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Biosprit und Land Grabbing

Ausländische Investoren kaufen oder pachten in Asien oder Afrika Land, um darauf Nahrungsmittel für den Export oder Energiepflanzen für den Biosprit anzubauen. 47 Millionen Hektar wurden allein 2009 so vergeben. Das "Land Grabbing" aber bedroht die lokale Bevölkerung und ihre Versorgung.

Von Adalbert Siniawski |
    Wenn Rosa Koian vom Einzug der Ölpalmen in ihrer Heimat Papua-Neuguinea erzählt, schwindet das Lächeln aus ihrem dunkeln Gesicht. Rosa Koian ist Aktivistin der Menschenrechtsorganisation Bismarck-Ramu-Group in ihrem Land. Sie ist wütend über die steigende Nachfrage nach Palmöl für die boomende Biosprit-Industrie. Denn der Hype um die Ölpalme hat schwere Folgen für die Dorfbewohner in den Urwäldern von Papua-Neuguinea:

    "Es gibt ein Gebiet, das praktisch komplett von der Palmölindustrie eingenommen wurde, man sieht keine Bäume mehr, sondern nur noch Ölpalmen. Die meisten Leute haben ihren Landbesitz unter fragwürdigen Versprechen an Unternehmen abgegeben. Jetzt suchen sie selbst nach Anbauflächen für den eigenen Bedarf an Nahrungsmitteln. Und diejenigen, die als Kleinbauern für die Palmölherstellung arbeiten, müssen für Düngemittel und Arbeitsgeräte Kredite von den Firmen aufnehmen."

    Deshalb kämpft die Menschenrechtsaktivistin gegen den Landraub auf den Plantagen in Papua-Neuguinea, gegen den Anbau von Ölpalmen auf Kosten von Nahrungsmittelpflanzen und die brutalen Arbeitsbedingungen. Rosa Koian ist nach Brüssel gekommen, um die Europäer davor zu warnen, welche Folgen der Boom von Agrartreibstoffen für ihr Land hat. Denn die Europäische Union setzt beim Klimaschutz auch auf Biosprit, in der Hoffung, damit den Ausstoß von Treibhausgasen aus Diesel- und Benzinmotoren zu senken.

    Der Anteil der erneuerbaren Energien im europäischen Verkehr soll bis zum Jahr 2020 auf zehn Prozent steigen - vor allem mit Hilfe von Ölpflanzen, so haben es die 27 EU-Staaten beschlossen. Doch der Anbau von Soja, Raps oder Palmöl für die Biospritherstellung ist nicht in jedem Fall klimaschonend. Deshalb hat die EU ein Zertifizierungssystem eingeführt: Demnach darf Biosprit nur dann in europäischen Autotanks landen, wenn er nachweislich nicht von ökologisch wertvollen Flächen stammt und unterm Strich 35 Prozent weniger Treibhausgase als herkömmliche Treibstoffe verursacht. Doch das ist nicht genug, findet Carolin Callenius von der Organisation "Brot für die Welt" mit Blick auf die Anbauländer in der "Dritten Welt":

    "Eine Nachhaltigkeitsverordnung, die diesen Namen verdient, muss auch sozial nachhaltig sein. Und bisher sind in der EU-Verordnung ökologische Kriterien festgesetzt worden. Fragen wie Ernährungssicherheit, Arbeitsstandards auf den Plantagen, wie sind sie zu dem Land gekommen, auf dem sie anbauen - diese Kriterien müssen da rein, und die EU muss sich dieser Verantwortung insgesamt stellen."

    Bisher hat die Europäische Union zugesagt, die Umsetzung der Richtlinie und die Auswirkungen der Biosprit-Quoten auf die sozialen Verhältnisse in den Exportländern alle zwei Jahre zu überprüfen. 2014 könnte das Zertifizierungssystem für Agrartreibstoffe korrigiert werden. Doch das sei viel zu spät, kritisieren die Menschenrechtsschützer.

    Wer in Deutschland Biosprit tankt, kann das trotzdem mit relativ gutem Gewissen tun: Bei der Umsetzung der europäischen Vorgaben wurden hierzulande auch zwei Prüfsysteme eingeführt. Einmal das Gütesiegel REDcert, an dem unter anderem der Deutsche Bauernverband beteiligt ist. REDcert prüft zwar keine Sozialstandards in den Anbauländern. Das Zertifikat gilt nur für Biomasse aus der EU, dort aber sind Sozial- und Arbeitsrechte geregelt und deshalb garantiert REDcert soziale Standards auch ohne Prüfung.

    Das zweite Siegel heißt ISCC, hinter ihm stehen dutzende Chemiekonzerne, Wirtschaftsverbände und als einzige Umweltorganisation der WWF. Das ISCC-Zertifikat gilt auch für ausländische Produzenten und zeigt an, ob beim Anbau der Ölpflanzen ökologische und soziale Kriterien beachtet wurden, wie sichere und menschenwürdige Arbeitsbedingungen oder die Einhaltung der Landrechte.

    Deshalb weisen deutsche Biokraftstoffhersteller den Vorwurf der Missachtung von sozialen Standards mit Verweis auf diese beiden Gütesiegel zurück. Frank Brühning vom Verband der Biokraftstoffindustrie schiebt anderen Palmöl-Abnehmern - auch in Deutschland - den Schwarzen Peter zu:

    "Das Palmöl, das in den Tank geht, ist nachhaltig produziert. Aber das, was bei uns in die Schokolade geht und ins Waschmittel, das ist dann möglicherweise nicht nachhaltig produziert. Das ist keine sinnvolle Regelung."

    Denn Palmöl ist vielseitig verwendbar: Nur fünf Prozent des weltweit gewonnen Palmöls werden für Energiezwecke genutzt. Dagegen gehen 95 Prozent in die chemische und die Lebensmittelindustrie. Diese Unternehmen brauchen aber bisher keine Gütesiegel. Für die Menschen im Urwald von Papua Neu-Guinea und diejenigen, die ihre Rechte vertreten, geht der Kampf um faire Bedingungen weiter.