Thomas Heiden ist Streckenwart der Autobahnmeisterei Bonn. Regelmäßig fährt er die Autobahnen in der Region ab, um nach dem Rechten zu schauen. Im Blick hat er dabei immer auch das Grün der Mittelstreifen, der Seitenstreifen, auf den Parkplätzen und angrenzenden Wiesen. Und entdeckt er immer wieder Neues:
"Wir sind hier in Bonn-Ückesdorf an unserer Streuobstwiese und gehen jetzt mal zu den Obstbäumen."
In einem der Apfelbäume klafft auf Kniehöhe ein großes Loch.
"Im Loch waren voriges Jahr noch Hornissen. Jetzt sind sie leider nicht mehr da. Aber kann sein, dass sie sich wieder ansiedeln. Die nutzen halt auch die Bäume, Hohlräume. Dann bauen die ihre Nester drinnen. Und wenn sie Hohlräume finden, die geeignet für sie sind, dann nehmen sie die auch mit."
Schattenseiten des Biotops Autobahn
Egal ob nebenan Autos vorbeirasen oder nicht. Auch anderen bedrohten Insektenarten wie der Feldgrille gefällt es links und rechts der Autobahnen. Manche Säugetiere haben sich ebenfalls an diese Umgebung gewöhnt: Rehe und Kaninchen grasen ungestört gleich neben der Straße. Der Lärm stört sie offenbar nicht, wissen sie doch: Je lauter es ist, desto unwahrscheinlicher, dass sich ein Mensch zu Fuß hierhin verirrt. Sie fahren vorbei, steigen nicht aus. Aber Streckenwart Thomas Heiden weiß, dass das Biotop Autobahn auch seine Schattenseiten hat, zum Beispiel für Greifvögel.
"Leider sieht man immer mehr Revierkämpfe, wo die Bussarde sich vergessen und dann zu tief kommen und dann von Lkw-Antennen oder Windschutzscheiben von den Pkws halt mitgenommen werden. Sind auch jetzt viele Raben in der Gegend. Und da sieht man schon akrobatische Luftattacken von denen, wo die Raben dann auf die Bussarde draufgehen. Die werden immer weiter Richtung Verkehr gedrückt. Da achten die halt nicht auf entgegenkommende Fahrzeuge. Passiert unter anderem auch, dass die dadurch totgefahren werden."
Wie Pflanzen vom Autobahnnetz profitieren
Im Gegensatz zu Säugetieren, Insekten und Vögeln profitieren Pflanzen auf ganz andere Art vom deutschen Autobahnnetz. Davon zeugt die Verbreitung des Dänischen Löffelkrauts auf den Mittelstreifen der Schnellstraßen, wie Detlev Metzing vom Bundesamt für Naturschutz in Bonn erläutert.
"Wenn Sie jetzt im April an den Autobahnen entlang gefahren sind, haben Sie oftmals solche weißen Polster in der Mitte gesehen. Das ist das Dänische Löffelkraut. Das ist eine Art, die eigentlich ursprünglich bei uns bloß an der Küste vorkommt, also auf salzigen Böden, und die hat sich in den letzten Jahren entlang der Autobahn ausgebreitet. Und die kommt im Binnenland eben ausschließlich an den Autobahnen vor. Wenn man sich die Verbreitungskarte im Atlas anguckt, sieht man eben dass diese Verbreitung dieser Cochlearia danika – das ist das Löffelkraut - quasi das Autobahnnetz deutlich nachzeichnet."
Pflanzen der Nord- und Ostsee, die einen hohen Salzgehalt im Boden vertragen, kommen inzwischen fast überall in Deutschland gut zurecht, weil die Autobahnen im Winter gestreut werden. Ihre Samen werden in den Radkästen, von den Reifen, von Kühlern und den Windschutzscheiben quer durch die Republik transportiert. Wirklich freuen mag sich Naturschützer Metzing über die Ausbreitung der Arten allerdings nicht.
"Aus naturschutzfachlicher Sicht ist es eher negativ zu sehen. Weil wir natürlich lieber die natürlichen und naturnahen Biotope mit ihrer natürlichen Pflanzenvielfalt erhalten wollen und nicht alles durchmischen wollen. Wir wollen eben schon standorttypische, regionaltypische Biotope mit ihrer natürlichen Vielfalt bewahren."
Doch verhindern lässt sich die Ausbreitung von Pflanzen an den Autobahnen kaum: Mögen Tiere von Erdwällen und Zäunen aufgehalten werden – für die Verbreitung von Pflanzensamen reicht jedoch oft schon der reine Fahrtwind der vorbeifahrenden Autos.