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Bildungsurlaub
Geschenkte Zeit für die Weiterentwicklung

Fünf Tage extra Urlaub für Bildungszwecke - darauf haben die meisten Arbeitnehmer zwar Anspruch. Doch noch immer wird dieser Freiraum für die Weiterentwicklung kaum genutzt. Oft aus Scheu, den Arbeitgeber nach dem Zusatzurlaub zu fragen. Doch es gibt gute Argumente dafür.

Von Astrid Wulf | 13.07.2017
    Schulungsleiter Daniel Paasch (l) und Titus Brehm sprechen am 03.02.0213 in Berlin während einer Motivationsübung miteinander. In einem Seminar werden angehende Kinder-Coaches ausgebildet. Die Kinder-Coaches sollen die Kinder zu mehr Selbstbewusstsein und mehr Leistung animieren. Das Seminar richtet sich an Erwachsene aus verschiedenen Berufen, die umsatteln wollen.
    Für Kurse - wie etwa zur Motivation - bekommen Arbeitsnehmer 5 Tage frei – zusätzlich zum Jahresurlaub. Vorausgesetzt, sie nutzen die freien Tage für eine besonders zertifizierte Weiterbildung. (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    "Wir steigen nicht ein, wir suchen keine Lösung, wir machen nur eine kurze Problemformulierung und eine kurze Zielformulierung."
    Kursleiterin Karin Werner bringt ihren Teilnehmern beim VHS-Bildungsurlaub "Methoden des systemischen Coachings" bei, wie sie andere mit bestimmten Gesprächstechniken beraten können. Dieser Kurs läuft – wie die meisten Bildungsurlaube – über 5 Tage am Stück, insgesamt 40 Stunden. Viel Zeit für die Dozentin, um mit den Teilnehmern in die Inhalte einzutauchen.
    "Ganz toll. Es ist wunderbar, sich eine ganze Woche Zeit zu nehmen. Das sind Themen, die man an einem Wochenende nur anreißen kann. In einer Woche kann man sich richtig darauf einstellen kann, mit viel Ruhe. Das ist nachhaltiger, um das in den Alltag zu integrieren, als wenn man abends anderthalb Stunden oder am Wochenende was lernt."
    Kurs muss nicht zwangsläufig zum Beruf passen
    Mit dabei ist Nicole Kaack aus Lübeck. Sie arbeitet in der Finanzbranche und ist ehrenamtliche Trauerbegleiterin. Weil sie viel mit Menschen zu tun hat, findet sie das Thema Coaching spannend.
    "Ich habe im vergangenen Jahr geguckt: Was kann ich selber für mich tun, um beruflich voranzukommen aber auch persönlich und habe mal das Thema Coaching gegoogelt. Und dann bin ich auf Bildungsurlaub gekommen."
    Für Kurse wie diesen hier gibt es 5 Tage frei – zusätzlich zum Jahresurlaub. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Kurs zum eigenen Beruf passt. Der Chef muss seinem Vertriebler also theoretisch "Philosophieren am Meer" auf Sylt genehmigen, auch den Spanisch-Bildungsurlaub in Málaga, egal, ob die Kunden spanisch, englisch oder russisch sprechen.
    Bildungsurlaub ist eben auch für die persönliche Weiterentwicklung da. Voraussetzung ist lediglich, dass der Kurs in dem Bundesland, in dem man wohnt, als Bildungsurlaub zertifiziert ist. "Nein" sagen kann der Chef dann eigentlich nur aus wichtigen betrieblichen Gründen – wenn in der Zeit sehr viel zu tun ist zum Beispiel. Der Anspruch verfällt dadurch allerdings nicht. Nicole Kaack hatte zumindest keine Probleme, den Bildungsurlaub durchzubekommen.
    "Ich habe mit meinem Chef darüber gesprochen, der hat sich schon interessiert dafür, was wolltest du machen und welche Hintergründe hat das, und hat mich gefragt warum – und hat ja gesagt."
    In Schleswig-Holstein wird weniger als ein Prozent in Anspruch genommen
    "Jetzt ist es wichtig zu differenzieren: Ziel oder Maßnahme? Und man kann auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedliche Ziele überlegen."
    Diese fünf Tage Extra-Urlaub für neuen Input werden kaum in Anspruch genommen. In Schleswig-Holstein zum Beispiel nehmen nach Angaben des Bildungsministeriums weniger als ein Prozent derjenigen, die Anspruch hätten, Bildungsurlaub. Marlies Reischuk ist bei der VHS Lübeck unter anderem für Bildungsurlaube verantwortlich. Ihrer Erfahrung nach trauen sich viele einfach nicht, ihrem Chef einen Antrag vorzulegen.
    "Jeder Arbeitnehmer, jede Arbeitnehmerin hat Anspruch auf Bildungsurlaub, das ist gesetzlich verankert, allerdings höre ich immer wieder in den Beratungsgesprächen, dass einige Interessierte Scheu haben, ihren Arbeitgeber anzusprechen, Interessierte haben dann manchmal Sorge, dass sie den Eindruck vermitteln könnten, sie wollten sich auf Kosten des Arbeitgebers eine schöne Woche machen. Was natürlich überhaupt nicht der Fall ist. Sondern diese Woche Bildungsurlaub ist sicher sehr anstrengend."
    Gute Argumente für die Verhandlung mit dem Arbeitgeber
    Sie empfiehlt Arbeitnehmern, einfach über ihren Schatten zu springen.
    "Also ich rate immer, dieses Gespräch zu suchen, also mit dem Arbeitgeber zu sprechen und biete auch an, dass man mich anrufen kann – ich würde das dann auch erläutern."
    Für geschmeidige Bildungsurlaubsverhandlungen lohnt es sich auf jeden Fall, gute Argumente parat zu haben – Gründe, warum vor allem das Unternehmen davon profitiert. So hat der Chef auch etwas davon, wenn man beim Yoga-Urlaub an der Nordseeküste Entspannungstechniken lernt, mit denen man nach Feierabend besser entspannen kann und künftig noch energiegeladener zur Arbeit kommt.
    Und wer weiß: Vielleicht tun sich nach der Woche Bildungsurlaub in Málaga doch irgendwann mal Kooperationspartner in Südamerika auf. Ein Mitarbeiter, der ein bisschen Spanisch kann, wäre da doch Gold wert.