Am Mainzer Hauptbahnhof endete im Januar 2007 ein viel beachteter Feldversuch. Um die Chancen der biometrischen Gesichtserkennung (PDF-Dokument) auszuloten, waren an einer Rolltreppe verschiedene Kamerasysteme installiert worden. Ihre Aufgabe: Im Strom von täglich 20 000 Passanten automatisch 200 Probanden zu identifizieren. Das Bundeskriminalamt wollte herausfinden, ob sich Verdächtige, von denen Fahndungsfotos existieren, en passant entdecken ließen. Eine knifflige Aufgabe, erklärt der Biometrie-Experte Volker Blanz von der Universität Siegen.
"Wenn wir Personen im Vorbeigehen beobachten oder erkennen wollen, zum Beispiel am Flughafen oder am Bahnhof, da ist die Schwierigkeit, dass die Pose, die wir haben, nicht frontal ist. Wir müssen die Person von der Seite erkennen können. Wir müssen gleichzeitig verschiedene Beleuchtungssituationen bearbeiten können. Und wir müssen damit umgehen können, dass wir Gesichtsausdrücke haben, die nicht neutral sind. Dass die Person gerade spricht oder lächelt oder lacht und dadurch auch noch einmal die Erscheinung des Gesichts massiv verändert wird."
Entsprechend durchwachsen waren die Ergebnisse in Mainz. Laut BKA-Abschlussbericht (PDF-Dokument) erkannte selbst das beste Kamerasystem am Tag nur sieben von zehn Probanden - und nachts nicht einmal jeden Dritten. Volker Blanz tüftelt seit Jahren daran, die Trefferquote der Fotofahndung zu erhöhen. Die Hoffnung, 3D-Kameras, die neben Bildern auch Tiefeninformation liefern, könnten dabei helfen, habe sich nur teils erfüllt, sagt er.
"Der Nachteil bei den 3D-Scannern ist, darüber hat man sich so ein bisschen getäuscht, dass man viele Lücken in den Daten hat, dass es Schattierungseffekte gibt. Man hat oft auch Strukturen im Scan, die fehlerhaft sind, zum Beispiel an den Augen bekommt man Messfehler. Und mit diesen Dingen muss man erst einmal umgehen."
Der Professor für Medieninformatik verfolgt deshalb einen anderen Ansatz. Sein Ausgangspunkt: Fotos von Hunderten ganz gewöhnlicher Gesichter. Mit einem Computerprogramm kann er aus diesem Rohmaterial jedes beliebige andere Gesicht zusammen mischen. Für den Schritt in die dritte Dimension nutzt der Rechner dann anatomisches Hintergrundwissen: Kleiner Augenabstand bedeutet schmale Nase und so. Mit ein paar Mausklicks kann Volker Blanz auf diese Weise täuschend echte 3D-Porträts von Mister Bean oder George Clooney auf den Monitor zaubern und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Ein Foto als Vorlage genügt.
"Aus dem Mischungsverhältnis der prozentualen Anteile, wie viele unserer Beispielgesichter zu einem Resultat beigetragen haben, können wir dann so etwas wie einen Fingerabdruck ableiten, mit dem wir Personen wiedererkennen können."
Will heißen: Wenn Mr. Bean eine Überwachungskamera passiert, könnte das System ihn eindeutig identifizieren. Und zwar auch, wenn er im Zwielicht steht, eine Grimasse schneidet oder schräg an der Kamera vorbeischaut. Blanz:
"Das ist auch die große Stärke dieses Verfahrens, dass wir Gesichter eben bei sehr unterschiedlichen Beleuchtungsbedingungen und Posen wiedererkennen können, weil im Prinzip das Mischungsverhältnis der Beispielgesichter immer dasselbe bleibt."
Die Erkennungsrate beim Test in Mainz hätte damit wohl deutlich höher gelegen. Mit zwei Minuten Rechenzeit pro Bild taugt das Verfahren derzeit aber noch nicht für Echtzeit-Anwendungen. Verfeinerte Hard- und Software könnte das künftig ändern. Unrealistische Erwartungen dämpft Volker Blanz aber lieber.
"Die Erwartung, dass man ein perfektes System hat, das wie mit einer Passkontrolle zuverlässig alle Personen entdeckt, das ist natürlich utopisch."
Die Frage, wohin all das einmal führen könnte, macht dem Physiker trotzdem Sorgen. Sein Alptraum wäre eine Kamerasystem, dem ein Schnappschuss genügt, um auf Knopfdruck die Namen aller Teilnehmer einer Demonstration zu ermitteln. Zum Glück sagt er, sei so etwas frühestens in fünf bis zehn Jahren machbar. Zeit, die genutzt werden sollte, um die Risiken und Nebenwirkungen der Biometrie-Scanner zu diskutieren, meint Volker Blanz. Professor Regina Ammicht-Quinn vom Zentrum für Ethik in den Wissenschaften an der Universität Tübingen sieht das genauso.
