Ihr Bauch ist gelb, ihr Rücken schwarz, sie wird bis zu einen Meter lang und bis zu drei Pfund schwer. Der Schwanz einer Plättchenseeschlange ist flach wie ein Paddel. Das hilft beim Schwimmen, sagt Harvey Lillywhite.
"Diese Schlangenart lebt im offenen Meer. Sie lässt sich gerne nahe der Wasseroberfläche treiben und jagt nach kleinen Fischen, die dort vorkommen."
Diese Lebensweise unterscheidet sie von allen anderen Meeresschlangen, die eher in Küstennähe bleiben. Und das macht sie zum idealen Studienobjekt für Harvey Lillywhite, denn der Ökologe interessiert sich dafür, ob die Behauptung stimmt, dass Seeschlangen kein Süßwasser brauchen, sondern Meerwasser trinken. Die Plättchenseeschlangen haben draußen auf dem Meer keine andere Süßwasserquelle als Regen, der sich, wenn er fällt, in Süßwasserlinsen an der Meeresoberfläche sammelt. In Trockenzeiten gibt es keine solchen Süßwasserlinsen, die Schlangen müssten dann also unter Durst leiden.
"Wir fangen die Schlangen direkt aus dem Meer. Und dann testen wir, ob sie anfangen zu trinken, wenn wir sie in einen Bottich mit Süßwasser setzen. In der Trockenzeit tun sie das sehr schnell."
Aus einem Bottich mit Salzwasser oder sehr brackigem Wasser dagegen tranken die Tiere nichts. Harvey Lillywhite und seine Studenten fingen ein ganzes Jahr hindurch immer wieder Schlangen aus dem Meer. Ihr Verhalten war eindeutig. Je mehr es vor dem Fang geregnet hatte, umso weniger durstig zeigten sich die Schlangen.
Überleben in der Trockenzeit
Die Trockenzeit vor der Küste Costa Ricas reicht von Dezember bis Mai oder Juni, also gut sechs Monate. Die Frage war nun, wie die Schlangen diese lange Zeit ohne Regen überdauern können. Um das herauszufinden, ließ er die Schlangen im Labor über Monate in Salzwasser schwimmen und untersuchte regelmäßig ihren Wasserhaushalt. Lillywhite:
"Sie verlieren nur sehr langsam Wasser. Das liegt an einer fetthaltigen, fast wasserdichten Schicht in ihrer Haut. Und zweitens tolerieren sie auch noch einen Grad an Austrocknung, der für ein Säugetier schon tödlich wäre."
Bei aller Toleranz: irgendwann brauchen auch die Schlangen wieder Wasser. Dabei hilft es ihnen, dass sie offenbar erahnen können, wann es regnet.
"Sie spüren den Regen. Ich glaube, dass sie noch während eines Schauers an die Oberfläche kommen, oder kurz danach, spätestens nach ein paar Stunden."
Regen als Segen
Wahrscheinlich können die Tiere den Salzgehalt mit ihrer Zunge messen, so finden sie Süßwasser zielsicher. Lillywhite vermutet außerdem, dass sie einen heraufziehenden Schauer schon spüren können, wenn noch kein Tropfen gefallen ist.
"Es gibt andere Schlangenarten, die offenbar wahrnehmen können, wenn sich der Luftdruck ändert, und genau das passiert ja, wenn eine Gewitterfront heranzieht."
Da sei es nur wahrscheinlich, dass auch die Plättchenseeschlange ein inneres Barometer hat. Weil die Schlagen auf Süßwasser angewiesen sind, wird auch der Klimawandel sie betreffen - mehr als bisher gedacht.
"Orte, an denen es heute saisonale Trockenzeiten gibt, werden in Zukunft noch ausgeprägtere und längere Trockenzeiten erleben. Damit verändert sich auch, wann und wo die Seeschlangen Süßwasser finden können."
Ihr Lebensraum wird sich also verschieben, womöglich auch schrumpfen. Als Nächstes will das Team aus Florida herausfinden, ob auch andere Meeresbewohner wie die Schlangen auf Süßwasser angewiesen sind, Meeresschildkröten zum Beispiel oder sogar einige Fischarten.