Ulrich Biermann: Ein Publikumsliebling mit Festanstellung, der über ein halbes Jahrhundert deutsches Unterhaltungskino prägte - und der heute fast vergessen ist. Das hat Heike Goldbach geärgert. Willkommen zum Corso Gespräch.
Heike Goldbach: Ja, einen schönen guten Tag.
Biermann: Was hat Sie geärgert?
Goldbach: Dass er einfach - im Vergleich zu anderen - in Vergessenheit geraten ist. Also jeder kennt heutzutage Hans Albers oder Heinz Rühmann, Marlene Dietrich sowieso, aber an Willy Fritsch erinnert man sich nicht so wirklich mehr. Und das ist schade, weil er mal bekannter und zuerst ein Star war, bevor Heinz Rühmann zu Ruhm und Ehre gelangt ist.
"Ein Feuerwerk an Charme"
Biermann: Er war der Mann, der den ersten deutschen Satz im ersten deutschen Tonfilm sprach, er war der erste Action-Held, er hat den ersten Science-Fiction-Film gedreht. Was hat ihn ausgemacht?
Goldbach: Sein Charme. Deswegen heißt das Buch auch so: Ein Feuerwerk an Charme. Das ist ein Zitat von seinem Sohn Thomas Fritsch...
Biermann: ...auch Schauspieler.
Goldbach: ...auch Schauspieler, genau. In erster Linie ist er ja zum Film gekommen durch sein gutes Aussehen damals, in den 20er-Jahren. Er entsprach halt dem damals angesagten Typ und ist dann einfach in den richtigen Filmen besetzt worden. In erster Linie als Charmeur und Liebhaber, was damals halt sehr, sehr angesagt war, aber dann tatsächlich auch in zwei Fritz-Lang-Filmen, "Spione" und "Frau im Mond", wo er dann seinen Beliebtheitsgrad noch steigern konnte. Er hat einfach den Zeitgeist getroffen damals.
Biermann: Als Schauspieler nicht wirklich eine Größe, aber als Komödiant dann doch, selbst wenn man Ausschnitte sieht, in Internetportalen, im Netz, dann denkt man, wow, das kann er.
"Die Filmwissenschaft betrachtet ihn nur oberflächlich"
Goldbach: Man muss sich mit ihm auseinandersetzen, das ist richtig. Ich glaube, das tut die Filmwissenschaft nicht wirklich und darin sehe ich auch einen Teil des Problems, dass er heute so ein bisschen vergessen ist. Man sieht ihn sehr oberflächlich. Wenn man ihn beobachtet in bestimmten Rollen - und im Zuge meiner Biographie habe ich auch genauer hingeschaut, was jetzt so der normale Filmzuschauer nicht macht, also wenn man sich so Szenen in Zeitlupe anschaut zum Beispiel - da sieht man, dass er eben auch ein guter Schauspieler ist, von seiner Mimik her und eben auch ein guter Komödiant, so wie er spielt, mit den Augen, ...
Biermann: Mit dem gesamten Körper, mit dem Gefühl für Timing ...
Goldbach: Genau, richtig. Er wird heutzutage eher so als der oberflächliche Liebhaber-Typ gesehen, aber was er tatsächlich konnte damals und eben auch gespielt hat, das ist heute teilweise gar nicht mehr bekannt, muss man fairerweise sagen.
Biermann: Ein Star bei der UFA mit Festanstellung, der am Stück drehen musste, wenn es Filme gab, aber auch dann mal ein Jahr nichts machen musste und Autofahren durfte, was er sehr gern getan hat. Was hat die UFA ihm bezahlt?
UFA-Star mit Festanstellung
Goldbach: Das ging bis zu 10.000 Mark im Monat damals. Zum Vergleich: Sein Vater, der Lother Fritsch, der war ja leitender Angestellter bei Siemens und Halske damals, und der hat 500 Mark im Monat gehabt. Das kam dann schon zu einigen familiären Differenzen, weil natürlich ein Schauspieler damals in der öffentlichen Wahrnehmung so war: Der muss nicht viel tun, verdient dann so viel und jemand, der Verantwortung hat im Vergleich dann sehr viel weniger.
Biermann: Gemeinsam mit Lilian Harvey war er das Traumpaar im deutschen Tonfilm. Lilian Harvey ist in die USA emigriert, Willy Fritsch ist hier geblieben und, wie ich bei Ihnen lese, war schon sehr früh NSDAP-Mitglied.
Goldbach: Das ist leider richtig. Er ist sofort - es gab ja eine Grundsatzrede von Goebbels damals im März 1933, wo er versucht hat, den ganzen Kulturbetrieb auf die neue Linie einzuschwören und anschließend gab es Einzelgespräche mit den verschiedenen Schauspielern, Musikern und so weiter. Und im April 1933 ist Willy Fritsch tatsächlich eingetreten in die NSDAP.
