Die Vorderbeine sind mit Dornen bewehrt und zu langen Fangarmen umgeformt. Wehe, wenn Heuschrecken oder Spinnen in diese Klauen geraten.
"Wenn sie dann Beute erblickt, pendelt sie ein bisschen mit dem Kopf, um die Beute besser lokalisieren zu können. Und dann pirscht sie sich ganz langsam ran und schnappt dann schnell zu."
Catherine Linn spricht von der Tierart, mit der sie sich seit zwei Jahren intensiv beschäftigt. Die Biologin von der Universität Mainz forscht über die Europäische Gottesanbeterin. Und das quasi vor der eigenen Haustür.
Häufig ist die Art eigentlich nur im Mittelmeer-Raum. In Deutschland gab es seit dem 18. Jahrhundert lediglich Einzelfunde, zwischenzeitlich galt die Gottesanbeterin bei uns als ausgestorben.
"Es rechnet einfach niemand damit, daß dieses Tier, was man nur aus Dokumentarfilmen sonst sieht, daß es tatsächlich hier in Deutschland auch vorkommt."
Fundmeldungen gibt es inzwischen aus den meisten Bundesländern. Stabile Bestände bildet die exotische, wärmeliebende Art offenbar im Westen wie im Osten Deutschlands. In Rheinland-Pfalz, in Baden-Württemberg, in Hessen und im Saarland auf der einen Seite. In Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt andererseits.
Die Gottes- als Sonnenanbeterin
Dabei besiedelt die Gottesanbeterin fast immer trockene Wiesen. Weil sie sich dort so schön in der Sonne aalen kann.
"Wir vermuten, daß sie sich ausbreitet aufgrund des Klimawandels. Daß jetzt eben mehr für sie günstige Habitate vorhanden sind. Also, daß sie mehr trockene Habitate im Sommer vorfindet - trocken, warm und nicht verbuscht."
Ein guter Kenner der Bestände in den neuen Bundesländern ist Manfred Keller. Der Ingenieur für Medizintechnik beschäftigt sich in seiner Freizeit seit rund 15 Jahren mit der Gottesanbeterin, wie er sagt:
"Zum Beispiel haben wir einen Verbreitungsschwerpunkt an den Rändern von Tagebauen. Von ehemaligen Tagebauen oder noch aktiven Tagebauen. Zum Beispiel Nochten, der ja noch bebaggert wird. Oder Truppenübungsplätze."
1998 wurde die Gottesanbeterin in Berlin entdeckt - damals eine kleine Sensation. Keller und andere schauten daraufhin genauer hin - auch in den umliegenden Bundesländern, wo sich gerade in letzter Zeit viel tut:
"Ich habe hier 14 Fundorte, die mir bekannt sind. Davon sind sieben in 2014 entdeckt worden. In Sachsen, Sachsen-Anhalt, in Brandenburg."
Wie viele Gottesanbeterinnen in den einzelnen Beständen leben und wie viele in ganz Deutschland - das vermögen die Experten nicht zu sagen. Einfach, weil die Tiere solche Heimlichtuer sind. Man kann sie kaum von einem Grashalm unterscheiden. Außerdem leben sie nicht lange. Richtig ausgewachsen und dann sieben, acht Zentimeter lang sind die Fangschrecken erst im Spätsommer. Sobald die ersten Fröste auftreten, sterben sie aber schon wieder. Den Winter überleben nur die Ei-Gelege.
Leben im Untergrund
Man kann deshalb davon ausgehen, dass die Insekten vielfach übersehen werden und stärker verbreitet sind als angenommen, so Keller:
"Das ist unser Gefühl, wenn wir sagen: Jedes Jahr, wenn wir da waren haben wir fünf, sechs Tiere gefunden. Oder zehn Tiere. Wir wissen aber genau,dass die so gut getarnt sind. Dass man dann weiß: Da sind viel mehr Tiere vorhanden."
Deutschland wird übrigens von den Gottesanbeterinnen quasi in die Zange genommen. Das hat Catherine Linn durch genetische Analysen in Mainz festgestellt:
"Meine Studie hat eben gezeigt, dass die Populationen, die in Westdeutschland hier unten sind, von Populationen abstammen, die aus Frankreich kommen. Und oben in Ostdeutschland ist es so, dass die Populationen näher verwandt sind mit Populationen in Tschechien und Zentraleuropa. Daher vermuten wir, dass dort eine zweite Einwanderungsroute möglicherweise über das Elbetal geht."
Die Gottesanbeterin gilt übrigens nicht als gebietsfremder Eindringling. Weil sie vor der letzten Eiszeit auch schon hier vorkam. Deshalb ist die Art hierzulande geschützt. Sie ernährt sich zwar von Insekten und vertilgt auch schon mal Nützlinge wie Honigbienen. Manfred Keller aber betrachtet ihre zu erwartende, noch stärkere Ausbreitung in Deutschland nicht mit Sorge:
"Klar! Irgendwie fressen sie die anderen Insekten. Aber da, wo die vorkommen, da ist das Biotop so gut und bietet so vielen geschützten Arten auch Lebensraum."