Jürgen Liminski: Am vergangenen Wochenende haben weltweit renommierte Bindungsforscher auf einem Kongress in der Universität Frankfurt auf die Notwendigkeit stabiler Bindungen als Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung von Kindern hingewiesen. Eines der Ergebnisse lautete: Bindung geht vor Bildung. Ohne Bindung, ohne emotionale Stabilität ist auch das Lernen-Können schwierig. Aber umgekehrt nutzt ohne Bildung auch die Bindung wenig. Angesichts der demografischen Entwicklung braucht man beides in erhöhtem Maße, denn die wenigen Kinder müssen, um Wohlstand und Produktivität halten zu können, lernfähiger und besser ausgebildet sein. Das ist nicht nur eine Frage der Bildungseinrichtungen wie Schule und Universität, sondern wegen der knappen Ressourcen auch eine Frage der Entdeckung und Förderung von überdurchschnittlich Lernfähigen, sprich von Hochbegabten.
Eine Stiftung in Frankfurt, die Karg-Stiftung für Hochbegabtenförderung, widmet sich diesen Aufgaben. Ihr Ratsvorsitzender Peter Lex ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Lex!
Peter Lex: Guten Morgen, Herr Liminski!
Liminski: Herr Lex, Ihre Stiftung hat neulich Vertreter von 15 Kultusministerien der Länder und des Bildungsministeriums zu einem Symposium eingeladen. Die Frage nach dem Potenzial und der Förderung von Hochbegabten wird angesichts der demografischen Entwicklung offenbar akut. Es fehlen qualifizierte und qualifizierbare Fachkräfte. Aber wie definieren Sie denn hochbegabt überhaupt?
Lex: Das ist ein schwieriges Thema. Zur Hochbegabung gehört natürlich ein gewisser Intelligenzquotient. Wir gehen davon aus, dass ein IQ von 130 der Beginn der Hochbegabung sein kann. Die überdurchschnittliche Intelligenz ist es allerdings nicht allein, sondern da gehört noch Verschiedenes dazu. Wir sehen das immer als ein Bündel. Unser Stifter hat zum Beispiel den Satz geprägt: Nicht die Intelligenz allein macht die Begabung aus, sondern der komplex persönlicher Eigenschaften, Kenntnisse und Fertigkeiten, die eben einen Menschen befähigen, besondere Aufgaben zu übernehmen.
Liminski: Darauf kommen wir gleich noch mal zurück, Herr Lex. Wie viele Hochbegabte haben wir eigentlich in Deutschland?
Lex: Man geht davon aus, dass zwei Prozent der Bevölkerung hochbegabt sind. Das heißt, wenn ich von einer bestimmten Altersklasse, wir gehen da meistens von den Kindern aus , zwei Prozent nehme, und in einem Bundesland sind von dieser Altersklasse eine Millionen Menschen vorhanden, dann müssten theoretisch 20.000 hochbegabt sein. Und wenn von diesen 20.000 Hochbegabten nur 5000 oder 8000 registrierte sozusagen Hochbegabte sind, dann stellt sich zurecht die Frage, wo sind denn die anderen? Genau denen gilt unser Augenmerk.
Liminski: Wenn Sie nun Hochbegabte entdeckt haben, was machen Sie, um diese zu fördern und zwar nicht nur mit mehr Bildung, sondern vielleicht auch eben mit diesen so genannten Soft Skills, den eher menschlichen Eigenschaften, also soziale Kompetenz oder die Fähigkeit, Emotionen einzuordnen? Denn hoch gebildete Menschen können ja auch soziale Ekelpakete, Intelligenzriesen können menschliche Zwerge sein, die dann einem Betrieb mehr Schaden als Nutzen bringen.
Lex: Das ist genau der Ansatzpunkt unserer Stiftung. Die befasst sich damit, dass Hochbegabte nicht allein in ihrem Elfenbeinturm der eigenen Hochbegabung sitzen gelassen werden, sondern dass sie soziale Fähigkeiten entwickeln, dass sie also lernen, ihre Fähigkeiten der Hochbegabung auch der Gemeinschaft zukommen zu lassen. Die Allgemeinheit muss davon profitieren. Wenn es einer allein tut, ist die ganze Hochbegabtenförderung eigentlich umsonst.
