Michael Böddeker: Geld vom Bund, um damit in finanzschwachen Kommunen marode Schulgebäude zu sanieren. Das klingt vielleicht zunächst gut, aber es könnte wegen möglicher Folgekosten auch ein vergiftetes Geschenk sein. So zitiert eine Zeitung den deutschen Landkreistag. Und gerade eben haben wir auch noch einige weitere Punkte vom Präsidenten des Landkreistags gehört.
Beim Deutschen Städte- und Gemeindebund wiederum sieht man es anders. Ich habe mit dem Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds gesprochen, Gerd Landsberg, und ihn zunächst gefragt, wofür brauchen denn die Schulen Geld vom Bund?
Gerd Landsberg: Die Kommunen, die sind ja für die Ausstattung der Schulen zuständig, haben insgesamt ein Investitionsrückstand von 136 Milliarden. Und dabei entfallen 33,7 Milliarden auf Schulen und Erwachsenenbildung. Das ist ein ganz großer Teil, und viele Kommunen schaffen aus eigener Kraft es nicht, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen umzusetzen.
"Es ist richtig, dass der Bund sich hier dauerhaft engagiert"
Böddeker: Jetzt sagt der Deutsche Landkreistag, das sei ein vergiftetes Geschenk, diese 3,5 Milliarden Euro, die in Aussicht stehen, denn die Kommunen werden ja Folgekosten haben, denn die finanzierten Projekte, die müssen ja nach dieser Finanzspritze weiterhin am Laufen gehalten werden. Ist das eine berechtigte Befürchtung aus Ihrer Sicht?
Landsberg: Ich halte sie nicht für berechtigt. Also wir vertreten über 10.000 Kommunen in Deutschland. Wenn Sie einen Bürgermeister fragen, ob er das Geld für die Schulsanierung oder nicht haben möchte, weil es vom Bund kommt, da wird die Antwort ganz eindeutig sein. Also entscheidend ist ja: Unser Grundgesetz fordert gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Deutschland, und das heißt natürlich auch gleiche Chancen auf eine gut ausgestattete Schule. Und die Ausstattung entscheidet natürlich in gewisser Weise auch über den Bildungserfolg. Und viele Kommunen in bestimmten Ländern sind dazu eben nicht in der Lage, und da gibt es auch kaum eine andere Lösung.
Ich will das mal an einem Beispiel festmachen: Wie hoch verschuldet sind Kommunen zum Beispiel mit Kassenkrediten. Dann nehmen wir mal das Saarland: pro Einwohner 2.026 Euro; zum Vergleich Bayern: 21 Euro. Dann ist klar, dass die Bayern in Schulen viel mehr Spielraum für Investitionen haben und die Saarländer eben nicht. Das gilt auch für Rheinland-Pfalz, und das gilt auch für Nordrhein-Westfalen. Das heißt, diese Schere zwischen armem Land und armen Kommunen und reichen Ländern und besserstehenden Kommunen, die ist so groß, dass das eben mit den bisherigen Prinzipien – die mahnt der Landkreistag ja an, das kann ich auch irgendwie verstehen – nicht zu bewältigen sind. Sie kriegen den Finanzausgleich nicht mehr so hin, weil das so auseinandergegangen ist.
Und deswegen ist es richtig, dass der Bund sich hier dauerhaft engagiert. Und wenn man mal das Verhältnis nimmt, Bedarf 33,7 Milliarden, 3,5 Milliarden pro Jahr, da wissen Sie, wie lange das dauern wird. Es geht hier nicht um neue Gebäude und irgendwelche Schwimmbäder. Es geht um Sanierung von Schulen insbesondere. Vielleicht einen Blick auf die Eltern und auf die Schüler: Glauben Sie, dass es irgendeinen Bürger in Deutschland interessiert, woher das Geld kommt? Der will eine anständige Schule. Und die Eltern wollen das auch, und das ist unser gemeinsames Ziel.
Einmischung des Bundes: "Die Gefahr sehe ich nicht"
Böddeker: Eine weitere Befürchtung des Landkreistags ist, dass der Bund sich damit vielleicht in die Bildungspolitik einmischt, zum Beispiel dadurch, dass er eben mitbestimmt, wofür die Gelder verwendet werden. Machen Sie sich deswegen auch Sorgen?
Landsberg: Nein, da mache ich mir überhaupt keine Sorgen, weil ein Blick ins Gesetz erleichtert in dem Fall die Rechtsfindung. Es steht ja ganz klar drin, das ist Geld für finanzschwache Kommunen zur Schulsanierung. Ich weiß nicht, was man da an Kontrolle des Bundes sich reindenken kann. Also, die Gefahr sehe ich nicht. Wir haben auch in anderen Bereichen Erfahrungen, aber gerade in diesem Schulbereich sehe ich das Problem überhaupt nicht.
Böddeker: Eine Grundforderung des Landkreistags ist allerdings, dass es eine Strukturreform geben sollte, eine Umverteilung der Gelder, sodass generell die Kommunen eben mehr Geld bekommen. Besteht denn zumindest in dem Punkt auch Einigkeit mit Ihnen vom Deutschen Städte- und Gemeindebund?
Landsberg: Da besteht komplette Einigkeit. Natürlich fänden wir es gut, und das wäre auch richtig, wenn alle Kommunen finanziell so ausgestattet würden von ihren Ländern, dass sie die notwendigen Aufgaben, wie zum Beispiel Schulsanierung, umsetzen können. Aber es entspricht einfach nicht der Wirklichkeit. Man muss einfach mehr die Wirklichkeit sehen. Man muss wissen, dass einen Großteil der Länder, denen es finanziell – denken Sie mal an Sachsen-Anhalt zum Beispiel – relativ schlecht geht, die müssen die Schuldenbremse einhalten. Die werden also mittelfristig nicht in der Lage sein, ihre Kommunen finanziell so deutlich besser auszustatten, dass das funktioniert.
Und da greift der Bund mit dem richtigen Ansatz, dass er sagt, die Verantwortung für den Bildungsstandort Deutschland ist auch eine Bundesaufgabe, und deswegen finanzieren wir mit. Dass man sich idealtypisch das besser vorstellen könnte, wie der Landkreis sagt das sagt, das verstehe ich, aber die Realität ist nun mal eine andere, und ob das irgendwann kommt, weiß ich nicht, aber Schulen sanieren müssen wir jetzt, hier und heute.
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