Weißes Hemd, schwarze Hose: Carner Barbacan, ein junger Mann mit türkischem Migrationshintergrund, erweckt den Eindruck eines dynamischen Managers. Das allerdings ist alleine schon ein kleines Wunder. Denn nachdem er seine erste Lehre abgebrochen hatte, begann er erst vor ein paar Monaten seine kaufmännische Berufsausbildung bei einer Drogeriemarkt-Kette in Friedrichshafen.
"Alleine hätte ich es nicht geschafft. Denn ich bin ehrlich gesagt viel zu faul gewesen, um irgendwie selber Bewerbungen zu schreiben, hab' auch hier selber viel Hilfe gebraucht."
Hilfe, die einen Namen hat: "Assistierte Ausbildung". So nennen die Mitarbeiter des oberschwäbischen Integrationsdienstes "Arkade-Pauline 13" jenes Modellprojekt, von dem es deutschlandweit derzeit eine ganze Reihe gibt, mit stets demselben Ziel: Jungen Mitmenschen helfen, die Schwierigkeiten haben, eine berufliche Ausbildung ordnungsgemäß zu absolvieren – oder überhaupt erst eine Ausbildungsstelle zu finden. In diesem Jahr wird "assistierte Ausbildung" bundesweit zur Regel: 10.000 "assistierte Ausbildungsplätze" sollen geschaffen werden, beschloss der 7. "Nationale Integrationsgipfel" unter Beteiligung der Bundesregierung erst kürzlich, am Ende des vergangenen Jahres. Dabei beginnt die "Assistenz" bereits vor dem Antritt der eigentlichen Ausbildung, weiß Carner Barbacan:
"Also bei der ersten Phase geht es nur darum, dass ich eine Ausbildungsphase finde. Und ja, da haben wir jeden Tag Bewerbungen geschrieben, eine Arbeitsstelle gesucht, verschiedene Tests gemacht, damit wir sehen, was sich für mich eignet."
Fachliche Anleitung
Mehrfach in der Woche kam Carner Barbacan in die Räume des Integrationsfachdienstes nach Ravensburg, lernte, wie man sich auf Stellen bewirbt, bereitete sich unter fachlicher Anleitung auf Vorstellungsgespräche vor. Das allerdings war nur der Anfang.
"Und in der zweiten Phase geht es dann hauptsächlich darum, alles Mögliche an Unterstützung aufzubieten, damit ein Auszubildender seine Ausbildung auch tatsächlich durchhalten kann."
Erklärt Sozialpädagogin Renate Keller, die in diesem Fall für gut ein Dutzend Jugendlicher und junger Erwachsener als "Ausbildungs-Assistentin" arbeitet. Diese ‚zweite Phase' verlangt ihr und ihren Kolleginnen einiges ab: Sie übernehmen eine Art ‚Patenschaft' für die Teilnehmer, halten Kontakte mit den Arbeitgebern und müssen stets ein offenes Ohr für alle möglichen Sorgen und Nöte haben, die eventuell die Berufsausbildung gefährden könnten...
"...sei es, wenn, wenn man Schulden hat, wenn es in der Berufsschule nicht klappt oder zum Beispiel wenn man in seinen Ausbildungsbetrieb nicht klarkommt. Die häufigsten Dinge sind Schwierigkeiten im Betrieb. Das kommt oft vor."
Assistierte Ausbildung als Erfolgsstorry
In solchen Fällen führt Renate Keller intensive Gespräche mit den Ausbildern, aber auch mit den Auszubildenden selbst. Hinzu kommt noch ein weiterer Baustein, der nach Ansicht von Projektkoordinatorin Dorte Christensen für die assistierte Ausbildung wichtig ist:
"In der Regel treffen wir uns einmal in der Woche mit den Auszubildenden. Wir reflektieren die Woche. Was war gut? Was lief nicht so gut? Und woran lag's? Was könnte man verbessern? Und da ist unter den Jugendlichen der Austausch viel wertvoller, wie wenn wir sagen, was sie verbessern können."
Aufmerksam beobachtet werden solche Projekte von der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee. Für den stellvertretenden IHK-Ausbildungsbeauftragten Elmar Häusler ist die "assistierte Ausbildung" bereits jetzt eine Erfolgsstory.
"Zehn Prozent werden nach meiner derzeitigen Schätzung durchs Raster fallen. Aber 90 Prozent, wenn wir die abholen wo sie sind, sie begleiten und integrieren, dann funktioniert's."
Und das nährt Hoffnungen bei der Wirtschaft. Denn der Fachkräftemangel wird immer drängender, vor allem im nicht-akademischen Bereich. In der assistierten Ausbildung sieht Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, ein wichtiges Instrument, um gegenzusteuern:
"Man könnte tatsächlich sagen: Das ist eine "win-win-Lage", weil tatsächlich zum einen dem Jugendlichen, der vielleicht lernbehindert oder sozial benachteiligt ist, eine Chance eröffnet wird und auf der anderen Seite, wenn das Programm erfolgreich verläuft, eine Fachkraft kommt, auf die wir dringend warten, also insofern zwei Mal positiv."
Deshalb wollen Wirtschaftsverbände wie die IHK's das Projekt "Assistierte Ausbildung" zukünftig verstärkt unterstützen und bei Ausbildungsbetrieben dafür werben, Jugendliche einzustellen, denen "assistiert" wird.
"Von der Politik erwarten wir, dass sie uns dabei unterstützen und das sie die Ressourcen zur Verfügung stellen, um solche Programme auch finanziell stemmen zu können, weil: Das ist eine Einzelfallgeschichte. Da müssen Sie sich um jeden Fall individuell kümmern: Wo sind die Schwächen? Wo sind die Chancen? Und wie bekommt man den Deckel auf den Topf, dass er jeweils passt?"
Immerhin hat erst gegen Ende des vergangenen Jahres der 7. "Nationale Integrationsgipfel" unter Beteiligung der Bundesregierung beschlossen, für 10.000 Ausbildungsplätze die entsprechende Betreuung bereitzustellen. Damit wird 2015 zum Jahr der "assistierten Ausbildung" weit über die gestarteten Modellprojekte hinaus.