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Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung
"Nehmen keinen Einfluss auf das WHO-Arbeitsprogramm"

Da die WHO nicht von allen Mitgliedsstaaten mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werde, schließe die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung eine finanzielle Lücke, sagte die Europadirektorin der Stiftung, Anja Langenbucher im Dlf. Dabei gehe es vor allem um die Krankheiten, die sonst nicht genügend beachtet würden.

Anja Langenbucher im Gespräch mit Sandra Schulz |
Auf mehr als sechs Millionen nachgewiesene Corona-Fälle kommt aktuell das Statistikportal Worldometer, auf weltweit aktuell mehr als 370.000 Todesfälle. In aller Welt läuft der Kampf gegen das Virus, in aller Welt läuft auch die Suche nach einem Impfstoff.

In dieser Woche will die Impfallianz GAVI bei einer Online-Geberkonferenz weiteres Geld einsammeln. Die Allianz wurde von der Bill und Melinda Gates Stiftung gegründet. Die Stiftung des Microsoft-Gründers und Multimilliardärs Bill und seiner Frau Melinda Gates setzt sich seit 20 Jahren im Kampf gegen Malaria und Kinderlähmung ein. Allerdings steht sie mit ihrem Engagement auch immer wieder in der Kritik. Die Gates-Stiftung, die selbst einer der größten Geldgeber der WHO ist, werde aber keinen Einfluss auf die Arbeit der Organisation nehmen, betonte Anja Langenbucher, Europadirektorin der Stiftung, im Dlf.
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Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Frau Langenbucher, wieviel Geld wird gebraucht für die Suche nach einem Corona-Impfstoff und wieviel haben Sie schon?
Anja Langenbucher:Da stehen wir natürlich ganz am Anfang. Wir brauchen natürlich wirklich noch einiges Geld, das wir zusammentreiben müssen. Wir hatten am 4. Mai eine Geberkonferenz, die die EU zusammengerufen hat, und da waren wir in der Lage, über sieben Milliarden Euro zusammenzubringen.
Insgesamt wurden 7,4 zunächst an den Tag geplatcht, aber wir stehen natürlich wirklich tatsächlich erst am Anfang und brauchen dazu wirklich noch die Zusammenarbeit von allen wichtigen Akteuren, multilateralen Gesundheitsorganisationen, Geberländern und Privatsektor. Wir stehen wirklich am Anfang.
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Schulz: Und das betrifft die Suche nach einem Impfstoff, aber es laufen jetzt ja schon die Überlegungen, die Koordination für den Tag X, an dem dieser Impfstoff möglicherweise vorliegt. Gibt es eine Idee, wer dafür sorgen könnte, den dann gerecht zu verteilen?
Langenbucher: Ja, völlig richtig. Es geht im Prinzip um drei große Aufgabenbereiche: zunächst mal die Forschung und Entwicklung, damit wir möglichst schnell einen sicheren Impfstoff gegen COVID-19 bekommen. Dann brauchen wir natürlich im großen Maße Produktionskapazitäten, damit wir den dann in großer Zahl herstellen können, denn das wird natürlich extrem wichtig sein.
Und dann geht es um die Verteilung, weil wir müssen natürlich dafür sorgen, dass der Impfstoff dann den Menschen in gleichberechtigter Art und Weise zugänglich gemacht wird, die ihn wirklich am wichtigsten brauchen.
Schulz: Und wer ist das?
Langenbucher: Dazu wird zunächst mal die Rolle der WHO, der Weltgesundheitsorganisation ganz wichtig sein. Die muss da eine zentrale normative Rolle bei dieser Verteilung dieses zukünftigen Impfstoffs spielen. Die Menschen, die ihn am wichtigsten brauchen, sind zunächst mal die, die in der Gesundheitsversorgung mitarbeiten.
Dann sind es die Risikogruppen und dann sind es die älteren Menschen, und da wiederum die normative Rolle der WHO ganz zentral, uns dabei zu helfen, diese gleichberechtigte Verteilung sicherzustellen.