"Er ist '33 wohl aus Bequemlichkeit in die NSDAP eingetreten"
Biermann: Hat ihm das geschadet nach 45?
Goldbach: Nein, eigentlich nicht. Er musste natürlich sich wie alle anderen erstmal einem Entnazifizierungsverfahren stellen und zwar sogar ziemlich krass. Das ging bis nach Bad Oeynhausen, da musste er einer Kommission gegenübertreten, die ihn auch psychologisch geprüft hat. Aber er hat dann doch ab 1947 schnell wieder Anschluss gefunden, weil er sich auch nichts zu Schulden kommen lassen hatte. Also er hatte bis 1937, also vier Jahre länger als erlaubt, noch einen jüdischen Manager gehabt, hat dem dann auch geholfen, über die dunkle Zeit hinweg. Und der hat sich dann erkenntlich gezeigt und hat Willy Fritsch entlastet nach dem Krieg. Genau so wie einige andere, Helmut Käutner und so. Einfach weil er nichts gemacht hat. Er ist eingetreten zur eigenen Absicherung, so ist meine Interpretation, weil er in den 20er Jahren festgelegt war auf bestimmte Rollen, die dann nicht dem neuen Zeitgeist entsprachen und tatsächlich zum anderen auch sehr gefördert worden ist von jüdischen Filmmitarbeitern, allen voran Erich Pommer, der große Produzent der UFA und diversen Regisseuren. Ich interpretiere es immer so: möglicherweise hat er auch Angst gehabt, dass seine Karriere vorbei ist, wenn er sich da nicht absichert.
Biermann: Aber vielleicht auch das, was Sie schreiben: Er war auch bequem.
Goldbach: Er war bequem, in der Tat. Vielleicht hat man ihn beraten und so weiter, er war de facto unpolitisch, das hat auch sein Sohn Thomas Fritsch mir bestätigt. Ich habe da natürlich auch nachgefragt, man fragt ja dann, wie kann jemand, der so sympathisch rüberkommt, so fröhlich ist, wie kann der so was machen. Klar, aus der heutigen Perspektive immer einfach zu sagen, aber er war unpolitisch und naiv, ein Stück weit. Das muss man schon so sagen.
Biermann: Eine Naivität, die auch viele seiner Rollen ausgezeichnet hat, bis in die 60er Jahre hinein, ist ja auch nach 45 weiterhin ein Star geblieben.
Nach dem Krieg ins Heimatfach gerutscht
Goldbach: Richtig, ja. Er hat sehr gute Rollen auch tatsächlich gleich gespielt nach dem Krieg. Gleich der erste Film nach dem Krieg, der war zusammen mit Hildegard Knef, Film ohne Titel, also Hildegard Knef und Hans Söhnker haben dort die Hauptrollen gespielt und Willy Fritsch war dort die erste große Nebenrolle. Dann gings auch weiter mit einem Film, den es leider nicht zu kaufen gibt, "Herrliche Zeiten", mit den Insulanern hier in Berlin zusammen. "Schatten der Nacht" war auch so ein Film Noir, den er noch gedreht hat. Dann ist er aber tatsächlich so ins Heimatfach gerutscht, möglicherweise auch mit Absicht so besetzt worden, weil das seinem Vorkriegsimage entsprach und da gings dann nach dem Krieg so weiter. Allerdings kommerziell erfolgreich, muss man sagen. Er hat halt gespielt, zum Beispiel, in "Grün ist die Heide" und das ist sogar 1980 bei der TV-Erstausstrahlung noch ein Straßenfeger gewesen, also war halt sehr populär, ob man es jetzt mag oder nicht.
Biermann: Was bleibt von Willy Fritsch. Was ist geblieben?
Goldbach: Einfach gute Filme, die es verdient haben wieder ein bisschen mehr das Licht der Welt zu erblicken. Das konzentriert sich ja immer alles so ein bisschen sehr auf die typischen 20er Jahre Filme, Metropolis wird da dann genannt, auch zu Recht, ist ein toller Film. Aber der war kommerziell tatsächlich nicht so erfolgreich. Und bei den Willy-Fritsch-Filmen, da wird dann immer Die drei von der Tankstelle genannt, aber es gibt noch sehr, sehr viel mehr darüber hinaus, und das gehört einfach wahrgenommen, würde ich sagen. Und mich wundert's tatsächlich ein bisschen und das war der Grund für das Buch.
Biermann: Nicht wundern, lesen. Heike Goldbachs Biographie "Ein Feuerwerk an Charme" über Willy Fritsch. Erschienen bei Tredition. Danke Ihnen für das Gespräch!
Goldbach: Herzlichen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.