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Biochemie
Antikörper mit Bakterien herstellen, statt in Versuchstieren

Antikörper sind unverzichtbare Werkzeuge in der biomedizinischen Forschung und der medizinischen Diagnostik. Produziert werden Antikörper bislang im Blut von Versuchstieren, die aber die andauernden Blutentnahmen letztlich nicht überleben. Forscher aus Göttingen haben eine tierschonende Alternative entwickelt.

von Andrea Hoferichter |
Die Alpakaherde des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie.
Die Alpakaherde des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie (Swen Pförtner / Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie)
Alpakas haben nicht nur ein freundliches Wesen und flauschige Wolle, sondern, wie alle Kamele, auch ganz besondere Antikörper: einfach gestrickt und leicht zu verkleinern. Diese Eigenschaften wollen Forscher des Max-Planck-Instituts für Biophysikalische Chemie in Göttingen nutzen, um die heute gängige Antikörperproduktion in Tieren zumindest in Teilen überflüssig zu machen.
"Da kommen sie." Sarah Kimmina ist Tierärztin und die Tierschutzbeauftragte des Instituts. Sie lockt die kleine Alpakaherde mit einem Eimer voll Kraftfutter. "Das war ein Spucken."
Meistens lässt sie die Tiere nach der Extramahlzeit einfach wieder laufen. Nur ab und zu muss sie doch Hand anlegen, den Tieren eine Spritze geben oder Blut abnehmen:
"Die Tiere werden immunisiert. Das ist wie eine Impfung bei uns auch. Das heißt, der Impfstoff, das ist ein ganz kleines Volumen, das wird unter die Haut gespritzt. Wir scheren die Haut, wir betäuben sie, dann spritzen wir das, dann wird gewartet einige Wochen und dann nehmen wir unsere Blutprobe ab. Dann wird geprüft, ob entsprechende Antikörper gebildet worden sind. Und dann gibt es eine weitere Blutprobe, die entnommen wird. Und aus der werden dann die Lymphozyten isoliert. Und alles Weitere passiert dann im Labor."
Alpaka-Blut liefert Bauplan für Nano-Antikörper
Aus den Lymphozyten, also den weißen Blutkörperchen, isolieren hier Forscher um Dirk Görlich und Tino Pleiner die genetischen Baupläne der gewünschten Antikörper. Damit wiederum programmieren sie Bakterien so um, dass diese nun winzige Antikörperfragmente produzieren: sogenannte Nanoantikörper oder "Nanobodies". Die Winzlinge sollen künftig sogenannte Sekundärantikörper ersetzen, die in der Forschung und Diagnostik zum Einsatz kommen. Sekundärantikörper können in Kombination mit Fluoreszenzfarbstoffen und maßgeschneiderten Primärantikörpern, meistens aus Kaninchen oder Mäusen, Biomoleküle zum Leuchten bringen oder Gewebestrukturen, wie zum Beispiel Tumorgewebe, erklärt Dirk Görlich:
"Und diese Sekundärantikörper werden in Tieren erzeugt, normalerweise in großen Tieren, wie Ziegen, Schafen, Eseln, Pferden. Das heißt, sie werden immunisiert mit Primärantikörpern. Und ihnen werden große Mengen Blut abgenommen und aus dem Blut werden dann diese Sekundärantikörper produziert. Genaue Zahlen sind nicht dokumentiert, weil es keine Statistiken dazu gibt. Aber indirekt kann man ableiten, dass wahrscheinlich im Jahr weltweit circa Zehntausende Tiere dafür eingesetzt werden. Und das Ende eines Tieres ist dann: Normalerweise ist es ausgeblutet, wird die Produktion sozusagen nicht überleben."
Bakterienproduzierte Antikörper haben bessere Qualität
Die Antikörperfragmente hingegen, für die Alpakas Baupläne liefern, werden von Bakterien produziert – in Fermentern, wie man sie so ähnlich aus Brauereien kennt. Es müssen also keine Tiere sterben. Und die Nanobodies haben noch weitere Vorteile, sagt Dirk Görlich: Ihre Qualität ist immer gleich, sie liefern in der Fluoreszenzmikroskopie höher aufgelöste Bilder und bei der Probenvorbereitung und Analyse lässt sich eine Menge Zeit sparen.
"Bisher war es so, dass man eine Probe mehrfach inkubieren musste. Also eine erste Inkubation mit einem primären Antikörper, der das eigentliche Zielmolekül erkennt. Dann sind die Proben gewaschen worden. Dann kam man mit einem Sekundärantikörper, wieder waschen und dann konnte man die Probe erst für die Mikroskopie einsetzen. Mit unserem Verfahren können wir Primärantikörper und Nanobody gleichzeitig inkubieren. Das heißt man spart dann pro Probe ein bis zwei Stunden ein. Und das sollte dann auch die Akzeptanz für das tierfrei erzeugte Produkt hoffentlich erhöhen."
Eine Patentierung der Technologie ist gerade in Arbeit. Als Nächstes wollen die Forscher Nanobodies herstellen, die sich für den Nachweis von Antikörpern bei Virusinfektionen eignen – auch bei Tieren; Stichwort Vogelgrippe. Und sie wollen prüfen, ob sich die Nanobody-Ernten mit Hefen statt Bakterien noch steigern lassen.