Liminski: Wie erkennt man denn Hochbegabte? Sind das andere Menschen? Man sieht den Leuten das ja nicht an.
Lex: Das sieht man schon bei den Kindern, wenn es sich nicht gerade um Entwicklungsschübe handelt. Aber wenn das dauerhaft gemessen wird, kann man feststellen, ob ein Kind eine besonders ausgeprägte Merkfähigkeit hat, ein gutes Gedächtnis hat, komplexe Probleme schnell und gut lösen kann oder Strukturen schaffen bei der Behandlung von Spielen oder Arbeiten oder einen für das Alter ungewöhnlichen Wortschatz oder ein besonderes Ausdrucksvermögen hat. Also alle diese Dinge lassen erkennen, dass hier ein hochbegabtes Kind vorhanden ist. Die gleichen Maßstäbe können sie natürlich eben immer gemessen am allgemeinen Altersniveau an die anderen Altersklassen stellen.
Liminski: Wie kann denn die Gesellschaft, Herr Lex, von Ihrer Arbeit profitieren? Wie fördern Sie?
Lex: Wir fördern zunächst mal dadurch, dass wir die Diagnosemöglichkeiten zu erhöhen versuchen. Das heißt, wir wollen keinen verloren gehen lassen. Wir wollen, dass die Hochbegabten auch entdeckt werden und nicht irgendwo verkümmern. Sie kennen das Wort sicher vom Underachiever. Das ist also der, der in der Schule verkümmert, weil er nicht genug herausgefordert ist. Diese Talente zu erkennen und dann herauszunehmen und ihnen eine Sonderausbildung, eine Sonderförderung, Schulungen in anderen Fachrichtungen zu geben, das ist zunächst mal das Ziel der Karg-Stiftung. Das weitere Ziel ist, diese Förderung nicht solitär, sondern integrativ dem Kind zukommen zu lassen. Das heißt also, wir fördern keine Elitekaderschulen, sondern wir fördern integrative Schulen, in denen "normale" - in Anführungszeichen - Kinder zur Schule gehen und in denen auch Hochbegabte vorhanden sind. Die Förderung der Hochbegabung erfolgt durch Zusatzangebote. Man kann das an einem Beispiel festmachen: Wenn ein Kindergartenkind mittags um Zwölf müde ist und von den Eltern abgeholt wird, dann ist der Hochbegabtenteil erst richtig wach. Und die bekommen dann ihre Sonderangebote, sei es am Computer oder in Theaterstücken oder in Sprachausbildung oder in Mathematik.
Liminski: Und das geschieht schon im Kindergarten, Herr Lex?
Lex: Das geschieht schon im Kindergarten.
Liminski: Sind sie denn in den Kindergärten oder in den Schulen präsent, so dass Sie auf Entdeckungsreise gehen können?
Lex: Ja, natürlich. Wir fördern schwerpunktmäßig Kindertagesstätten in Hannover, in Nürnberg, in Augsburg, in München, in Rostock, in Dresden. Also das sind Karg-Einrichtungen, die eben mit dieser besonderen Komponente der Hochbegabtenförderung arbeiten.
Liminski: Nach welchen Kriterien suchen Sie denn die Kindergärten oder Schulen aus?
Lex: Da gibt es natürlich bestimmte fachliche Eignungen der Pädagogen. Es gehört normalerweise zu einer solchen Kindertagesstätte auch eine Diagnoseeinrichtung dazu, also eine kinderpsychologische Beratungsstelle, und es gehören geschulte Fachkräfte dazu. Die werden teilweise von den Betreibern dieser Einrichtungen selber gestellt.
Liminski: Ich erwähnte eingangs das Fachforum mit den Ministerien, das Sie veranstaltet haben. Gab es da konkrete Ergebnisse, die auch die Politik herausfordert?
Lex: Es gab in dem Sinne noch keine konkreten Ergebnisse, weil es das erste Fachforum war, das wir veranstaltet haben. Es hat aber außerordentlich guten Anklang gefunden nach unserem Eindruck. Wir sind sehr zuversichtlich, dass es das Nebeneinander der Hochbegabtenförderung, das bisher in den verschiedenen Bundesländern praktiziert wurde, auch langsam beseitigen wird. Man wird miteinander arbeiten, und man wir das Thema als gemeinschaftliches Thema und gesellschaftliches Problem auch betrachten. Damit, glaube ich, haben wir schon einen großen Erfolg. Wir wollen das auch fortsetzen, dieses Fachforum Ministerien, insbesondere deswegen, weil auch die Hochbegabtenerkennung ein Teil der allgemeinen Lehrerausbildung und Erzieherausbildung werden soll.
