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Bionischer Dübel
Verankerung nach dem Vorbild der Zikade

2010 ging der International Bionic Award des Vereins Deutscher Ingenieure an zwei Jungforscher der Hochschule Bremen: Für einen bionischen Dübel, der sich wie eine Zikade in einer Öffnung festkrallt. In unserer Serie "Tolle Idee" gehen wir der Frage nach, inwieweit sich das Patent bewährt hat und ob man es heute in jedem Baumarkt kaufen kann.

Von Frank Grotelüschen |
    Modell eines mithilfe der Bionik generierten Dübels (oder Befestigungssystems). Der Grundkörper ist grün eingefärbt, die vom Vorbild Zikade abstrahierten Seitenarme sind rot hervorgehoben
    Modell eines mithilfe der Bionik generierten Dübels (oder Befestigungssystems). Der Grundkörper ist grün eingefärbt, die vom Vorbild Zikade abstrahierten Seitenarme sind rot hervorgehoben (Die Bioniker)
    Flugs ein Loch gebohrt, Dübel rein, Schraube festgedreht, hält. So einfach kann das mit dem Dübeln sein - vorausgesetzt, man hat es mit einer festen Wand zu tun. Deutlich kniffliger wird es, will man etwas an einem weichen, nachgiebigen Material befestigen, an eine Gipswand etwa oder an einer Wärmedämm-Fassade.
    "Problem bei diesen Wärmedämm-Verbundsystemen ist, dass man entweder Wärmebrücken schafft, weil man durch die Dämmung durchbohrt und sich im Mauerwerk verankert", sagt Felix Förster, einer der Geschäftsführer von "Die Bioniker", einem noch jungen Ingenieurbüro mit Sitz in Bremen und Leipzig. "Oder es gibt Kunststoff-Spiraldübel, die man einfach nur in die Dämmung dreht. Aber da kann man dann nicht sonderlich viel dranhängen."
    Um das Patent zu verbessern, nahmen sich Felix Förster und sein Kollege Markus Hollermann die Natur zum Vorbild. Damals, 2009, studierten beide noch an der Hochschule Bremen. Förster:
    "Für diesen speziellen Dübel war die Zwergzikade, das ist ein kleiner Grashüpfer, das Vorbild. Die verankert sich in Pflanzenhalmen zur Eiablage und zur Häutung."
    Bionik-Dübel haben noch nicht die Qualität herkömmlicher Spezialübel
    Eine grüne Zikade
    Die Zikade stand Pate für die Entwicklung des Spezialdübels (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    Dringt die Zikade in den Halm ein, fahren aus ihren schraubenförmigen Mundwerkzeugen kleine Widerhaken aus und verankern das Tier fest in der Pflanze. Den Trick mit dem Widerhaken haben Förster und Hollermann auf den Dübel übertragen. Dreht man eine Schraube in den Dübel hinein, fahren drei Haken heraus und krallen sich ins Dämmmaterial, zum Beispiel Styropor.
    "Dieser Ansatz war zwar technisch schon ausgereift", sagt Frank Burkhardt von den Fischerwerken, dem bekannten Dübelhersteller und Industriepartner von Förster und Hollermann. "Aber wir haben doch nicht ganz die Haltewerte erreicht, die unsere Spezialdübel in diesem Baustoff übernehmen."
    Das Prinzip funktionierte zwar. Aber mit den bereits auf dem Markt befindlichen Klappdübeln konnte das Zikaden-Patent dann doch nicht ganz mithalten.
    Ausgeschöpft war die Trickkiste der jungen Bioniker aus Bremen aber damit noch nicht. Denn auch wundersames Meeresgetier taugt als Vorbild, etwa der Kugelfisch. Dieser bläht sich bei Gefahr auf und fährt dabei zu seiner Verteidigung garstige Stacheln aus.
    Das könnte für Spezialdübel taugen, mit denen man etwas an Hohlprofilen befestigen kann, etwa an quadratischen Stahlrohren. Bei dieser Konstruktion quetscht die Schraube beim Reindrehen einen speziellen Kunststoff und treibt dadurch stachelähnliche Spreizelemente in den Hohlraum. Zwar zeigten sich mehrere Kunden an dieser Technik interessiert. Aber, so Burkardt:
    "Woran es gescheitert ist, war die Wirtschaftlichkeit. Wir sind etwas teurer als bestehende Lösungen."
    Zwar gibt es einen biologisch inspirierten Dübel noch nicht zu kaufen, sagt Burkardt. Dennoch habe sein Unternehmen durchaus schon von der Zusammenarbeit mit den beiden Bionikern profitiert:
    "Das eine oder andere Detail oder Lösungsindiz haben wir hier und da eingebaut."
    "Bionische Innovationen sollen die letzten paar Prozent herauszukitzeln"
    Und auch für Förster und Hollermann ging es voran. 2010 erhielten sie für ihre Konzepte einen hochkarätigen Bionik-Preis. Bald darauf gründeten sie ihre Firma - und verweisen heute auf einen stetig wachsenden Kundenkreis, der sich längst nicht nur für Dübel interessiert, berichtet Felix Förster:
    "Maschinenbau, Medizintechnik, Automobilindustrie. Man merkt, dass das Vorwissen langsam steigt und auch der Bedarf. Es geht bei diesen bionischen Innovationen darum, bei Produkten, die schon sehr optimiert sind, die letzten paar Prozent herauszukitzeln, wo auf konventionellem Wege schon alles versucht wurde und man nicht mehr weiterkommt."
    Und auch die Idee mit dem bionischen Dübel ist noch nicht vom Tisch, meint Frank Burkhardt von den Fischerwerken:
    "Wir haben den Dübel immer noch im Hinterkopf. Und irgendwann finden wir noch bestimmt jemanden."