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Biologie
Wie Kinder sprechen und Stare singen lernen

Die eigene Muttersprache zu lernen, ist eine komplexe Aufgabe, für die Ein- und Zweijährige kognitive Höchstleistungen vollbringen müssen. Viele Studien haben gezeigt, dass Kinder erst die Worte lernen und sich aus dem Kontext die einzelnen Laute ihrer Muttersprache erschließen. Nun zeigt eine Studie im Fachmagazin "Current Biology", dass Singvögel anscheinend ganz ähnlich lernen.

Von Tomma Schröder |
    Kinderstimme: "Ein Vogel wollte Hochzeit machen."
    "Wenn man schaut, wie Kinder sich Sprache aneignen, dann gibt es viele Parallelen zu der Art, wie Singvögel ihre Lieder lernen und erinnern."
    Timothy Gentner von der University of California in San Diego hat bereits in vielen verschiedenen Studien die Lieder von Staren untersucht.
    "Die Frage ist doch: Wie lernen sie es, die Elemente, aus denen ihre Worte bzw. ihre Lieder zusammengesetzt sind, voneinander zu unterscheiden?"
    Wie lernt ein Kind, dass "p" etwas anderes ist als "b"? Wie weiß der Star, dass ein Trällern etwas anderes ist als ein Knattern? Bei den Kindern geht man davon aus, dass sie erst die Wörter lernen und dabei die Verteilung der einzelnen Laute erkennen. Etwas vereinfachend ausgedrückt: Sie lernen, dass trotz ähnlichen Klangs "Haus" etwas anderes ist als "Maus". Timothy Gentner wollte nun nachprüfen, ob das bei Staren ähnlich funktioniert. Dafür formte er quasi Kunstwörter aus Starlauten, die er den Vögeln vorspielte. Entweder es folgte zwei mal ein gleicher Laut und dann zwei Mal der andere nach dem Muster AABB, also Trällern, Trällern, Knattern, Knattern, oder die Laute wechselten sich nacheinander ab, nach dem Muster ABAB.
    Von oben nach unten lernen
    Also Trällern, Knattern, Trällern, Knattern. Je nachdem, ob das vorgespielte Muster der ersten oder der zweiten Art entsprach mussten die Vögel auf einen Knopf drücken oder nicht. Erkannten sie die Muster richtig, bekamen sie Futter als Belohnung. Eine zweite Vergleichsgruppe musste diese Unterscheidung nicht machen. Sie hörten die verschiedenen Muster einfach wild durcheinander, ohne dass sie die genaue Verteilung der Träller- und Knatterlaute beachten mussten.
    "Und nachdem sie gelernt hatten, die Muster voneinander zu unterscheiden, testeten wir, wie gut sie die unterschiedlichen Laute, also das Trällern und das Knattern erkennen konnten, aus denen die Muster ja aufgebaut worden war. Und wir fanden heraus, dass diejenigen Vögel, die gelernt hatten, die Muster nach einer Regel zu unterscheiden, die Laute viel besser unterscheiden konnten, als diejenigen, die das nicht gelernt hatten."
    Spracherwerb bei Kindern ähnlich
    Ebenso wie Kinder, scheinen Stare demnach top-down, also quasi von oben nach unten zu lernen: Das heißt, erst wenn sie größere Einheiten wie ganze Wörter oder bei den Vögeln längere Klangmuster erkennen können, können sie auch die zu Grunde liegenden Laute wahrnehmen. Janet Werker von der University of British Columbia beschäftigt sich seit Langem mit dem Spracherwerb bei Kindern sieht die Studie eine interessante Erweiterung und Bestätigung des bisherigen Forschungsstandes:
    "Das ist genau die Art von Studie, die wir brauchen, um zu verstehen, wie das kontextuelle Lernen von Sprache bei Kindern vor sich geht. Nur weil Vögel auf diese Art lernen, heißt das natürlich nicht, dass Kinder das genauso machen. Aber es bestärkt uns darin anzunehmen, dass dahinter ein allgemeines Lernsystem stehen könnte, das nicht nur Kindern eigen ist."
    Doch, wenn die Stare nicht gerade im Versuchslabor sitzen und als Belohnung Futter aus merkwürdigen Klangautomaten bekommen wollen: Was haben Sie eigentlich davon, wenn Sie in freier Wildbahn Knattern von Trällern unterscheiden und zusammengesetzte Muster daraus erkennen können? Timothy Gentner:
    "Wenn man ein Starweibchen ist, ist es vorteilhaft einen älteren Star als Partner zu gewinnen. Ältere Stare machen bessere Nester, und das bringt eine ganze Reihe an Vorteilen. Wenn man sensibel für die Liedabfolge ist, kann man bestimmen, welche Männchen älter sind. Denn wenn ein Männchen älter wird, varriieren sie ihre Lieder kaum noch, sondern singen immer in der gleichen Reihenfolge. Anhand dieser Regelmäßigkeit lassen sich ältere Männchen gut identifizieren - wenn man sensibel für die Liedabfolge ist."
    Kinderstimme: "Ein Vogel wollte Hochzeit machen in dem schönen Walde. Fideralala, fideralala, fideralala-lala."