Liminski: Das war Peter Lex, der Vorsitzende der Karg-Stiftung zur Förderung von Hochbegabten. Danke für das normale Gespräch, Herr Lex.
Lex: Danke auch.
Eine Stiftung in Frankfurt, die Karg-Stiftung für Hochbegabtenförderung, widmet sich diesen Aufgaben. Ihr Ratsvorsitzender Peter Lex ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Lex!
Peter Lex: Guten Morgen, Herr Liminski!
Liminski: Herr Lex, Ihre Stiftung hat neulich Vertreter von 15 Kultusministerien der Länder und des Bildungsministeriums zu einem Symposium eingeladen. Die Frage nach dem Potenzial und der Förderung von Hochbegabten wird angesichts der demografischen Entwicklung offenbar akut. Es fehlen qualifizierte und qualifizierbare Fachkräfte. Aber wie definieren Sie denn hochbegabt überhaupt?
Lex: Das ist ein schwieriges Thema. Zur Hochbegabung gehört natürlich ein gewisser Intelligenzquotient. Wir gehen davon aus, dass ein IQ von 130 der Beginn der Hochbegabung sein kann. Die überdurchschnittliche Intelligenz ist es allerdings nicht allein, sondern da gehört noch Verschiedenes dazu. Wir sehen das immer als ein Bündel. Unser Stifter hat zum Beispiel den Satz geprägt: Nicht die Intelligenz allein macht die Begabung aus, sondern der komplex persönlicher Eigenschaften, Kenntnisse und Fertigkeiten, die eben einen Menschen befähigen, besondere Aufgaben zu übernehmen.
Liminski: Darauf kommen wir gleich noch mal zurück, Herr Lex. Wie viele Hochbegabte haben wir eigentlich in Deutschland?
Lex: Man geht davon aus, dass zwei Prozent der Bevölkerung hochbegabt sind. Das heißt, wenn ich von einer bestimmten Altersklasse, wir gehen da meistens von den Kindern aus , zwei Prozent nehme, und in einem Bundesland sind von dieser Altersklasse eine Millionen Menschen vorhanden, dann müssten theoretisch 20.000 hochbegabt sein. Und wenn von diesen 20.000 Hochbegabten nur 5000 oder 8000 registrierte sozusagen Hochbegabte sind, dann stellt sich zurecht die Frage, wo sind denn die anderen? Genau denen gilt unser Augenmerk.
Liminski: Wenn Sie nun Hochbegabte entdeckt haben, was machen Sie, um diese zu fördern und zwar nicht nur mit mehr Bildung, sondern vielleicht auch eben mit diesen so genannten Soft Skills, den eher menschlichen Eigenschaften, also soziale Kompetenz oder die Fähigkeit, Emotionen einzuordnen? Denn hoch gebildete Menschen können ja auch soziale Ekelpakete, Intelligenzriesen können menschliche Zwerge sein, die dann einem Betrieb mehr Schaden als Nutzen bringen.
Lex: Das ist genau der Ansatzpunkt unserer Stiftung. Die befasst sich damit, dass Hochbegabte nicht allein in ihrem Elfenbeinturm der eigenen Hochbegabung sitzen gelassen werden, sondern dass sie soziale Fähigkeiten entwickeln, dass sie also lernen, ihre Fähigkeiten der Hochbegabung auch der Gemeinschaft zukommen zu lassen. Die Allgemeinheit muss davon profitieren. Wenn es einer allein tut, ist die ganze Hochbegabtenförderung eigentlich umsonst.
Liminski: Wie erkennt man denn Hochbegabte? Sind das andere Menschen? Man sieht den Leuten das ja nicht an.
Lex: Das sieht man schon bei den Kindern, wenn es sich nicht gerade um Entwicklungsschübe handelt. Aber wenn das dauerhaft gemessen wird, kann man feststellen, ob ein Kind eine besonders ausgeprägte Merkfähigkeit hat, ein gutes Gedächtnis hat, komplexe Probleme schnell und gut lösen kann oder Strukturen schaffen bei der Behandlung von Spielen oder Arbeiten oder einen für das Alter ungewöhnlichen Wortschatz oder ein besonderes Ausdrucksvermögen hat. Also alle diese Dinge lassen erkennen, dass hier ein hochbegabtes Kind vorhanden ist. Die gleichen Maßstäbe können sie natürlich eben immer gemessen am allgemeinen Altersniveau an die anderen Altersklassen stellen.
