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Sitzung des UNO-Sicherheitsrates
Angebliche Biowaffen in der Ukraine - was hinter der russischen Behauptung steckt

Der UNO-Sicherheitsrat hat sich auf Antrag Russlands mit angeblichen Biowaffen befasst, die von den USA in der Ukraine hergestellt würden. Ein UNO-Sprecher betonte, dass es dafür keine Belege gibt. Westliche Politiker sind besorgt: Moskau könnte mit inszenierten Unterstellungen den Weg bereiten, selbst Chemiewaffen in der Ukraine einzusetzen.

    Der Mann mit weißem Schutzanzug und Gasmaske holt einen blauen Behälter aus einer Kiste mit Kampfstoff-Warnhinweisen. (Symbolbild)
    Der Mann mit weißem Schutzanzug und Gasmaske holt einen blauen Behälter aus einer Kiste mit Kampfstoff-Warnhinweisen. (Symbolbild) (Philipp Schulze / dpa)
    Die Vorzeichen vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrates waren klar: „Die russische Vertretung hat um ein Treffen des Sicherheitsrates für den 11. März gebeten, um die militärisch-biologischen Aktivitäten der USA auf dem Territorium der Ukraine zu erörtern“, schrieb der stellvertretende russische UN-Botschafter Dmitri Poljanski auf Twitter. Der Mann, der nach Auskunft seiner Twitter-Biographie „Lügen und Fake-News hasst“, setzt damit ein Moskauer Narrativ fort, das seit einiger Zeit als eine weitere Begründung für den Angriff auf die Ukraine herangezogen wird: In der Ukraine gebe es ein Netzwerk von Bio-Laboren, die im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums an der Herstellung von Massenvernichtungswaffen arbeiteten.

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    Dieser Vorwurf wird allgemein als konstruiert angesehen. Internationale Faktenchecker haben die russischen Behauptungen widerlegt, auch die UNO weiß nach eigener Aussage nichts über geheime Biolabore. UN-Sprecher Stephane Dujarric sagte in New York, der Weltgesundheitsorganisation seien „keine Aktivitäten der ukrainischen Regierung bekannt, die ihren internationalen Vertragsverpflichtungen widersprechen, einschließlich chemischer oder biologischer Waffen“. Die Sprecherin von US-Präsident Biden, Jen Psaki, bezeichnete die Vorwürfe auf Twitter als „absurd“. Auch der ukrainische Präsident Selenskyj wies die Behauptungen zurück.
    Wie die Sitzung des UNO-Sicherheitsrates lief, können Sie hier nachhören

    „Ein beunruhigendes Signal“

    Die Russland-Expertin Hanna Notte vom James Martin Center for Nonproliferation Studies in Kalifornien äußerte sich im Deutschlandfunk besorgt über die jüngsten Entwicklungen. „Es ist für mich ein sehr beunruhigendes Signal, dass sich auf der russischen Seite das Narrativ verfestigt, dass von der Ukraine eine Bedrohung mit Massenvernichtungswaffen ausgeht.“ Das Gerücht der Konstruktion einer „schmutzigen Atombombe“, die angeblich in der Atomruine Tschernobyl hergestellt werde, werde ebenso ohne stichhaltige Beweise in die Welt gesetzt wie die Verwendung von Bio- und Chemiewaffen. „Man will damit auch gegenüber der russischen Gesellschaft die Wahrnehmung verhärten, dass von der Ukraine eine wirkliche Gefahr ausgeht, um dann eine eigene militärische Eskalation zu rechtfertigen“, sagte Notten.
    Die Sprecherin von US-Präsident Biden, Psaki, schrieb dazu: „Das ist die Art von Desinformationsoperationen, die wir im Laufe der Jahre wiederholt von den Russen in der Ukraine und in anderen Ländern gesehen haben.“

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    Ähnlich äußerte sich auch der britische Premierminister Johnson. „Die Dinge, die man über chemische Waffen hört, stammen exakt aus Russlands Drehbuch“, sagte er in einem Interview mit Sky News. „Sie beginnen, indem sie sagen, dass ihre Gegner oder die Amerikaner chemische Waffen lagern“, sagte Johnson über die russische Führung. „Und wenn sie dann selbst chemische Waffen einsetzen, haben sie schon eine Art „Maskirovka“, eine Fake-Geschichte, bereit.“
    Konstruierte Vorwürfe zur Rechtfertigung eigener Militäroperationen sind allerdings keine dezidiert russische Erfindung. Im Jahr 2003 warf etwa US-Außenminister Colin Powell im UN-Sicherheitsrat dem Irak den Besitz von Massenvernichtungswaffen vor, um die kurze Zeit später erfolgte US-Intervention zu rechtfertigen. Powell entschuldigte sich später für die in der Rede verbreiteten Lügen. Einen Chemiewaffeneinsatz durch die USA gab es im Irakkrieg allerdings nicht.
    US-Außenminister Colin Powell präsentiert am 5.2.2003 vor dem Weltsicherheitsrat in New York ein Röhrchen mit weißem Pulver, das angeblich Antrax-Erreger enthält.
    US-Außenminister Colin Powell präsentiert am 5.2.2003 vor dem Weltsicherheitsrat in New York ein Röhrchen mit weißem Pulver, das angeblich Antrax-Erreger enthält. (picture alliance / dpa / Tim Clary)

    Was sind chemische Waffen?

    Chemische Waffen zählen zu den Massenvernichtungswaffen. Früher wurde auch die Formulierung ABC-Waffen verwendet (Atomar, Biologisch und Chemisch), inzwischen wird die Bezeichnung CBRN genutzt (Chemisch, Biologisch, Radiologisch und Nuklear). Per Definition versteht man unter einer chemischen Waffe toxisch wirkende Substanzen oder Gemische in Verbindung mit einer notwendigen Waffentechnik zur Ausbringung (zum Beispiel Granaten oder Sprühvorrichtungen).
    Nach dem Ende des Kalten Krieges kam es zu zahlreichen Abrüstungsverhandlungen zwischen westlichen Staaten und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. 1997 trat die Chemiewaffenkonvention der Vereinten Nationen in Kraft, die Entwicklung, Herstellung, Besitz, Weitergabe und Einsatz chemischer Waffen verbietet. Wie nahezu alle Staaten der Welt haben Russland, die Ukraine und die USA die Konvention unterzeichnet und ratifiziert.
    Hören Sie hier auch einen Beitrag zum Thema aus der Sendung "Forschung Aktuell".