Christiane Knoll: In Rio, als die Staatengemeinschaft 1992 zum Kampf gegen den Klimawandel blies, da schlug auch die Geburtsstunde der UN-Biodiversitätskonvention. Seit 25 Jahren tagt man nun, aus dem Artenschwund ist längst eine Aussterbekrise geworden. Vögel, Amphibien, Insekten, und da unter anderem die Bestäuber wie Bienen: Obwohl es um unsere Lebensgrundlage geht, gelingt es nicht, den Trend zu stoppen. Mit dabei in Sharm El Sheikh beim diesjährigen Biodiversitätsgipfel der Vertragsstaaten war Axel Paulsch vom Institut für Biodiversität in Regensburg, und mit ihm bin ich jetzt verbunden.
Herr Paulsch, wie geht es Ihnen nach diesem letzten Verhandlungsmarathon – frustriert?
Herr Paulsch, wie geht es Ihnen nach diesem letzten Verhandlungsmarathon – frustriert?
Axel Paulsch: Ich bin nicht frustriert, es hätte mehr rauskommen können, aber es war kein Misserfolg. Man hat für die schwierigen Themen für die Entwicklung eines neuen strategischen Plans bis 2030 für den Umgang mit genetischen Informationen und dementsprechenden Vorteilsausgleich für die Nutzung Wege gefunden, wie man weiter miteinander im Dialog bleiben will, damit man bis 2020 eine Lösung findet, mit der alle Seiten einigermaßen leben können. Ein Misserfolg wäre gewesen, wenn man im Streit auseinandergegangen wäre und keine weiteren Gespräche vereinbart hätte. Insofern bin ich nicht frustriert.
Schutzmaßnahmen für Biene, Hummel und Co
Knoll: Zu den Streitpunkten gehörten der Umgang mit digitaler Sequenzinformation, also wer darf die genetische Information nutzen, dann die marinen Schutzgebiete auf hoher See und der Schutz von Bestäubern. Lassen Sie uns damit anfangen: Was hat man da erreicht?
Paulsch: Da hat man tatsächlich was erreicht. Man hat einen Aktionsplan beschlossen, der mit der FAO, der Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen, erarbeitet wurde, dass man konkrete Maßnahmen unternehmen will, die dem Bestäuberschutz dienen: weniger Pestizideinsatz, striktere Überlegungen, ob man genveränderte Organismen einsetzt, Anbaumaßnahmen, die Bestäuber-freundlicher sind, indem man Randstreifen stehen lässt, bessere Kontrolle von Bienenvölkern und ihren Krankheiten. Also das war ein erfolgreicher Beschluss.
Knoll: Wie bewerten Sie denn diese Maßnahmen? Einschränkung von Pestizideinsatz, insektenfreundliche Anbaumethoden – in der UN-Biodiversitätskonvention selbst, das wissen viele gar nicht, ist ja schon der Ausgleich zur Ökonomie angelegt. Wird die Vorlage aus Sharm El Sheikh die Länder denn dazu bringen, jetzt Gesetze auf den Weg zu bringen, die zu einer Umkehr des Trends führen? Man kann sich ja vorstellen, dass es besser wird, aber wird das denn reichen?
Paulsch: Na ja, das Problem ist immer, dass die Umweltkonvention keinen Sanktionsmechanismus hat, sondern nur die Vertragsstaaten auffordern kann, etwas zu tun. Wenn sie das dann nicht in dem Maße tun, in dem man es erhofft hätte oder was man gerne hätte, kann man sie dazu nicht zwingen. Insofern kann man nicht sagen, dass jetzt ein Beschluss zwingend zu einem Erfolg führen wird. Aber dass man sich geeinigt hat, dass man solche Maßnahmen ergreifen will, ist natürlich ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Es hat sich ja auch gerade beim Bestäuberschutz schon eine sogenannte Coalition of the Willing, also ein Zusammenschluss derer, die besonders etwas unternehmen wollen, gebildet, zu dem Deutschland auch gehört. Insofern habe ich da sehr wohl die Hoffnung, dass da auf nationaler und internationaler Ebene wirklich was passiert, was die Situation verbessert oder zumindest eine Verschlimmerung verhindert.
Einsatz von Gene Drive – nicht ohne Risikoabschätzung
Knoll: Ein Schlagwort ist bei Ihnen auch gerade noch mal gefallen, das ist nämlich gentechnisch veränderte Organismen. Wie verlief die Diskussion zum Einsatz des Gene Drive? Sollen wir künftig mit genetisch veränderten Organismen Schädlinge oder Eindringlinge ausradieren? Vorausgesetzt, das funktioniert überhaupt, das ist ja auch noch gar nicht geklärt
Paulsch: Da war die Diskussion sehr kontrovers. Letztlich ist man aber zu einem Beschluss gekommen, der eine sehr strikte Risikoabschätzung zur Regelung vor einem solchen Einsatz von Gene Drive setzt. Das ist kein komplettes Moratorium, was sich manche gewünscht hätten, es ist aber eine strenge Regelung, sehr, sehr vorsichtig mit der Forschung daran und schon gar mit Freilandversuchen umzugehen. Und das war ein hart errungener Erfolg derer, die da vorsichtig sein wollen, gegenüber Ländern, die das gerne ausprobieren wollten und hinter denen natürlich auch Interessengruppen stehen, die mit solchen Forschungsmethoden und entsprechenden Industrien da zusammenarbeiten, um das ausprobieren zu wollen. Da haben manche Länder auch gesagt, sie wollen dafür auch nicht Versuchskaninchen sein, weil man eben schlecht abschätzen kann, was die Folgen wirklich sein würden, wenn man es einsetzt.
