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Biochemiker Alexander Kekulé
"Als Wissenschaftler muss man Masochist sein"

Alexander Kekulé ist Arzt und Biochemiker - seine naturwissenschaftliche Karriere begann jedoch mit Tee: Bei "Jugend forscht" im Jahr 1980 ging er der Wirkung des Koffeins in Tees nach. Die Erfahrung lehrte ihn einiges über den Wissenschaftsbetrieb.

Von Michael Böddeker |
    Der Arzt und Biochemiker Alexander Kekulé, im Anzug, seitliches Porträt
    Der Arzt und Biochemiker Alexander Kekulé nahm 1980 am "Jugend forscht"-Wettbewerb teil. (imago/stock&people/Müller-Stauffenberg)
    "Genau hier habe ich Chemiebücher ausgeliehen, und angefangen, 'allgemeine Chemie' zu lesen. Ich meine sogar, das steht hier irgendwo - das stand hier, und dann hab ich hinterher meine Mutter genötigt, es zu kaufen."
    "Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie" von Hans Christen - so heißt das Chemiebuch, das Alexander Kekulé schon als Kind gelesen hat. Inzwischen ist er 56 Jahre alt. Als Arzt und Biochemiker hat er immer noch mit dem Thema zu tun. Das Lehrbuch von früher kann er heute in den Regalen im Lesesaal der Bibliothek des Deutschen Museums in München aber nicht mehr finden.
    Der Bibliothekar gibt uns ein Zeichen - Ruhe bitte! In einem Nebenraum dürfen wir wieder in normaler Lautstärke sprechen. Auf dem massiven Holztisch stehen ein Kessel mit heißem Wasser und eine Auswahl von Teesorten.
    "Jetzt nehm' ich mir mal das, wo ich spontan Lust drauf hab. Das heißt hier 'English Breakfast Tea'."
    Um Tee ging es auch schon 1980 in seinem Jugend-forscht-Projekt.
    "Also, was ich damals untersucht habe, in meiner Jugend-forscht-Arbeit, vor langer, langer Zeit, war die Frage, warum kurz gezogener Tee wach macht und lang gezogener Tee beruhigt. Das hatte meine Mutter mir erzählt. Ich fand das interessant und hab dann hier im Deutschen Museum recherchiert dazu, und rausgefunden, dass zumindest in den Büchern, die es hier gibt, niemand genau wusste, warum das so ist."
    "Wissenschaft ist ein bisschen Showgeschäft"
    Also machte der damals 21-Jährige Messreihen: Wie verändert sich zum Beispiel die Menge von Koffein im Tee? Seine Hypothese: Es wird im Laufe der Zeit immer stärker zersetzt, sodass später weniger davon da ist - und deshalb wirkt der Tee weniger wachmachend.
    "Das konnte ich nur nicht wirklich beweisen, wie das Koffein abgebaut wird. Und deshalb bin ich auch nur Dritter geworden."
    Dass es nur für Platz drei gereicht hat, war zunächst eine Enttäuschung:
    "Das ist ja Knock-out-System. Das ist so ähnlich wie Dritter werden bei der Champions League oder so was. Und dadurch will man natürlich Erster sein. Aber der Erstplatzierte, der war einfach herausragend gut. Der wurde witzigerweise später dann - wie das Schicksal so spielt - in meinem Labor am Max-Planck-Institut mein Doktorand."
    Den Teebeutel vom English-Breakfast-Tea hat Alexander Kekulé inzwischen schon wieder aus der Tasse genommen.
    "Je schlechter, also je feiner pulverisiert der Tee ist, desto schneller muss man ihn rausnehmen. Den hab ich nach ungefähr einer Minute rausgenommen."
    Damals beim Wettbewerb lernte der heutige Biochemiker nicht nur etwas über Tee, sondern auch über die Wissenschaft an sich.
    "Man musste so Stände aufbauen - das ist ja das Prinzip bei Jugend forscht, dass man seine Arbeit auch präsentieren muss. Man lernt dabei etwas, was später fürs Leben viel wichtiger ist als die meisten denken: Auch Wissenschaft ist ein bisschen Showgeschäft. Das fand statt hier draußen, in den Vorräumen zur Bibliothek."
    Über Umwege ins Medizinstudium
    Schließlich lief es auf ein Biochemie-Studium hinaus, kombiniert mit Medizin. Außerdem gab es Abstecher in Richtung Philosophie - und auch Jura. Denn seinen Medizin-Platz musste er erst mal einklagen:
    "Da hab ich über 60 Gerichtsverfahren selber geführt. Das war damals so eine Methode, Kapazitätsklagen hieß das. Man nannte so Leute wie mich dann später auch 'Gerichtsmediziner', weil das die waren, die über das Gericht einen Studienplatz bekommen hatten."
    Nach dem Studium forscht Alexander Kekulé viele Jahre selbst im Labor. Seine Arbeitsgruppe findet unter anderem einen Zusammenhang zwischen dem Hepaptitis-B-Virus und der Entstehung von Leberkrebs. Um solche Forschungsergebnisse zu bekommen, braucht man eine Menge Geduld.
    "Also, als Wissenschaftler muss man meines Erachtens ein Stück weit Masochist sein. Man macht ein Experiment, und man hängt da Stunden um Stunden dran. Ich kann mich erinnern, damals hier am Max-Planck-Institut in München, wenn ich mit meinen Freunden am Freitagabend in der Kneipe war, war das wirklich der Standard, dass wir dann, so halb eins, eins, aufgebrochen sind. Die anderen sind betrunken nach Hause gefahren und ich ins Labor."
    Von der Laborarbeit zum Projektdesigner
    Mittlerweile forscht Alexander Kekulé vor allem zu Pandemien: Wie lassen sich Ausbrüche von Infektionskrankheiten verhindern? Inzwischen darf er sich dabei als Chef oft neue Konzepte ausdenken und muss nur noch selten selbst ins Labor. ''
    "Ich mach das lieber, dass ich dann einen Antrag für ein Forschungsprojekt schreibe. Da muss man es sich ja ausdenken, sozusagen wie ein Designer. Diese Ebene, wo man ja über Wissenschaft redet, aber es nicht im Labor selber macht, die finde ich inzwischen interessanter."
    Der Tee ist mittlerweile fertig. Es ist zwar nur ein Teebeutel-Tee, was Alexander Kekulé zufolge eigentlich "gar nicht geht". Aber trotzdem ist der hier wohl zumindest annehmbar.
    "Ja, den kann man tatsächlich trinken, der ist nicht schlecht."