Die Zebrafinken im Labor von Dr. David Costantini an der Universität Glasgow hatten ein ruhiges Leben, zumindest für Versuchsfinken. Erst als die Vögel flügge waren, musste ein Teil von ihnen für einen Monat immer wieder in eine Wärmekammer. Die 38 Grad sind für die tropischen Vögel kein echtes Problem, aber ihr Kreislauf musste sich schon etwas mehr anstrengen.
"Früher hätte man gesagt, das ist schädlich, das beeinträchtigt die Entwicklung, und damit später Fitness und Fortpflanzung. Aber wenn es sich um einen milden Stress handelt, dann kann er den Körper sogar anregen, den Stoffwechsel und die Genaktivität entsprechend anzupassen. Da gibt es ein sensibles Zeitfenster, wenn der Körper noch aufgebaut wird, davon hängt alles ab."
Diese Vorbereitung muss allerdings zu den späteren Lebensbedingungen passen, wie David Costantini erstmals zeigen konnte. Seine Zebrafinken durften nach dem Ende der Wärmebehandlung erst einmal in Ruhe auswachsen. Im Alter von einem halben Jahr allerdings musste ein Teil von ihnen wieder in die Wärmekammer. Nur war der Thermostat diesmal deutlich höher eingestellt, auf 42 Grad. Drei mal drei Stunden mussten die Vögel das aushalten. Sie verloren viel Wasser und die Zellen in ihrem Körper bildeten mehr aggressive Sauerstoffverbindungen. Doch nach diesem zweiten Besuch in der Wärmekammer ließen die Forscher die Finken in Ruhe, registrierten über Jahre nur aufmerksam, wann die die einzelnen Tiere starben.
"Ihr Überleben hing von den Erfahrungen in der Jugend ab. Der frühe Wärmestress erhöhte die Lebenszeit, aber nur wenn die Vögel tatsächlich den 42 Grad ausgesetzt waren. Besonders bei den Weibchen war der Effekt auffällig, wahrscheinlich weil das Eierlegen und die Aufzucht mehr Energie als bei den Männchen verlangen."
Aktivierung von Reparaturmechanismen durch Wärmestress
Die plötzliche Hitze beeinträchtigte die Gesundheit der Tiere also deutlich – aber nur, wenn sie darauf nicht vorbereitet waren. Wie erwartet macht der frühe, wenn auch leichter Wärmestress, den Unterschied. Er löst wohl eine dauerhafte Aktivierung von Reparaturmechanismen aus. So konnte David Costantini im Blut der Vögel erhöhte Werte von Radikalfängern nachweisen, Substanzen, die Stoffwechselprodukte entgiften. Waren die Vögel so vorbereitet, konnten sie die Hitze leichter wegstecken. Diese Vorbereitung hat allerdings ihren Preis: Sie kostet selbst Energie.
"Die Vögel müssen Ressourcen investieren, um die Schutzsysteme aktiv zu haben, und wenn es dann keinen Stress gibt, ist das sinnlos."
Die Ressourcen fehlen an anderer Stelle. Deshalb verkürzte sich nicht nur die Lebenszeit von Zebrafinken, die unvorbereitet auf widrige Umstände trafen, sondern auch von Tieren, die sich auf hohe Temperaturen eingerichtet hatten, aber dann in einem milden Klima lebten. David Constatini:
Weichen für das ganze Finkenleben
"Mit dieser Studie konnten wir zum ersten mal experimentell belegen, dass die frühere Vorbereitung auf Stress ihrerseits Kosten hat. Das ist die Neuigkeit. Entscheidend ist das die Bedingungen in der Jugend und im Erwachsenenleben zueinander passen."
Der Körper der Zebrafinken orientiert sich an den Bedingungen in der Jugend und stellt dann Weichen für das ganze Leben. Bleibt alles stabil, zahlt sich diese Programmierung aus, ändert sich die Umwelt gibt es Probleme. Das gilt im Übrigen auch für den Menschen. Wenn Babys hungern müssen, verändert sich ihr Stoffwechsel so, dass sie dauerhaft jede überzählige Kalorie in Fett umwandeln. Ist später aber Nahrung im Überfluss vorhanden, ist Übergewicht programmiert.