ihren Bedarf anmelden können. Zweitens ist es für die Freiwilligen sehr wichtig, dass sie in den Bildungseinrichtungen gut mit den Hauptamtlichen, also mit den Lehrern und Erziehern zusammenarbeiten, das ist natürlich eher eine Haltungsfrage, die auf beiden Seiten Offenheit und Aufeinander-Zugehen verlangt. Drittens brauchen die Freiwilligen auch eine gewisse Aus- und Fortbildung, das heißt, sie sollten auf ihren Einsatz gut vorbereitet werden, einen kontinuierlichen Betreuer haben und für bestimmte spezielle Fragen auch mal einen Kurs und eine Fortbildung bekommen. Und schließlich brauchen sie natürlich auch, wie wir alle, ob in unseren hauptberuflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten, Dank und Anerkennung, sei es eben durch ein kleines wertschätzendes Dankeschön im Alltag oder eben durch eine große Veranstaltung einmal im Jahr, wo der Bürgermeister kommt und alle Kinder und Jugendlichen, die betreut sind, und man offiziell auch mal ein Danke gesagt bekommt.
Maleike: Haben Sie denn bei Ihrer Befragung eigentlich feststellen können, ob genug Helfer schon da sind, oder mangelt es einfach auch noch an helfenden Händen, also muss noch mehr angepackt werden als Gesellschaft?
Gallander: Also, die Organisationen, mit denen wir gesprochen haben, die kommen so weit gut zurecht mit der Zahl der Freiwilligen. Aber grundsätzlich durch die hohe Zahl von Flüchtlingen, die ja jetzt kommt und die wir jetzt im Rückblick ja noch gar nicht sehen konnten, da wird sicherlich der Bedarf an Freiwilligen noch weiter steigen. Denn wir sehen ja, dass ein großer Teil der Flüchtlinge Kinder und Jugendliche sind, das heißt, die jetzt also in unsere Bildungseinrichtungen strömen. Sie sind jetzt in den Willkommensklassen, aber irgendwann werden sie sozusagen auch in den Regelbetrieb überführt werden und da brauchen wir natürlich viele Freiwillige. Wir haben ja jetzt schon viele Freiwillige in vielen anderen Bereichen der Flüchtlingshilfe, aber das jetzt auch noch ins Bildungssystem zu überführen, das wird eine große Aufgabe sein. Und das ist eben nicht ganz trivial, da gibt es ein paar Dinge, auf die man eben achten sollte. Und das haben wir versucht, mit der Umfrage ein bisschen zu zeigen, um aus der Erfahrung von Organisationen zu lernen, die so etwas Ähnliches eben schon seit einigen Jahren sehr erfolgreich tun.
Maleike: Sebastian Gallander war das von der Vodafone-Stiftung. Die Stiftung hat ehrenamtliche Helfer befragt, was Flüchtlingskinder und -jugendliche an Bildungsförderung brauchen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.