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Biomasse
Koalitionsklauseln zur Energie vom Acker

Die Energiegewinnung durch Biomasse - insbesondere durch Mais - steht in der Kritik. Die Branche zeigt sich deshalb mit dem neuen Koalitionsvertrag zufrieden. Umweltschützer bewerten die Klauseln aber durchaus anders.

Von Verena Kemna |
    Der Biogasrat ist die Interessenvertretung führender Unternehmen, die sich auf die Verwertung von Biomasse spezialisiert haben. Nicht zuletzt die Kritik vor einer sogenannten Vermaisung der Landschaft, also vor dem Anbau von Energiepflanzen in Monokulturen, hat am Image der Branche gekratzt. Ein Verbot, Energiepflanzen anzubauen, um damit Biogas zu erzeugen, hätte 40.000 Arbeitsplätze in der Branche gefährdet, sagt Biogasrat Geschäftsführer Reinhard Schultz.
    "Also ich bin gegenüber der Ausgangslage, dass der bisherige Umweltminister Altmaier noch im Februar erklärt hat, es gibt keinen Zubau von Biomasseanlagen mehr, was ja auch in dem Entwurf des Koalitionsvertrags drin war, dem gegenüber ausgesprochen entspannt."
    Die Seite 54 des Koalitionsvertrags kennt Reinhard Schultz auswendig. Er ist erleichtert. Statt den Zubau von Biomasse ganz zu verbieten, heißt es dort sinngemäß, dass Biomasse künftig überwiegend aus Abfall- und Reststoffen gewonnen werden soll. Auch von Naturschutz sowie einem sinnvollen Beitrag zur Reduzierung von CO2-Emissionen ist ausdrücklich die Rede.
    "Wir wollen nachhaltige Nutzung, wir wollen nicht auf Teufel komm raus eine Vermaisung der Landschaft. Wenn Mais das Problem ist, das lösen wir locker."
    Erst im vergangenen Jahr haben Naturforscher der Nationalakademie Leopoldina in einer groß angelegten Studie vor den ökologischen Gefahren der Biomasseerzeugung gewarnt. Photovoltaik, Solarthermie und Windenergie hätten eine viel bessere Flächeneffizienz als Biomasse. Die Wissenschaftler kommen gar zu dem Schluss, dass die Verfügbarkeit von Biomasse in Deutschland sehr gering sei und deswegen gar keinen wesentlichen Beitrag zur Energiewende liefern könne. Reinhard Schulz sieht dagegen gerade bei der Verwertung von Rest- und Abfallstoffen ein Potenzial von acht Milliarden Kubikmeter Biomethan. Vorausgesetzt seien eine entsprechende Vergütung über das Erneuerbare Energien Gesetz und mindestens fünf Jahre Zeit für einen Richtungswechsel.
    "Das bedarf sehr vieler Absprachen, wir müssen die Entsorgungswirtschaft, die kommunalen Müllabfuhren mit an Bord kriegen und das passiert ja nicht auf Knopfdruck, sondern das braucht seine Zeit."
    Alternativen zum viel gescholtenen Energiemais könnten neu gezüchtete Energiepflanzen und blühende Wildpflanzen sein. Auch die Möglichkeiten einer Direktvermarktung sowie die Vergütung nach dem Erneuerbare Energien Gesetz wird in den nächsten Wochen Heerscharen von Anwälten beschäftigen. Sie werden im Sinne der Biogasbranche Gesetzestexte erarbeiten und der Bundesregierung vorlegen. Florian Schöne, Agrarexperte des Naturschutzbund Deutschland, beurteilt den Koalitionsvertrag so.
    "Die Botschaft ist klar. Wir können über das EEG diese Anbaumasse nicht mehr so fördern, dass sie wirklich auskömmlich ist für die Anlagenbetreiber in Zukunft. Und damit ist es ein klarer Kursschwenk, weg von diesen klassischen Intensivkulturen, hin zu dem, was ohnehin anfällt über die Reststoffe und den Abfallbereich."
    Ein gutes Beispiel sei die Gülle. Derzeit würden etwa 15 Prozent des gesamten Gülleaufkommens in Deutschland in Biogasanlagen verstromt. Dort sieht Florian Schöne Ausbaupotenziale, nicht aber für den Anbau von Biomasse. Auf dem Acker angebaut sei etwa Mais als Energiepflanze ohnehin viel zu teuer.
    "Bei den Maispreisen orientieren sich an den Getreidepreisen am Weltmarkt und dessen Tendenz kennt eigentlich nur eine Richtung und die geht nach oben."
    Florian Schöne vom Naturschutzbund Deutschland bilanziert den Koalitionsvertrag in Sachen Biomasse positiv.
    "Ja, auf jeden Fall. Ich halte es sogar für alternativlos, auszusteigen aus der intensiven Anbaubiomasse, weil die Umwelt- und Klimaschäden, zunehmend problematisch sind."