Knoll: Welche Länder sind das, die das ausprobieren wollten?
Paulsch: Es waren mehrere afrikanische Länder angesprochen worden, ob man bei ihnen nicht mal zum Beispiel im Kampf gegen Malaria so eine genveränderte Mücke aussetzen könnte, die dazu führen soll, dass die Mückenpopulationen dann zusammenbrechen und zum Beispiel Malaria nicht mehr so gut übertragen wird. Die haben dann aber nach reiflicher Hin-und-her-Überlegung doch gesagt, nein, wir brauchen da erst bessere Risikoabschätzungen, bevor wir so was bei uns ausprobieren lassen, selbst wenn es technisch funktionieren würde, was ja auch noch unklar ist, natürlich auch ein Weg zur Problemlösung sein könnte. Die Idee ist ja schon faszinierend, aber es ist halt so risikoreich und so schwer abzuschätzen, dass man da doch sehr vorsichtig mit bleibt.
Knoll: Was hat man erreicht bei der digitalen Sequenzinformation und was genau muss man sich darunter vorstellen?
Paulsch: Digitale Sequenzinformation ist eigentlich ein komisches Wort, aber darunter muss man sich vorstellen, dass heutige Genforschungsmethoden es erlauben, ein Gen oder eine Erbinformation aus Bauteilen nachzubauen, um den Bauplan zu haben, den kann ich mir aus dem Internet, aus einer Datenbank runterladen. Ich brauche nicht mehr den ursprünglichen Organismus – sei es eine Pflanze, sei es ein Bakterium oder ein Pilz oder was auch immer –, der dieses Erbgut irgendwann mal hatte. Man hat ja Vorteilsregelungen zum Vorteilsausgleich gemacht für diejenigen, die diesen Ursprungsorganismus mal hatten, und die sagen jetzt, ja, mit dem Bauplan aus dem Internet umgeht ihr ja diese Vorteilsregelung, und sagen, diese digitalen Informationen sollten denselben Regelungen zum Vorteilsausgleich unterliegen wie das Originalpflanzenmaterial. Und da sagen dann wiederum diejenigen, die damit forschen, das ist bürokratisch gar nicht mehr zu machen, ihr würdet unsere Forschung total behindern, das ist ein ganz wichtiges Forschungsfeld, wir müssen da einen Kompromiss finden. Und was man jetzt beschlossen hat, ist, dass man eine Expertengruppe einrichten will, die sich überlegt, wie da ein Mittelweg aussehen könnte. Diese Expertengruppe soll bis 2020, wenn man sich einen neuen Plan bis 2030 geben will, zu Ergebnissen gekommen sein, die dann in diesen Gesamtplan einfließen können. Das war eine Grundforderung der Entwicklungsländer, um überhaupt den Weg zu einem neuen strategischen Plan zuzustimmen. Das war so ein Spannungsfeld. Und dadurch, dass man jetzt diesen Prozess mit dieser Arbeitsgruppe aufgesetzt hat, kann man im Dialog bleiben und hoffen, zu einer Lösung zu kommen. Für die deutsche Forschung ändert sich momentan nichts, weil man nicht beschlossen hat, dass man die Regelungen verschärfen würde, zum jetzigen Zeitpunkt, aber die Diskussion geht weiter.
Politische Interessen blockieren die Einrichtung von Schutzgebieten
Knoll: Was war aus Ihrer Sicht das niederschmetterndste Ergebnis der Konferenz?
Paulsch: Na ja, mich ärgert es immer, obwohl man die wissenschaftlichen Erkenntnisse hat, was alles falsch läuft, zum Beispiel bei Fischbeständen und dass Meeresschutz ganz wichtig wäre. Dass das dann daran scheitert, dass nationale Interessen gegeneinanderstehen, indem man sich um Kartenmaterial streitet, das die Grundlage wäre, um Meeresschutzgebiete auszuweiten, auf denen irgendwelche Inselchen, auf denen nicht mal jemand wohnt, entweder dem einen Land oder dem anderen Land zugeschlagen werden, und man deshalb einer Konsensentscheidung für eine Einrichtung eines internationalen Meeresschutzgebietes nicht zustimmt. Da geht es nicht um die Sache, da geht es nicht darum, dass die einzelnen Länder nicht einsehen würden, dass man was für den Meeresschutz tun müsste, sondern es geht um politische Befindlichkeiten. Und das finde ich dann sehr frustrierend, weil man ja eigentlich denkt, wir treffen uns da mit 190 Ländern, um Biodiversitätsschutz voranzubringen, und nicht, um unseren politischen Hickhack untereinander auszutragen. Aber das ist leider dann doch immer wieder so.
Knoll: Das heißt, im Bereich des Meeresschutzes hat sich gar nichts getan?
Paulsch: Ja, man hat Gebiete, von denen man sagt, hier wären Schutzgebiete besonders sinnvoll, weil da Korallenriffe sind oder besonders schutzwürdige Stellen, da hat man schon wieder welche in einen Katalog trotz spezieller Schutzgebiete aufgenommen. Also man hat sich nicht geeinigt, wie man diese Schutzgebiete in internationalen Gewässern tatsächlich einrichten will und wer dafür zuständig sein soll. Das kann eigentlich nur ein internationales Gremium machen, nämlich das Internationale Seerechtsabkommen, und das wird von manchen Staaten nicht anerkannt wegen Streitigkeiten um einzelne Gebietsansprüche. Und daran scheitert es dann, solche Schutzgebiete auszuweisen, und das ist sehr schade. Und da hat sich nichts bewegt.
Knoll: Herr Paulsch, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit!
Das Interview wurde in einer leicht gekürzten Fassung ausgestrahlt.
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