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Bildungsplan Baden-Württemberg
Neuer Streit um sexuelle Perspektiven in der Schule

Tausende Baden-Württemberger protestierten gegen die Regierungspläne, sexuelle Vielfalt und diesbezügliche Toleranz in der Schule zu thematisieren. Nun rudert der Bildungsminister zurück – und die Lehrer gehen auf die Barrikaden.

Von Michael Brandt |
    Zwei Befürworter der Aufwertung des Themas Homosexualität im Schulunterricht in Baden-Württemberg gehen am 01.02.2014 bei einer Demonstration in Stuttgart (Baden-Württemberg) über den Schlossplatz, in der Hand eine Regenbogenfahne.
    Befürworter des Themas Homosexualität im Unterricht demonstrierten im Februar 2014 auf dem Stuttgarter Schlossplatz. (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Vor einem Jahr hat Kultusminister Andreas Stoch angekündigt, dass es im künftigen Bildungsplan doch kein Querschnittsthema "sexuelle Vielfalt" geben wird, sondern stattdessen eine ganze Reihe von Leitperspektiven, und eine von ihnen heißt "Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt". Zurückgerudert ist er, sagen die einen, - er hat ein Arbeitspapier, das nicht zur Veröffentlichung bestimmt war, weiterentwickelt, sagt er selbst:
    "Wir wollen hier in keiner Weise eine Sexualisierung oder Frühsexualisierung von Kindern erreichen. Es hat nichts mit Sexualkundeunterricht zu tun, sondern es geht hier darum, zu lernen, wie Menschen wertschätzend miteinander umgehen. das ist was völlig anderes, als das, was viele die Menschen glauben machen wollen."
    Aber was die einen massenhaft auf die Straße gebracht hat, hat die anderen gefreut und ermutigt. Die Lehrergewerkschaft GEW zum Beispiel findet es wichtig, dass es bei der Bildung auch um Vielfalt am Beispiel der sexuellen Identität geht, so GEW Landesvorsitzende Doro Moritz:
    "Wir sind jetzt in der Phase, wo die Bildungspläne erstellt werden. Es gibt die Leitperspektive Toleranz und Vielfalt und da wollen wir jetzt noch mal einen Impuls setzen, dass dies verstärkt wird."
    "Anders sein ohne Angst" heißt die Tagung, die die Gewerkschaft deswegen organisiert hat - und hier wurden Kultusminister und Opposition nun mit Forderungen von Betroffenen konfrontiert, wie sie sich Toleranz und Akzeptanz von sexueller Vielfalt in der Schule vorstellen
    "Es reicht nicht, wenn LSBTTQ-Menschen zufällig sichtbar sind, oder wenn einzelne sichtbar sind."
    So Margreth Göth vom Netzwerk lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, transsexuell, intersexuell und queer, kurz LSBTTIQ, und ihr Kollege Holger Henzler-Hübner fügt hinzu:
    "LSBTTIQ-Menschen werden im Rahmen der Inklusions- und Präventionsarbeit in der Schule offen benannt. Der Umgang miteinander hat einen Platz im Schulleitbild."
    Mit anderen Worten: Die öffentliche Debatte hat die einen auf die Straße getrieben und bei den anderen Erwartungen an den Kultusminister geweckt.
    Kultusminister in der Zwickmühle
    "Herr Stoch, ich hab Angst, da war jetzt so viel Wirbel und nachher kommt nichts dabei raus!"
    Der Kultusminister also in der Zwickmühle. Wenn er der GEW und dem Netzwerk LSBTTIQ zu viel verspricht, gehen die Gegner der vorgeblichen Sexualisierung des Unterrichts ein paar Monate vor der Landtagswahl wieder massenhaft auf die Straße. Wenn er klar macht, dass er das Thema vor der Wahl am liebsten auf ganz kleiner Flamme halten würde, ärgert er das Publikum bei der GEW Tagung.
    "In der Debatte verteidigen sie sich gegen etwas, was sie nicht vorhaben. Gleichzeitig entsteht eine Debatte und ich weiß aus vielen Teilen unserer Gesellschaft, dass Erwartungen entstehen. Ich weiß auch, dass ich vielen dieser Erwartungen mit dem neuen Bildungsplan nicht gerecht werden kann."
    Aber immerhin ist der Minister in diesem Fall nicht der Hauptgegner. Auf dem Podium bei der GEW sitzt auch die CDU und deren Position bei dem Thema ist ebenfalls eine Gradwanderung. Bildungspolitiker Georg Wacker erklärt einerseits.
    "Wir sehen es als notwendig an, das Thema Verankerung von Toleranz im Unterricht gegenüber allen Minderheiten ein wichtiges Bildungs- und Erziehungsziel ist."
    Dazu gehöre auch die Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten.
    Andererseits:
    "Was wir aber befürchten, ist, dass eine Überbetonung dieses Themenfeldes zu sehr ein einseitiges Licht, ein einseitiger Fokus auch auf diese Gruppe liegt."
    Was für das Publikum natürlich eine Vorlage ist:
    "Warum sprechen Sie von Minderheiten? Können Sie vielleicht versuchen, dieses Konzept Mehrheiten Minderheiten mal beiseitelegen, denn da haben sie den Kern der Ausgrenzung."
    Auch wenn dem Streit um sexuelle Vielfalt im Bildungsplan mit der Einführung der Leitperspektiven die Spitze genommen ist, bleibt das Thema also auf der Tagesordnung.