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Bildungssystem in Afghanistan
"Eine Machtteilung mit den Taliban würde das Rad zurückdrehen"

Seit 40 Jahren herrscht Krieg in Afghanistan. Viele Schulen und Universitäten sind zerstört, zahlreiche Lehrer und Dozenten haben das Land verlassen. Sollte es nun zu einer Machtteilung mit den Taliban kommen, hätte dies für die Bildung von Mädchen und Frauen gravierende Folgen,so Martin Gerner im Dlf.

Martin Gerner im Gespräch mit Stephanie Gebert |
Afghanische Studenten in Kabul bei der Abschlussfeier
Afghanische Studenten in Kabul bei der Abschlussfeier (picture alliance / dpa / S. Sabawoon)
Zwei Drittel der rund 33 Millionen Afghanen sind jünger als 25 Jahre - damit liegt ein gewaltiger demografischer Druck auf dem Bildungssystem des Landes; auch schon ohne die Folgen von Krieg, fehlenden Steuereinnahmen und mangelnder Planungssicherheit. Die Universitäten in Afghanistan sind auf den Ansturm einer zunehmenden Anzahl von Abiturienten schlichtweg nicht vorbereitet. Die Qualität der Lehre entspricht noch nicht modernen Maßstäben - trotz der langjährigen Aufbauhilfe westlicher Geberländer, darunter auch Deutschland.
Generationswechsel durch zurückkehrende Wissenschaftler
Ein wichtiger Impuls geht von Master-Absolventen und Doktoranden aus, die auf deutschen, aber auch westeuropäischen und amerikanischen Universitäten studiert haben und in afghanische Hochschulen zurückkehren: Sie bringen eine neue Offenheit mit und die Chance auf einen fachlichen und didaktischen Generationswechsel. Allerdings lassen sich Konzepte und Standards aus westlichen Bildungssystemen nicht eins zu eins auf die afghanische Realität übertragen.
Lehrbücher und Labore statt E-Learning
Millionenteure E-Learning-Projekte hätten sich als völlige Fehlinvestition herausgestellt, weil es an Universitäten schlichtweg keinen Strom, keine Computer und kein Internet gegeben habe, kritisiert ein afghanischer Bildungspolitiker. Einfache Bücher oder Labore wären die billigere und bessere Alternative gewesen - ein Beispiel für eine Fehlkommunikation zwischen Helfern und Hilfeempfängern, die in Afghanistan nicht nur den Bildungsbereich betrifft.
Bildung für Mädchen und Frauen
Rund ein Viertel der 370.000 Studierenden in Afghanistan sind Frauen - aber das betrifft vor allem die großen Städte Kabul, Herat und Mazar. In Landesteilen mit restriktiveren oder traditionelleren kulturellen Prägungen ist der Anteil deutlich geringer. Viele Familien scheuen sich, ihre Töchter zum Studium in ein Wohnheim in einer Stadt ziehen zu lassen - sie sehen das als zu gefährlich oder auch als unschicklich an.
Rückkehr der Taliban ist die größte Sorge
Einen völligen Rückschritt für die höhere Bildung von Mädchen und Frauen würde die Machtteilung mit den Taliban bedeuten: Möglicherweise wäre dann landesweit wie jetzt schon in Gegenden unter Taliban-Einfluss ein Schulbesuch nur noch bis zur sechsten oder maximal siebten Klasse erlaubt, sorgen sich Inländer wie ausländische Geber.