Als Hollywood mit seinen großen Produktionen nach Deutschland gekommen ist - "Inglourious Basterds", "Cloud Atlas" oder aktuell "Homeland" -, da waren die "weißen Mexikaner" schon hier. "White Mexicans" - das ist ein umgangssprachlicher Begriff aus den USA, der hier für Leute aus der Filmbranche benutzt wird.
"Der Begriff ist erst in den letzten Jahren so richtig hochgekommen, weil das dann auch vielen deutschen Filmschaffenden bewusst wurde, dass wir natürlich für die Amerikaner einfach nur billige Arbeiter sind - dass die hier nicht herkommen, weil es woanders keine schönen Motive gibt, sondern das hat sehr viel mit Filmförderung zu tun, warum die so gerne kommen. Und natürlich auch damit, dass man hier sehr gute Filmschaffende findet, die für sehr wenig Geld arbeiten, aus Sicht der amerikanischen Kollegen", meint Ingo Weerts von der verdi Filmunion. Wie er erklärt, sind Honorare und Arbeitsbedingungen der Kollegen in den USA auch deshalb besser, weil dort so gut wie alle in Gewerkschaften organisiert sind. Und die bestimmen, ob und zu welchen Bedingungen gedreht wird.
Dagegen sind in Deutschland von etwa 25.000 Filmschaffenden insgesamt nur rund 7.000 Mitglieder bei ver.di und der Schauspielergewerkschaft BFFS. - Woran liegt das? Vielleicht daran, dass manche Kameraleute, Szenenbildner oder Beleuchter nicht glauben, dass die Gewerkschaft ihnen helfen kann? So geht es jedenfalls diesem Crewmitglied, das anonym bleiben möchte:
"Einerseits habe ich den Eindruck, dass die Gewerkschaftsbeiträge einfach hoch sind, dass ich aufs Jahr gerechnet vorher nicht weiß: Kann ich das wirklich finanzieren? Weil ich im Januar noch nicht weiß, wie viele Jobs finde ich, wie werden die vergütet werden. Zweitens hat man das Gefühl: Das, was du von der Gewerkschaft mitkriegst, was die tun, ist: Die verhandeln einen Tarifvertrag. Meistens sieht der ganz okay aus für uns - aber es hält sich keiner dran."
Überstunden werden nur selten bezahlt
Das hat er in seinen neun Jahren im Film- und Fernsehgeschäft immer wieder erlebt. Überstunden werden so gut wie nie gezahlt, erzählt er, Mittagspausen finden erst nach sieben, acht Stunden Arbeit statt, oder Urlaubstage werden auf Feiertage gelegt, damit die Produktionsgesellschaft Geld spart, weil sie für die Tage keine Gage von 200 bis 300 Euro zahlen muss. Wer dagegen protestiert, muss mit Ärger rechnen:
"Und dann heißt es plötzlich: 'Ja, wenn du dich jetzt so schräg anstellst, dann können wir leider, leider den Vertrag nicht verlängern.' Und dir wird gedroht damit, dass du halt grundsätzlich in der Branche fertiggemacht wirst, dass ja die Produktionsfirmen auch untereinander kommunizieren, und da wird's dann ganz schnell existenzbedrohend. Und die Folge ist natürlich: Du knickst ein."
Fragwürdige Verträge in der Filmbranche
Solche Arbeitsmethoden gibt es bei seinen Produktionen nicht, betont Oliver Damian. Der Produzent ist seit rund 20 Jahren im Geschäft, hat 2005 seine eigene Firma "27 films" gegründet und produziert fast ausschließlich international. Gerade dreht er in Belgien die Fortsetzung der Science-Fiction-Komödie "Iron Sky". Dabei werden die Drehbedingungen mit allen Beteiligten ständig besprochen, betont Damian:
"Wir reden da wirklich jeden Tag mit den Agenturen, Verträge werden hin- und hergeschickt und besprochen und Klauseln noch mal überarbeitet. - Das ist die normale Handhabe, denke ich."
Leider scheint das aber nicht bei allen Produktionen üblich zu sein, denn auch Gewerkschaftssekretär Ingo Weerts kennt zahlreiche Beispiele, in denen Filmschaffende Verträge bekommen, die für ihn fragwürdig sind:
"70 Prozent hat davon den juristischen Wert von Klopapier und würde auch niemals irgendeiner Gerichtsverhandlung vor einem Arbeitsgericht standhalten. Da sind Sätze drin, so Pauschalgagen von 1.050 Euro - egal wie viel man arbeitet. Selbst wenn man 70, 80 Stunden arbeitet, Nachtzuschläge, Überstundenzuschläge, Feiertagszuschläge, alles soll da drin sein. Das ist natürlich Quatsch, solche Verträge gibt's nicht. Aber die Leute lassen es halt mit sich machen, und deswegen kommt es da auch nicht zur juristischen Klärung, weil es meistens nicht vor Gericht geht."
Auch Produzenten unter Druck
So weit muss es aber nach Meinung von Produzent Oliver Damian gar nicht erst kommen. Er findet, dass Schauspieler und Crewmitglieder sich wehren sollten, wenn sie zu Konditionen arbeiten sollen, die nicht in Ordnung sind. Angst vor schwarzen Listen müssen sie dabei nicht haben, denn die gibt es laut Damian nicht:
"Also, niemand muss gezwungen werden und jeder soll auf seine Rechte pochen. Also, so gesehen finde ich das völlig okay, wenn jemand auch Konditionen ablehnt. Das erhöht ja auch dann entsprechend den Druck auch bei den Produzenten, das dann eventuell dann auch zu ändern."
Die Produzenten stehen allerdings sowieso schon unter Druck - und zwar weil die Filmförderung gekürzt wird. Für manche ausländische Produktion inzwischen auch ein Grund, sich außerhalb Deutschlands nach Drehorten umzusehen. Auch bei Produktionen, die im Inland für öffentlich-rechtliche und private Fernsehsender realisiert werden, werden immer niedrigere Budgets angesetzt und auch immer weniger Drehtage. Wenn das so weitergeht, wird sich an der oft prekären Lage für Film- und Fernsehschaffende wohl so schnell nichts ändern.
"Du hast einen Beruf, der wahnsinnig erfüllend ist - ich kenne eigentlich keinen Filmschaffenden, der nicht mit der Arbeit am Set oder auch im Schneideraum wirklich erfüllt ist. Und diese Arbeit geschieht unter Bedingungen, die von Produktionsfirmen in einem Machtgefälle von oben durchgedrückt werden, von denen du oft weißt, dass sie zu deinem Nachteil sind, die du aber trotzdem akzeptieren musst. Weil die Alternative lautet, dass du keine Arbeit findest, und dann einen Beruf, der dich zutiefst befriedigt und glücklich macht, aufgeben müsstest."
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Brandbrief des Berufsverbands Kinematografie