Viele Singvögel haben ein farbenprächtiges Gefieder und trällern die schönsten Melodien. Aber sie zeigen kein Verhalten, das nahe legt, dass sie gut riechen können. Und in der Tat:
"Generell ist es so, dass Vögel ein sehr kleines Riechhirn haben. Und speziell Singvögel haben ein extrem kleines Riechhirn. Und von dieser Größe hat man eben auch geschlossen, dass der Geruchssinn eigentlich keine Bedeutung haben kann."
Aber das zweifelte die Verhaltensforscherin Barbara Caspers von der Universität Bielefeld an. Sie begann damit, den Geruchssinn von Zebrafinken zu untersuchen, die an ihrem Institut gehalten werden.
"Ich bin hauptsächlich daran interessiert, inwieweit Körpergerüche dazu genutzt werden, um sozial zu kommunizieren und ich bin hauptsächlich daran interessiert, ob es wirklich Verwandtenerkennung gibt, wie ein Verwandtengeruch entsteht und welchen Nutzen das hat."
Für die Beantwortung diese Fragen setzten Barbara Caspers und ihre Kollegen junge Zebrafinken, denen die Augen verbunden waren, vor zwei Nester: Das eine, in dem die Vögel aufgewachsen waren, sowie ein fremdes Nest. Das Ergebnis: Die Jungtiere verbrachten mehr Zeit vor dem eigenen Nest.
"Das war damals der erste Hinweis, dass sie wirklich Körpergerüche, selbst produzierte Gerüche nutzen können, um eben das Nest wieder zu finden."
In einer Folgestudie wollten die Biologen dann klären, ob frisch geschlüpfte Jungtiere ihre Eltern am Geruch erkennen können.
"Bei Vögeln war das bislang nicht bekannt und nicht untersucht. Und wir haben am Tag des Schlupfes die Jungtiere genommen und denen zwei verschiedene Düfte vorgefächelt: einmal den der Mutter und eines fremden Weibchens und finden, dass diese Jungtiere eindeutig mehr vor dem Geruch der Mutter betteln. Also eindeutig erkennen sie ihre Mutter am Geruch."
Weibchen wollen Inzucht vermeiden
Auch ihren Vater können sie so wahrnehmen. Um die Gerüche zu gewinnen, wählten die Forscher eine etwas unkonventionelle Methode:
"Wir haben die Eltern in Nylonsocken gesteckt für eine halbe Stunde, damit der Nylonsocke quasi den Geruch der Eltern annimmt, natürlich Männchen und Weibchen getrennt, haben dann nach einer halben Stunde das Tier wieder frei gelassen und diesen Socken benutzt, um den Jungtieren das vorzufächeln."
Um zu klären, ob die Fähigkeit, Verwandte am Geruch zu erkennen auch für die spätere Partnerwahl von Bedeutung ist, folgte ein weiterer Versuch. Die Forscher teilten ihre Zebrafinken-Weibchen zur Paarungszeit in zwei Gruppen: Die Weibchen der einen konnten normal riechen, in der anderen blockierten die Biologen den Geruchssinn der Weibchen für die Dauer des Experiments durch eine Nasenspülung mit einer Zinksulfat-Lösung. Die Weibchen beider Gruppen wurden dann einzeln mit je einem Bruder und einem nicht verwandten Männchen in einen Käfig gesetzt.
"Was wir eben zeigen konnten, ist, dass in der Gruppe, in der die Weibchen nicht mehr riechen können, sie sich ganz normal reproduzieren. Sie wählen ein Männchen, legen Eier und ziehen ihre Jungtiere auf. In der anderen Gruppe allerdings, wo die Weibchen in der Lage sind zu riechen, legen viel weniger Weibchen überhaupt Eier, und die Weibchen, die Eier legen, legen auch noch weniger Eier."
Barbara Caspers hat dafür eine mögliche Erklärung: Die Weibchen, die im Versuch ihren Geruchssinn einsetzen können, wollen Inzucht vermeiden. Sie riechen die Anwesenheit des Bruders im Käfig, können aber nicht zuordnen, welches der beiden Männchen der Bruder und welches der nicht verwandte Artgenosse ist. Deshalb verpaaren sie sich nicht oder nur selten. Eine Versuchssituation, die zeigt, dass bei Zebrafinken der Geruch von Verwandten das Paarungsverhalten beeinflussen kann.
Im Freiland in Australien allerdings, so Barbara Caspers, könnten paarungswillige Weibchen, anders als im Versuchskäfig, ihren Brüdern gut ausweichen, sollten diese zu aufdringlich werden.
Selbst wenn bei der Partnerwahl in erster Linie das Aussehen und der Gesang die wichtigste Rolle spielen, könnte es aber auch in freier Natur vorkommen, dass sich Zebrafinken-Weibchen von ihrer Nase leiten lassen.