"Problematisch bleibt zum einen die Unschuldsvermutung. Ein solches System prüft ja jeden Menschen verdachtsunabhängig auf seine Schuld oder Unschuld. Problematisch bleiben wie in fast jeder Sicherheitstechnik die Missbrauchsgefahren. Dann stellen sich Fragen wie zum Beispiel: Ab welchem kriminellen Grad werden denn solche Systeme eingesetzt – und wer bestimmt das? Es muss eben sicher sein, dass nicht dann nach Schulschwänzern gefahndet wird."
Zur Themenübersicht "Schutz durch Technik"
"Wenn wir Personen im Vorbeigehen beobachten oder erkennen wollen, zum Beispiel am Flughafen oder am Bahnhof, da ist die Schwierigkeit, dass die Pose, die wir haben, nicht frontal ist. Wir müssen die Person von der Seite erkennen können. Wir müssen gleichzeitig verschiedene Beleuchtungssituationen bearbeiten können. Und wir müssen damit umgehen können, dass wir Gesichtsausdrücke haben, die nicht neutral sind. Dass die Person gerade spricht oder lächelt oder lacht und dadurch auch noch einmal die Erscheinung des Gesichts massiv verändert wird."
Entsprechend durchwachsen waren die Ergebnisse in Mainz. Laut BKA-Abschlussbericht (PDF-Dokument) erkannte selbst das beste Kamerasystem am Tag nur sieben von zehn Probanden - und nachts nicht einmal jeden Dritten. Volker Blanz tüftelt seit Jahren daran, die Trefferquote der Fotofahndung zu erhöhen. Die Hoffnung, 3D-Kameras, die neben Bildern auch Tiefeninformation liefern, könnten dabei helfen, habe sich nur teils erfüllt, sagt er.
"Der Nachteil bei den 3D-Scannern ist, darüber hat man sich so ein bisschen getäuscht, dass man viele Lücken in den Daten hat, dass es Schattierungseffekte gibt. Man hat oft auch Strukturen im Scan, die fehlerhaft sind, zum Beispiel an den Augen bekommt man Messfehler. Und mit diesen Dingen muss man erst einmal umgehen."
Der Professor für Medieninformatik verfolgt deshalb einen anderen Ansatz. Sein Ausgangspunkt: Fotos von Hunderten ganz gewöhnlicher Gesichter. Mit einem Computerprogramm kann er aus diesem Rohmaterial jedes beliebige andere Gesicht zusammen mischen. Für den Schritt in die dritte Dimension nutzt der Rechner dann anatomisches Hintergrundwissen: Kleiner Augenabstand bedeutet schmale Nase und so. Mit ein paar Mausklicks kann Volker Blanz auf diese Weise täuschend echte 3D-Porträts von Mister Bean oder George Clooney auf den Monitor zaubern und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Ein Foto als Vorlage genügt.
"Aus dem Mischungsverhältnis der prozentualen Anteile, wie viele unserer Beispielgesichter zu einem Resultat beigetragen haben, können wir dann so etwas wie einen Fingerabdruck ableiten, mit dem wir Personen wiedererkennen können."
Will heißen: Wenn Mr. Bean eine Überwachungskamera passiert, könnte das System ihn eindeutig identifizieren. Und zwar auch, wenn er im Zwielicht steht, eine Grimasse schneidet oder schräg an der Kamera vorbeischaut. Blanz:
"Das ist auch die große Stärke dieses Verfahrens, dass wir Gesichter eben bei sehr unterschiedlichen Beleuchtungsbedingungen und Posen wiedererkennen können, weil im Prinzip das Mischungsverhältnis der Beispielgesichter immer dasselbe bleibt."
Die Erkennungsrate beim Test in Mainz hätte damit wohl deutlich höher gelegen. Mit zwei Minuten Rechenzeit pro Bild taugt das Verfahren derzeit aber noch nicht für Echtzeit-Anwendungen. Verfeinerte Hard- und Software könnte das künftig ändern. Unrealistische Erwartungen dämpft Volker Blanz aber lieber.
"Die Erwartung, dass man ein perfektes System hat, das wie mit einer Passkontrolle zuverlässig alle Personen entdeckt, das ist natürlich utopisch."
Die Frage, wohin all das einmal führen könnte, macht dem Physiker trotzdem Sorgen. Sein Alptraum wäre eine Kamerasystem, dem ein Schnappschuss genügt, um auf Knopfdruck die Namen aller Teilnehmer einer Demonstration zu ermitteln. Zum Glück sagt er, sei so etwas frühestens in fünf bis zehn Jahren machbar. Zeit, die genutzt werden sollte, um die Risiken und Nebenwirkungen der Biometrie-Scanner zu diskutieren, meint Volker Blanz. Professor Regina Ammicht-Quinn vom Zentrum für Ethik in den Wissenschaften an der Universität Tübingen sieht das genauso.
"Problematisch bleibt zum einen die Unschuldsvermutung. Ein solches System prüft ja jeden Menschen verdachtsunabhängig auf seine Schuld oder Unschuld. Problematisch bleiben wie in fast jeder Sicherheitstechnik die Missbrauchsgefahren. Dann stellen sich Fragen wie zum Beispiel: Ab welchem kriminellen Grad werden denn solche Systeme eingesetzt – und wer bestimmt das? Es muss eben sicher sein, dass nicht dann nach Schulschwänzern gefahndet wird."
Zur Themenübersicht "Schutz durch Technik"