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Biohacking

Wer sagt, dass Gentechnik eine Sache für Spezialisten ist? Für Profis mit Hightech-Laboratorien? Die Fans der Do-it-yourself-(DIY)-Biologie sind jedenfalls ganz und gar nicht dieser Ansicht: Sie wollen die Möglichkeiten dieser Technologie für sich erschließen. Um herauszufinden, was eigentlich möglich ist und welche Risiken mit den Experimenten verbunden sind, mischten sich die Wissenschaftsjournalisten Hanno Charisius, Richard Friebe und Sascha Karberg drei Jahre lang in die Szene.

Rezension: Dagmar Röhrlich |
    Eine Graswurzelbewegung ist entstanden, die sich in Küchen, Garagen oder Gemeinschaftslaboratorien der Gentechnik widmen. Sie nennen sich gerne Biohacker, und die Analogie zu den Computerhackern ist gewollt: Schließlich möchten sie die neue Disziplin der synthetischen Biologie nicht den Wissenschaftlern und der Industrie überlassen, sondern in eine Art biotechnologisches Linux umwandeln: von allen entwickelt und demokratisch kontrolliert.

    In den USA hat dieses neue Hobby die meisten Anhänger, aber auch in Europa interessieren sich mehr und mehr Menschen dafür. Wobei "meist" und "mehr" relativ sind: Derzeit sollen erst ein paar Hundert oder Tausend Begeisterte in ihrer Freizeit DNA-Codes knacken. Sie können das, weil viele der Verfahren inzwischen mit einiger Übung auch für Laien handhabbar sind und sich die wichtigsten Geräte und Chemikalien für ein paar Tausend Euro erstehen lassen. Vieles über ebay oder andere Firmen via Internet. Falls die Vorhaben einmal etwas größer ausfallen sollten, können sich die Enthusiasten im Silikon Valley, Chicago, New York oder Baltimore, in Paris, London, Manchester, Amsterdam oder Prag, selbst in Jakarta und Singapur an ein Gemeinschaftslabor wenden.

    Um herauszufinden, was eigentlich möglich ist und welche Risiken mit den Experimenten verbunden sind, mischten sich die Wissenschaftsjournalisten Hanno Charisius, Richard Friebe und Sascha Karberg drei Jahre lang in die Szene. Sie sind selbst Biologen und waren deshalb von dem Thema fasziniert. In den USA besuchte sie DIY-Laboratorien, sprachen mit führenden Biohackern und wagten schließlich den Sprung in die Praxis und richteten sich in ihrem Berliner Journalistenbüro ein eigenes, kleines Labor ein. Ihre Begegnungen und Erfahrungen mündeten in das Buch "Biohacking - Gentechnik aus der Garage".

    Darin lernt der Leser die Mitglieder einer bunten Szene kennen: Lehrer, Schüler und Studenten, Menschen, die nicht einsehen, warum sie jahrelang die Universität besuchen müssen, um ihrem Forscherdrang nachzugehen, aber auch Wissenschaftler, die den Zwängen des Wissenschaftsbetriebs entkommen wollen. Zu den unter Biohackern bekannten Persönlichkeiten gehört beispielsweise der Biochemiker John Schloendorf, der das Altern und den Krebs bekämpfen will. Oder Russell Durett, einer der Gründer von Genspace, eines Gemeinschaftslabors in New York. Dort können Interessierte für rund 100 Dollar Monatsbeitrag einfache gentechnische Experimente an Bakterien durchführen - sofern sie vom wissenschaftlichen Beirat für sicher befunden und abgesegnet worden sind.

    Dann geht es nach Berlin, wo die drei Autoren ihre eigenen Experimente durchführen wollen. Doch zunächst ist noch nicht ans Experimentieren zu denken, das sich übrigens als schwieriger und frustrierender - und dank des lockeren Schreibstils der Autoren für den Leser als amüsanter - erweisen wird als geahnt. Am Anfang steht die Beschaffung. Eigentlich gibt es in Europa Sicherheitsbestimmungen, die verhindern sollen, dass Material, mit dem sich auch Schaden anrichten lässt, unkontrolliert verkauft wird. Aber längst nicht immer greifen diese Kontrollen zuverlässig. So war es für die Journalisten manchmal schwieriger, harmlose Zutaten zu bekommen als etwa an Erbgutstücke, mit dem sich mit entsprechender krimineller Energie das tödliche Gift Rizin herstellen ließe.

    Weil in der DIY-Biologie durchaus Forscherdrang und Biowaffenproduktion aufeinander prallen können, beschäftigt sich das Buch ausführlich mit Risiken und Sicherheitsfragen. Es berichtet unter anderem von der intensiven Beziehung, die in den USA das FBI zu den Biohackern unterhält, um zwischen harmlosen Bastlern und Terroristen unterscheiden können und sich auf technologische Trends wie das Biohacking einstellen. Derzeit ist man dort der Ansicht, dass die Szene harmlos ist und die DIY-Biologen vorsichtig sind. Das FBI setzt auf Kooperation: Wer von gefährlichen Versuchen hört, solle sich sofort an sie wenden. Für amerikanische Biohacker scheint das kein Problem zu sein. Ihre europäischen Kollegen lehnen die Zusammenarbeit mit den hiesigen Behörden jedoch ab.

    "Biohacking - Gentechnik aus der Garage" ist ein spannendes Buch, das den Leser in das Thema hineinzieht: informativ, unterhaltsam, niemals reißerisch und erst recht niemals langweilig. Hanno Charisius, Richard Friebe und Sascha Karberg verweben ihre eigenen Erfahrungen und Begegnungen mit genetischem Grundwissen, der Beschreibung der Verfahren oder Hintergrundthemen wie dem "Bürger als Forscher" oder "Euro-Hacker und German Vorsicht". Dabei führen die drei keine wunderbare Welt des Biohackings vor, sondern nehmen die Bedenken ernst, die in der Gesellschaft unter anderem angesichts des nicht so guten Images der Gentechnik aufkommen. Ernsthaft setzen sie sich damit auseinander, legen so den Grundstein für eine wichtige Diskussion: Obwohl das die Biohacking-Bewegung derzeit noch in ihren Anfängen steckt, irgendwann werden die Methoden der Biotechnologie und Gentechnik so billig und einfach sein, dass sie jedermann zugänglich sind. Verbieten lassen wird sich das nicht. Die Gesellschaft wird sich diesem Phänomen stellen müssen. Auch weil darin eine Chance liegt: Wie ihre Kollegen von der Siliziumseite könnten auch Biohacker der Industrie und den Hochschulen auf die Finger schauen und auf Missstände aufmerksam machen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Schwarzen Schafe, die es überall gibt, erkannt werden, bevor sie Schaden anrichten...


    Hanno Charisius, Sascha Karberg, Richard Friebe: Biohacking. Gentechnik aus der Garage
    ISBN-13: 978-3-446-43502-5
    Hanser Verlag, 288 Seiten, 19,90 Euro