Schulz: Die Weltgesundheitsorganisation – Sie sprechen es an -, die wäre eigentlich der logische Ort für diese Koordination. Wir haben jetzt am Wochenende die Ankündigung von US-Präsident Trump gesehen, der die Zusammenarbeit mit der WHO beenden will. Kommt die WHO dann als Koordinator überhaupt noch in Frage?
Bill und Melinda Gates
Die "Bill & Melinda-Gates-Stiftung" engagiert sich seit vielen Jahren im Bereich der Impfstoffentwicklung und deren Verbreitung. (picture alliance / dpa / Elaine Thompson)
Langenbucher: Das ist natürlich ein Schritt, den wir sehr bedauern, denn es ist extrem wichtig, dass gerade jetzt die WHO von ihren Mitgliedsstaaten mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet wird. Es gibt natürlich auch noch andere Mitgliedsstaaten und deswegen hoffen wir, dass die WHO diese zentrale Rolle mit der Unterstützung der Weltgemeinschaft wirklich auch weiterhin sinnvoll ausführen kann. Dafür werden hier natürlich alle Akteure, die hierbei beteiligt sind, unser Bestes tun, damit das möglich ist.
"Unsere finanzielle Unterstützung nimmt keinen Einfluss auf das WHO-Arbeitsprogramm"
Schulz: Das ist ja auch einer der Kritikpunkte, dieses Finanzierungsmodell der WHO, die im Moment zu 80 Prozent tatsächlich durch Spenden finanziert wird. Ihre Stiftung, die Gates Stiftung, die ist nun auch einer der wichtigsten Geldgeber der WHO. Sie standen in der Periode 2018/19 hinter den USA sogar direkt auf Platz zwei. Wenn die USA aussteigen, dann werden Sie natürlich noch mal wichtiger, Ihre Macht wird größer. Ist das auch ein Problem?
Langenbucher: Ja, das ist eine Frage, die uns oft gestellt wird, und das ist auch sehr verständlich. Ich glaube, was hier wichtig ist, klarzustellen, ist, dass die Stiftung trotz unserer Unterstützung, unserer finanziellen Unterstützung der WHO, ja keinen Einfluss auf das Arbeitsprogramm der WHO nimmt.
Nach wie vor wird das von den Mitgliedsstaaten selbst festgelegt und da geht es wirklich um Krankheiten ganz anderer Art, von denen wir im Augenblick gar nicht so wahnsinnig viel hören, wie Hepatitis, Tuberkulose, Malaria, Diphterie. Und es ist wichtig, dass dieses Arbeitsprogramm natürlich auch weiterhin abgearbeitet werden kann.
Was die Stiftung tut ist: Sie schließt einen finanzielle Lücke, weil wir gesehen haben, dass leider Gottes natürlich die WHO nicht von allen Mitgliedsstaaten mit ausreichenden Mitteln ausgestattet wird. Aber das ist natürlich wichtig, dass das von den Mitgliedsstaaten verabschiedete Arbeitsprogramm abgearbeitet werden kann.
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Schulz: Sie arbeiten aber im Wesentlichen auch mit zweckgebundenen Spenden. Das heißt, die Stiftung nimmt auch Einfluss darauf, wie das Geld verwandt wird, in welche Programme es fließt. Wenn es jetzt wirklich nur darum geht, die Weltgesundheitsorganisation zu stärken, warum verzichten Sie dann nicht auf diese Zweckbindung?
Langenbucher: Es geht natürlich darum, dass vor allen Dingen es uns um die Krankheiten geht, die nicht genügend unterstützt werden. Dabei stützen wir uns wirklich auf eine breite Unterstützung zum Beispiel der afrikanischen Länder, die uns auch darum bitten, dass genau diese vernachlässigten armutsbedingten Krankheiten genügend unterstützt werden, und das ist gerade oft nicht der Fall. Daher geht es uns natürlich darum, dass wirklich auch dann die Mittel genau für diesen Zweck eingesetzt werden können.
"Es gibt sehr viele andere Krankheiten, die wir natürlich alle nicht vergessen dürfen"
Schulz: Wir sehen jetzt im Moment grassierende Verschwörungserzählungen, die sich auch um die Gates Stiftung drehen, aber auch unabhängig davon gibt es ja Kritik – zum Beispiel, dass die Stiftung auch Anteile an Pharmafirmen hält, die ihrerseits dann natürlich auch wieder verdienen an erfolgreich verkauften Medikamenten. Das ist ja allermindestens ein Interessenskonflikt. Warum bedienen Sie diese Interpretationen derer, die sagen, es geht da doch ums Geldverdienen?
Langenbucher: Ich denke, das sind einfach zwei getrennte Punkte. Wir haben auf der einen Seite das Stiftungsvermögen und aus diesem Stiftungsvermögen wird die Bill und Melinda Gates Stiftung finanziert. Das ist aber wirklich eine ganz separate Einheit und die wird unabhängig verwaltet. Die Stiftung als solches hat da relativ, eigentlich überhaupt keinen Einfluss auf die Investitionsentscheidungen dieses Trusts und haben da deswegen auch auf die verschiedenen Anlagestrategien eigentlich keinen Einblick.
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Schulz: Wenn wir jetzt noch mal aufs große Ganze zu sprechen kommen. Wir sehen jetzt im Moment diesen weltweiten Kampf gegen Corona. Sie haben es auch gesagt: Sie sammeln da jetzt für die Impfprogramme Geld ein. Ist das auch eine Gefahr, wenn jetzt die Gesundheitspolitik weltweit um Corona kreist? Was droht, da auf der Strecke zu bleiben?
Langenbucher: Ja. Ich glaube, da sprechen Sie was ganz wichtiges an. Es gibt sehr viele andere Krankheiten, die wir natürlich alle nicht vergessen dürfen, denn es ist eine Herkules-Aufgabe, vor der wir hier zusammen mit allen weiteren Akteuren und der WHO wirklich stehen. Aber auf der anderen Seite müssen wir natürlich sicherstellen, dass diese ganzen anderen Krankheiten, an denen natürlich noch verschiedenste und Millionen von Menschen weltweit leiden, nicht vernachlässigt werden dürfen.
GAVI zum Beispiel, die Impfallianz – die haben Sie am Anfang angesprochen – ist hier wirklich eine ganz einzigartige Erfolgsgeschichte, hat seit ihrer Gründung wirklich weit über 700 Millionen Menschen gegen lebensbedrohliche Krankheiten geimpft, vor allen Dingen Kinder. Da geht es um Diphterie, um Keuchhusten, um Hepatitis B, und das ist wirklich ganz wichtig, dass das nicht vergessen wird.
Am Donnerstag wird GAVI bei der Wiederauffüllungskonferenz in London hoffentlich mit ausreichenden Mitteln ausgestattet. Das ist selbstverständlich in der gegenwärtigen COVID-19-Pandemie eine große Gefahr, dass wir diese Krankheiten vergessen, und deswegen ist es wichtig, dass wir zum Beispiel GAVI weiterhin mit ausreichenden Mitteln ausstatten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.