Das Auto war mal der Inbegriff von Freiheit und Unabhängigkeit. Einsteigen und losfahren, kein Fahrplan, kein Ticket – für viele war das der Traum von grenzenloser Mobilität. Inzwischen hat sich das Image gewandelt, nicht nur wegen drohender Fahrverbote. Heute steht das Auto – nicht nur, aber auch – für Stau und Lärm, Energieverschwendung und Luftverschmutzung. Und wer sich vor Augen führt, dass ein Auto durchschnittlich nur eine Stunde am Tag bewegt wird, fragt sich, ob es nicht intelligentere Modelle der Nutzung gibt.
Wie können Verkehrskonzepte der Zukunft aussehen? Welche Rolle wird das Auto dabei spielen? Darüber diskutieren Birgit Priemer, Chefredakteurin der Zeitschrift "auto motor und sport", und der Mobilitätsforscher Stephan Rammler.
Birgid Priemer: Der Autoabsatz wird weiter steigen
"Wir stehen zweifellos vor einem gigantischen Paradigmenwechsel auf dem Verkehrssektor. Die Digitalisierung, die Elektromobilität und auch die Möglichkeiten des autonomen Fahrens sorgen dafür, dass Autos künftig anders genutzt werden und auch nicht mehr so individuell. Es gibt künftig im urbanen Umfeld andere zusätzliche Möglichkeiten, um von A nach B zu kommen. Es gibt aber dabei nicht eine einzige Lösung, um die Verkehrsbelastungen, vor denen wir ja auch stehen, zu reduzieren. Als Teil dieser Kette bleibt das Auto sicher erhalten. Wir erwarten sogar, dass der Absatz des Autos weltweit bis 2030 immer weiter ansteigen wird. Aber es wird anders, es wird facettenreicher genutzt – als Carsharing-Modell, als Robo-Taxi, als rollendes Büro. Da bahnen sich im Moment ganz neue Konzepte an. Was ich schade finde an der Diskussion, ist, dass sie oft so ideologisch geführt wird: entweder Auto gar nicht oder nur noch Auto. Darum geht's ja nicht. Es geht darum, mobiles Leben einfach zu verbessern, zu erleichtern und alle Chancen zu nutzen, die wir dafür haben."
Stephan Rammler: Ich setze auf eine Verkehrswende von unten
"Ich habe drei Thesen mitgebracht. Die erste ist die vom Ende der uns bekannten Form der Automobilität. Ich behaupte, dass das, was wir kennen als Automobilität, das Selberfahren, das Selberbesitzen und der Verbrennungsmotor, in mittlerer Reichweite sich rasant und massiv verändern wird. Damit steht die Automobilindustrie vor einem großen Veränderungsanspruch. Diese Veränderung wird getrieben durch Entwicklungen in Kalifornien, aber vor allen Dingen durch eine neue Praxis in Asien, vor allem in China. Die zweite These sagt, dass diese auf die Autoindustrie zukommende Transformation nicht alleine gelingen wird. Sie hat viele Fähigkeiten, aber sie braucht dazu eine Politik, die den Rahmen dafür schafft, dass Verhaltensalternativen zum Automobil geschaffen werden. Und die dritte These ist die, dass ich behaupte, dass im Augenblick von der nationalen Politikebene nicht besonders viel zu erwarten ist. Meine große Hoffnung liegt zumindest für die nächsten Jahre auf engagierten Bürgermeistern, auf der kommunalen Praxis, auf einer Verkehrswende von unten, die ein Stück weit die nationale Politik vor sich hertreibt, endlich etwas anders zu machen."