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Biometrie
Mobiltelefon erkennt Besitzer am Gang

Menschen am Gang erkennen - das sollte auch ein Smartphone können. Die nötigen Sensoren sind an Bord. Mit ein wenig künstlicher Intelligenz wäre auch die Eingabe der PIN überflüssig, weil das Handy weiß, mit wem es gerade geht. Diese Idee aus dem Jahr 2010 hat sich bekanntlich nicht durchgesetzt -, aber warum eigentlich nicht?

Von Ralf Krauter |
    Ein Fußgänger mit Telefon und Einkaufstüte geht an einer Werbe-Eistüte vorbei
    Smartphones könnten ihre Besitzer am Gang erkennen. (imago / Steinach)
    Im September 2010 stellte die junge Mathematikerin Claudia Nickel auf einer Fachtagung für Biometrie in Darmstadt eine Idee vor, die eigentlich das Zeug hatte, das Leben von Millionen Handynutzern zu erleichtern.
    "Das Ziel ist, dass man eine Applikation hat, die eine alternative Authentisierung zur PIN bietet. PIN muss ich eingeben, das ist nicht schön, das kostet Zeit, ich muss nachdenken, da habe ich vielleicht keine Lust zu."
    Umfragen zufolge nutzte 2010 nicht mal jeder fünfte Mobiltelefonbesitzer eine PIN, um sicherzustellen, dass kein Unbefugter sein Gerät aus dem Schlafmodus wecken kann. Diese geringe Akzeptanz fanden Fachleute wie Christoph Busch, Biometrieexperte am Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung und Professor an der Hochschule Darmstadt, alarmierend:
    "Das ist natürlich ein kapitaler Fehler, wenn man's aus der Sicht der Unternehmen und Institutionen sieht, die wissen, dass diese Geräte natürlich auch vertrauenswürdige und schützenswerte Daten beinhalten. Deshalb war das auch die Motivation für uns, da an Mechanismen zu forschen, die das komfortabler gestalten."
    Vielleicht, so dachte sich Christoph Busch damals, ließe sich der rechtmäßige Benutzer ja an seinem charakteristischen Gang erkennen. Also machte sich die Doktorandin Claudia Nickel daran, die Beschleunigungsmessfühler anzuzapfen, die heute in jedem Smartphone stecken:
    "Die Gang-Authentisierung, das ist das Schöne: Ich habe keinen Aufwand. Ich laufe eh häufig, wenn ich durch die Stadt gehe, einfach mit dem Handy in der Tasche rum. Während dieser Zeit kann der Gang aufgenommen werden - und ich kann so über meinen Gang direkt authentisiert werden. Dass das geht, hat man ja schon bei der kamerabasierten Gangerkennung erkannt. Das funktioniert schon recht gut. Von daher weiß man auch, dass der Gang schon sehr typisch ist. Man selber erkennt ja auch Leute, die man kennt, teilweise schon am Gang aus großer Entfernung."
    Die Erkennung funktioniert
    Versuchsreihen, bei denen Probanden mit Handys unter anderem durch Flure gehen, Treppen steigen und im Gras laufen mussten, belegten seinerzeit: Die Signale der der Beschleunigungsfühler im Mobiltelefon erlauben es tatsächlich, den Nutzer zu identifizieren - nachdem sein Gangmuster vorher zu Referenzzwecken analysiert wurde. Gangerkennung statt PIN. In eineinhalb Jahren, glaubten die Fraunhofer-Forscher im September 2010, könnte eine entsprechende App für Handys mit dem Betriebssystem Android marktreif sein. Doch aus dem erhofften Verkaufsstart 2012 wurde nichts. So ein biometrisches Zusatzprogramm gibt es bis heute nirgends zu kaufen. Und das, obwohl es gelang, die anfänglich hohe Fehlerrate von über 20 Prozent deutlich zu drücken. Mittlerweile liege die sogenannte Gleichfehlerrate bei sechs Prozent, sagt Christoph Busch.
    "Ich ziehe das aus der Tasche. Und in sechs Prozent der Fälle hat mein Gangmuster das Handy nicht automatisch freigeschaltet. Dann müsste ich also nur noch in sechs Prozent der Fälle die PIN eingeben. Und in 94 Prozent der Fälle kann ich direkt loslegen, ohne dann noch eine Zusatzinteraktion zu haben."
    Der Komfortgewinn wäre also durchaus beträchtlich. Dennoch hat bislang kein Handyhersteller oder Mobilfunkbetreiber angebissen. Seit 2011 habe er zwar immer wieder Kontakt zu interessierten Firmen gehabt, betont Christoph Busch. Geld in die Hand nehmen, um die Idee zur Marktreife zu entwickeln, wollte bislang aber keine. Und ohne Drittmittel für ein Projekt kann der Informatiker die Sache nicht weiter vorantreiben. Zumal die ehemalige Doktorandin Claudia Nickel, die bei dem Projekt federführend war, die Arbeitsgruppe nach der Promotion verlassen hat und heute für einen großen deutschen Autohersteller arbeitet. Busch erklärt:
    "Stand heute ist: Ich warte noch auf den Hersteller, der das wirklich in sein Programm aufnimmt. Es gibt da Gespräche. Die sind noch nicht zum Abschluss gekommen. Es gibt jetzt interessanterweise auch aus USA viele Anfragen zu dem Thema. Es gibt aus Skandinavien viele Anfragen dazu. Ich bin da zuversichtlich, dass es eine solche App geben wird."
    Biometrie verspricht mehr Sicherheit
    Gute Gründe für einen biometrischen Zugangsschutz gäbe es zweifellos. Laut Polizeistatistik wurden 2013 allein in Deutschland 236.550 Mobiltelefone als gestohlen gemeldet. Tendenz steigend. Der Vorteil der Gangerkennung besteht darin, dass die Sensoren dafür sowieso schon in jedem Smartphone stecken. Der zusätzliche Aufwand beschränkt sich also auf Programmierung und Vertrieb der passenden App.
    Dass die Mobilfunkfirmen ihn trotzdem scheuen, könnte auch daran liegen, dass Fingerabdruckscanner auf dem Vormarsch sind. 2013 kamen die ersten Handys damit auf den Markt. Um sie zu entsperren, genügt es, einen Finger aufs Display zu legen. Auch das funktioniert einfach und komfortabel - und wird von Usern viel häufiger genutzt als eine Zugriffsperre per PIN.
    Christoph Busch glaubt aber nicht, dass sich die tolle Idee mit der Gangerkennung damit erledigt hat. Da Handys künftig wohl immer öfter zum Bezahlen und als Ausweis eingesetzt werden, empfiehlt sich aus Sicherheitsgründen nämlich ein Mix verschiedener biometrischer Verfahren, so Busch:
    "Also ich persönlich glaube, dass wir es sehen werden, dass die Gangerkennung, die Sprechererkennung, die Augenerkennung noch in die Betriebssysteme der Smartphones mit reinkommt."