Liminski: Wie kann denn die Gesellschaft, Herr Lex, von Ihrer Arbeit profitieren? Wie fördern Sie?
Lex: Wir fördern zunächst mal dadurch, dass wir die Diagnosemöglichkeiten zu erhöhen versuchen. Das heißt, wir wollen keinen verloren gehen lassen. Wir wollen, dass die Hochbegabten auch entdeckt werden und nicht irgendwo verkümmern. Sie kennen das Wort sicher vom Underachiever. Das ist also der, der in der Schule verkümmert, weil er nicht genug herausgefordert ist. Diese Talente zu erkennen und dann herauszunehmen und ihnen eine Sonderausbildung, eine Sonderförderung, Schulungen in anderen Fachrichtungen zu geben, das ist zunächst mal das Ziel der Karg-Stiftung. Das weitere Ziel ist, diese Förderung nicht solitär, sondern integrativ dem Kind zukommen zu lassen. Das heißt also, wir fördern keine Elitekaderschulen, sondern wir fördern integrative Schulen, in denen "normale" - in Anführungszeichen - Kinder zur Schule gehen und in denen auch Hochbegabte vorhanden sind. Die Förderung der Hochbegabung erfolgt durch Zusatzangebote. Man kann das an einem Beispiel festmachen: Wenn ein Kindergartenkind mittags um Zwölf müde ist und von den Eltern abgeholt wird, dann ist der Hochbegabtenteil erst richtig wach. Und die bekommen dann ihre Sonderangebote, sei es am Computer oder in Theaterstücken oder in Sprachausbildung oder in Mathematik.
Liminski: Und das geschieht schon im Kindergarten, Herr Lex?
Lex: Das geschieht schon im Kindergarten.
Liminski: Sind sie denn in den Kindergärten oder in den Schulen präsent, so dass Sie auf Entdeckungsreise gehen können?
Lex: Ja, natürlich. Wir fördern schwerpunktmäßig Kindertagesstätten in Hannover, in Nürnberg, in Augsburg, in München, in Rostock, in Dresden. Also das sind Karg-Einrichtungen, die eben mit dieser besonderen Komponente der Hochbegabtenförderung arbeiten.
Liminski: Nach welchen Kriterien suchen Sie denn die Kindergärten oder Schulen aus?
Lex: Da gibt es natürlich bestimmte fachliche Eignungen der Pädagogen. Es gehört normalerweise zu einer solchen Kindertagesstätte auch eine Diagnoseeinrichtung dazu, also eine kinderpsychologische Beratungsstelle, und es gehören geschulte Fachkräfte dazu. Die werden teilweise von den Betreibern dieser Einrichtungen selber gestellt.
Liminski: Ich erwähnte eingangs das Fachforum mit den Ministerien, das Sie veranstaltet haben. Gab es da konkrete Ergebnisse, die auch die Politik herausfordert?
Lex: Es gab in dem Sinne noch keine konkreten Ergebnisse, weil es das erste Fachforum war, das wir veranstaltet haben. Es hat aber außerordentlich guten Anklang gefunden nach unserem Eindruck. Wir sind sehr zuversichtlich, dass es das Nebeneinander der Hochbegabtenförderung, das bisher in den verschiedenen Bundesländern praktiziert wurde, auch langsam beseitigen wird. Man wird miteinander arbeiten, und man wir das Thema als gemeinschaftliches Thema und gesellschaftliches Problem auch betrachten. Damit, glaube ich, haben wir schon einen großen Erfolg. Wir wollen das auch fortsetzen, dieses Fachforum Ministerien, insbesondere deswegen, weil auch die Hochbegabtenerkennung ein Teil der allgemeinen Lehrerausbildung und Erzieherausbildung werden soll.
Liminski: Das war Peter Lex, der Vorsitzende der Karg-Stiftung zur Förderung von Hochbegabten. Danke für das normale Gespräch, Herr Lex.
Lex: Danke auch.