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Bildungsvielfalt oder Einheitsbildung
"Innovation spielt für private Hochschulen eine große Rolle"

Private Hochschulen tragen nach Ansicht von Harald Beschorner, Kanzler und Geschäftsführer der FOM-Hochschule in Essen, dazu bei, Berufsgruppen zu einer Akademisierung zu verhelfen, die das bisher nicht konnten. Das sei vor allem im Bereich Gesundheitswesen und Sport der Fall, betonte Beschorner im Dlf.

Harald Beschorner im Gespräch mit Klaus Hekking |
    Prof. Klaus Hekking, der Vorsitzende des Verbandes der Privaten Hochschulen Deutschlands (VPH) und Dr. Harald Beschorner, Kanzler und Geschäftsführer priv. FOM Hochschule Essen
    Prof. Klaus Hekking, der Vorsitzende des Verbandes der Privaten Hochschulen Deutschlands, VPH, (links) und Dr. Harald Beschorner, Kanzler und Geschäftsführer priv. FOM Hochschule Essen (Deutschlandradio )
    Klaus Hekking: Herr Beschorner, wenn man die Meinung von Studenten und Professoren hört, dann ist die Frage nach der Notwendigkeit von Bildungsvielfalt ja schon fast beantwortet, aber ich glaube, es geht uns ja noch um ein weiteres Thema: Ist Bildungsvielfalt und Pluralität im Bildungswesen nicht auch ein Wert an sich, der auch in der Bildungspolitik stärker berücksichtigt werden sollte, aber die Frage an Sie natürlich: Was tragen die privaten Hochschulen bei, um das Bildungssystem insgesamt besser zu machen?
    Harald Beschorner: Ich sehe das schon so, dass das ein Wert an sich ist, aber wir tragen auch sehr viel dazu bei. Also zunächst möchte ich mit dem Vorurteil aufräumen, die privaten Hochschulen seien alle kommerziell und elitär orientiert. Die meisten der 120 privaten Hochschulen sind gemeinnützig. Sie werden getragen von Stiftungen, von Verbänden, von Kammern, teilweise sogar von Gebietskörperschaften oder von Kirchen, und dort ist vielfach ein Studienangebot entwickelt worden für spezielle Zielgruppen, die zu diesen Branchen, zu diesen Berufsgruppen gehören, Studienangebote, die vorher noch nicht vorhanden waren und vom staatlichen Hochschulsystem einfach nicht angeboten wurden. Zum Teil tragen die privaten Hochschulen auch dazu bei, Berufsgruppen zu einer Akademisierung zu verhelfen, die das bisher nicht konnten. Denken Sie allein an den Bereich Gesundheitswesen oder Sport. Ich glaube, was private Hochschulen auch auszeichnet, ist, dass sie gezwungen sind, mit dem Arbeitsmarkt eine sehr enge Verbindung zu haben, zu wissen, was im Arbeitsmarkt gefragt ist. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen beispielsweise im Wirtschafts- oder Ingenieurbereich ist von größter Bedeutung, und ich denke auch, das Thema Innovation spielt für private Hochschulen eine große Rolle.
    "Es wird eine Bürokratie geschaffen in den Hochschulen"
    Hekking: Das sind ja einige gewichtige Argumente, und wenn wir in der Bildungspolitik uns umhören, dann hören wir in der Tat immer wieder, wir seien eine Bereicherung für das deutsche System und wir würden neue Zielgruppen erschließen, und man müsse das im Grundsatz auch mehr fördern, aber wenn es dann darum geht, den Worten Taten folgen zu lassen, dann sieht es nicht mehr so positiv aus. Können Sie denn bei den Wettbewerbsbedingungen, die Sie haben, Ihr Potenzial überhaupt richtig ausschöpfen?
