Susanne Fuchs-Mwakideu ist noch immer fassungslos. Als sie im vergangenen Jahr ihre Tochter in der Grundschule anmelden wollte, erhielt sie eine Absage.
"Also, ich hab das erstmal für ein Missverständnis gehalten. Ich dachte so: Wieso? Das ist bei uns die Stadtteilschule, die ist ein paar Meter entfernt."
Doch die Schulleitung teilte der Familie mit: Nicht die Nähe zur Schule sei entscheidend, sondern die Konfessionszugehörigkeit. Das Problem: Die Tochter von Susanne Fuchs-Mwakideu ist protestantisch getauft, die Grundschule aber eine in katholischer Trägerschaft, eine sogenannte Bekenntnisschule. Die Folge:
"Wir haben dann eine andere Schule auch bei uns verhältnismäßig in der Nähe gefunden. Der Schulweg ist zwar zwei- bis dreimal so lang, aber es ist immer noch machbar."
Doch erledigt hat sich das Thema für die Mutter damit noch lange nicht:
"Weil ich finde, dass es ein Anachronismus ist in unserer Zeit, dass Schulen - Grundschulen, die zu 100 Prozent aus öffentlichen Geldern finanziert werden - nicht allen Kindern offen stehen, sondern dass Konfessionszugehörigkeit darüber entscheidet, welches Kind an die Schule darf und welches nicht."
Bevorzugung einer Konfession stößt zunhemend auf
Rund jede dritte Grundschule in Nordrhein-Westfalen ist bekenntnisgebunden, die meisten an das katholische. Es sind keine kirchlichen Privatschulen, sondern staatliche Bekenntnisschulen. Die Idee dazu stammt aus einer Zeit, als die Regionen konfessionell homogen waren. Ist eine Grundschule zum Beispiel katholisch, bedeutet dies nicht, dass sie ausschließlich von katholisch getauften Schülerinnen und Schülern besucht werden kann.
Auch Nicht-Christen und Konfessionslose sind an den Bekenntnisschulen anzutreffen. Das Schulministerium verfügt, dass die Aufnahme von Kindern anderer Konfessionen vorgesehen ist, "wenn eine öffentliche, ihrem Bekenntnis entsprechende Schule nicht besteht oder nur bei Inkaufnahme eines unzumutbaren Schulweges erreichbar ist".
Doch zunehmend stößt Eltern die Bevorzugung einer Konfession auf, es bilden sich Elterninitiativen, die die konfessionelle Schule ihrer Kinder in eine Gemeinschaftsgrundschule umwandeln wollen. Bislang fanden sie dafür allerdings meist keine Mehrheit.
Schulzeit im "Erfahrungsraum des Glaubens"?
So wie im Bonner Stadtteil Buschdorf, wo sich die Eltern gerade zum dritten Mal gegen eine Umwandlung ausgesprochen haben. Marcus Goller hatte sich mit der Initiative "Pro Katholische Grundschule" dagegen gestemmt. Denn, so begründet er sein Engagement, Kinder sollten eine Schulzeit im "Erfahrungsraum des Glaubens" haben dürfen.
"Wenn es keine Bekenntnisschule ist, dann kann das natürlich auch der Fall sein, kann aber auch nicht mehr der Fall sein. Das würde dann ja abhängen von Mehrheiten an der Schule. Oder wenn dann Eltern sagen, das möchten wir nicht mehr, dass in der Adventsstunde Adventslieder gesungen werden, sondern nur noch die "Weihnachtsbäckerei" zum Beispiel."
Auch die Kirchen verteidigen die Regelung. Sie könne zwar verstehen, wenn Eltern abgelehnter Kinder enttäuscht seien, sagt Andrea Gersch vom Schulreferat des Erzbistums Köln. Aber wichtiger sei, dass Kinder die Möglichkeit erhielten, die "Grundwerte des Glaubens kennenzulernen" und "einzuüben".
"Und zwar nicht nur in den zwei Wochenstunden Religion, sondern eben im gesamten Schulleben."
Wem das missfalle, unterstreicht Gersch, dem sei es grundsätzlich ja auch möglich, über die Schulart mitzuentscheiden.
"Ich möchte gerne, dass dieses System sich ändert"
"Das ist etwas sehr Wichtiges, das ist eine große Errungenschaft. Der Staat hat das zugebilligt, und ich kann nur sagen: Wir von der Kirche finden das sehr, sehr wichtig, dass die Eltern dieses Recht haben und es wahrnehmen."
Denn: Die Umwandlung einer Grundschule ist möglich. Lange benötigte es dazu noch einer Eltern-Mehrheit von zwei Dritteln. Seit einer Gesetzesnovelle der rot-grünen Landesregierung vor zwei Jahren sind nur noch 50 Prozent plus einer Stimme erforderlich.
Diese Erleichterung sei positiv, könne aber nur ein Anfang sein, sagt Max Ehlers, eine Art Aktivist in der Sache.
"Für mich ist es ein Stückchen Lebenssabschnittsaufgabe. Ich möchte gerne, dass dieses System sich ändert."
"Kurze Beine - kurze Wege": es gibt Hoffnungsschimmer
Ehlers gründete 2009 die Initiative "Kurze Beine - kurze Wege". Wenig vorher waren die Bezirksgrenzen abgeschafft worden. Eltern können seitdem Schulen jenseits des eigenen Einzugsgebiets für ihre Kinder auswählen - und Schulen Kinder aus der Umgebung ablehnen. Das zu erleben, sei für ihn ein Schock gewesenen, sagt der gebürtige Bayer und engagierte Christ.
"Nach meinem Verständnis des Evangeliums wird da erstmal keine Unterscheidung getroffen im Glauben. Ich bin auch Staatsbürger. Jesus hat gesagt: Lasst die Kindlein zu mir kommen. Er hat nicht gesagt: Ich möchte bloß die, die richtig glauben, zu mir holen."
Anlässlich der Landtagswahl hat Ehlers mit seiner Initiative die im Parlament vertretenen Parteien befragt. Das Ergebnis: Für eine Streichung der Bekenntnisschule aus der Verfassung findet sich keine Mehrheit, nur Grüne und Linkspartei sprechen sich dafür aus. Die SPD, aktuell noch stärkste Kraft im Düsseldorfer Landtag, räumt in ihrer Antwort zwar ein, es sei "kritisch zu bewerten, wenn überwiegend Kinder des entsprechenden Bekenntnisses aufgenommen werden". Doch sei die Struktur der Bekenntnisschulen "historisch gewachsen" und könne "aufgrund des Verfassungsranges nur in einem großen politischen Konsens geändert werden". Ehlers mag dennoch nicht aufgeben.
"Das wechselt von Tag zu Tag, was meine Stimmung angeht. Grundsätzlich denke ich, dass muss doch jedem klar sein, dass das so nicht sein kann. Und es gibt auch immer wieder Hoffnungsschimmer."
So hätten sich bei einer Wahlveranstaltung in der Kirchengemeinde des evangelischen Presbyters jüngst alle Landtagskandidaten gegen die Bekenntnisschule ausgesprochen. Sogar die von CDU und FDP hätten von einer überholten Regelung gesprochen.