So richtig freuen will sich der Präsident der Hamburger Universität Dieter Lenzen nicht, trotz der sechs Milliarden Euro, die nach dem Willen der Bundesregierung in die Bildung gesteckt werden, trotz der Übernahme der Ausbildungsförderung für Studierende durch den Bund, die bisher aus Landesmitteln bezahlt werden:
"Wenn es so ist, dass der Bund mittelfristig die Finanzierung des Bafögs übernimmt und die Weiterfinanzierung all der Initiativen, die in den letzten Jahren in Gang gebracht worden sind, von der Exzellenzinitiative über den Hochschulpakt, bleibt kaum Geld von der Bundesebene für neue Initiativen."
Und diese Initiativen zur Weiterentwicklung des Hochschulstandorts Deutschland würde die geplante Reform des Artikels 91b Grundgesetz erst möglich machen. Dieser Artikel beschränkt die Gestaltungsmöglichkeiten des Bundes in der Hochschulpolitik, die in Deutschland immer noch Ländersache ist. Nun ist zwar angedacht, den Artikel 91b zu ändern, um dem Bund mehr Gestaltungskraft auf diesem Gebiet zu verschaffen. Aber Uni-Präsident Lenzen fürchtet, dass die Mittel, die durch die vollständige Übernahme der BAföG-Zahlungen durch den Bund freiwerden - die Rede ist von 1,17 Milliarden Euro - von den Ländern eben nicht allein für ihre Hochschulen ausgegeben werden:
"Denn angesichts auch natürlich maroder Schulen und schwieriger Verhältnisse in den deutschen Schulen müssen sich Politiker an der Mehrheit orientieren. Und das sind natürlich die Eltern und Großeltern und natürlich auch die jungen Leute in den Schulen und nicht in den Hochschulen".
Vor allem in Bundesländern, die beim Ausbau ihrer Kita-Versorgung noch Nachholbedarf haben, dürfte das der Fall sein. In Hamburg wird der Haushalt durch den Wegfall aller Bafög-Zahlungen ab 2015 um rund 33 Millionen Euro entlastet, heißt es aus der Senatskanzlei. Und es entfallen auch zukünftige Ausgaben, verursacht durch den Anstieg der Studierendenzahlen und durch die zum Wintersemester 2016 / 2017 geplante Bafög-Erhöhung. Nicht nur die Hochschulen fordern ein möglichst großes Stück vom 6-Milliarden-Euro-Kuchen. Der Verband Bildung und Erziehung fordert, mit den zusätzlichen Mitteln vor allem die flächendeckende Inklusion an deutschen Schule voranzutreiben. Die Aufhebung des Kooperationsverbots durch den Artikel 91b Grundgesetz sei ein wichtiger Schritt. So könne sich der Bund viel effektiver um die Inklusion kümmern. Das forderte auch die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Sylvia Löhrmann in einem Interview:
"Wir wollten ein Ganztagsprogramm haben. Wir wollten die Unterstützung des Bundes bei der Inklusion, indem der Bund die Sozialhelfer unterstützt, die man braucht. Wir kämpfen darum, dass der Bund die Sozialarbeit weiter finanziert. All das ist offengeblieben jetzt."
Und bei aller Freude über die Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bund, müsse man die frei werdenden Mittel doch in Bezug setzen zu den Gesamtausgaben im Bildungsbereich, so Löhrmann. Natürlich spart auch Nordrhein-Westfalen durch die Neureglung viel Geld:
"Das sind, wenn die Kalkulationen stimmen – und da habe ich keinen Zweifel dran – sind das 280 Millionen Euro im nächsten Jahr. Nehmen sie dagegen allein meinen Schulhaushalt: Das sind 15 Milliarden. Dann sehen sie schon, dass das eine vergleichsweise kleine Summe ist."
Auch Hamburgs Uni-Präsident Dieter Lenzen beeindruckt die gewaltige Summe von sechs zusätzlichen Bildungs-Milliarden Euro nicht:
"Wenn man allein bedenkt, dass ein Bundesland wie Bayern 18 Milliarden Euro allein für die Hochschulen ausgibt, dann sieht man sehr schnell, wie wenig man damit machen kann."
Schon am Freitag forderten auch die Familienminister der Länder, mindestens zwei der versprochenen sechs Milliarden für den Ausbau von Kita-Plätzen zu verwenden. Denn ab 1. August gilt der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab einem Jahr. Der "Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften" kritisiert, dass die lange angekündigte Bafög-Reform wieder einmal verschoben wurde. Die Höhe der Ausbildungsförderung müsse endlich automatisch an die Steigerung der Lebenshaltungskosten gekoppelt werden. Und auch das Deutsche Studentenwerk meldete Bedarf an: Ein Teil des Geldes müsse für den Neubau von Studentenwohnheimen und Mensen, für zusätzliche Beratungsstellen und die Kinderbetreuung für Studenten ausgegeben werden.