    Beschorner: Wir bemühen uns natürlich ständig, aber wir haben auch einige Belastungen, die staatliche Hochschulen nicht haben, beispielsweise das ganze Akkreditierungssystem. Alle privaten Hochschulen müssen sich als Institution durch den Wissenschaftsrat akkreditieren lassen, sie müssen jeden einzelnen Studiengang akkreditieren lassen. Das klingt für den Normalbürger vielleicht relativ harmlos, aber für die einzelne Hochschule ist das ein sehr großer Aufwand. Es wird eine Bürokratie geschaffen in den Hochschulen selbst, die sich eigentlich nur noch mit Akkreditierungsfragen beschäftigen muss. Das ist etwas, was bei den staatlichen Hochschulen nicht verlangt wird. Die privaten Hochschulen müssen einen Studiengang – jedenfalls in vielen Bundesländern – zunächst akkreditieren lassen, bevor sie ihn an den Markt bringen. Eine staatliche Hochschule braucht das nicht. Das ist eine Sache. Es ist also eine kostenmäßige Belastung der Hochschulen. Es gibt aber auch eine inhaltliche Problematik bei den Akkreditierungen. Die Akkreditierungen sind nämlich sehr stark staatlich orientiert, an staatlichen Kriterien, an staatlichen Strukturen orientiert, und die sind nun nicht unbedingt innovationsfreundlich, wie wir in der Vergangenheit erfahren haben.
    Hekking: Na ja, wenn der Staat schon Vorgaben macht, wie Hochschulen funktionieren sollten, dann wäre ja eigentlich auch angezeigt, dass er sich finanziell engagiert, um die privaten Hochschulen zu fördern. Es gibt ja eine Ungerechtigkeit bei dem sogenannten Hochschulpakt, mit dem seit 2007 Bund und Länder die Schaffung von Studienplätzen an Hochschulen fördern. Die privaten Hochschulen haben seit 2005 etwa 150.000 Studienplätze geschaffen, wurden aber nur in einigen Bundesländern gefördert. Das ist doch eine gewisse Ungerechtigkeit, und wir haben mit Christiane Konegen-Grenier vom Institut der Deutschen Wirtschaft gesprochen, die dort das Thema Bildungsforschung verantwortlich zeichnet, und gefragt, wie gerecht ist eigentlich die Hochschulfinanzierung in Deutschland.
    Christiane Konegen-Grenier: Aus unserer Sicht kommen die privaten Hochschulen in der Tat zu kurz. Wir haben uns mal angeguckt, wie die Hochschulpaktgelder im Zeitraum von 2007 bis 2015 verteilt wurden, und da haben wir festgestellt, obwohl die privaten Hochschulen nahezu jeden sechsten Studienanfänger aufgenommen haben, haben sie in der Mehrheit der Bundesländer dafür keine Gelder bekommen, also dass unterm Strich ein Defizit von 650 Millionen Euro in diesem Zeitraum entstanden ist, Gelder, die dann den staatlichen Hochschulen zugutegekommen sind, die aber eigentlich den privaten hätten zugutekommen müssen.
    "Der finanzielle Aspekt ist immer von großer Bedeutung"
    Hekking: Herr Beschorner, das ist ja ein klares Plädoyer dafür, auch die privaten Hochschulen beim Hochschulpakt mit zu bedenken. Das würde Sie doch optimistischer stimmen für die Zukunft.
    Beschorner: Ja, auf jeden Fall. Man muss sich ja immer wieder bewusst machen, dass die privaten Hochschulen ein Produkt anbieten gegen Gebühr, was sozusagen nebenan kostenfrei zu erhalten ist. Also insofern ist natürlich der finanzielle Aspekt immer von großer Bedeutung, und wir sind natürlich angetreten als private Hochschulen, indem wir sagen, wir finanzieren uns selbst. Es wird nur wirklich ungerecht, wenn die staatlichen Hochschulen Mittel erhalten, bei der Hochschulpaktfinanzierung, die eigentlich uns zustehen würden.
    Hekking: Es wird ja jetzt über den Hochschulpakt 2021 folgende neu gesprochen. Ich denke, da werden Sie ja antreten müssen, um dort das Thema Gerechtigkeit in der Finanzierung auch noch mal anzusprechen.
    Beschorner: Wir haben das mit dem Verband ja schon verschiedentlich adressiert, bei Bundestagsabgeordneten, bei den verschiedenen Landesministerien. Da herrscht natürlich vielfach interessiertes Wohlwollen, aber bei den tatsächlichen Handlungen vermissen wir doch eine Konsequenz in unsere Richtung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.