Dirk Müller: Frau Schavan, einige wollten eine einheitliche, gemeinsame europäische Verfassung. Warum klappt das noch nicht mal mit den Universitäten?
Annette Schavan: Nun, die Zwischenbilanz hier in London zeigt, dass die Universitäten ein erhebliches Stück vorangekommen sind seit der letzten Konferenz in Bergen, das muss aber auch sein, denn der europäische Hochschulraum ist notwendig nicht nur für Studierende und Wissenschaftler in Europa, sondern auch um Europa attraktiv zu machen für diejenigen von außerhalb, etwa aus dem asiatischen Raum. Also, es ist ein gutes Stück geleistet, wir werden heute Morgen die weiteren Schritte vereinbaren und ich bin zuversichtlich, dass das, was Sie eben geschildert haben, in wenigen Jahren schon nicht mehr Realität ist.
Müller: Wie viel Boden haben die europäischen Unis gegenüber den amerikanischen schon verloren?
Schavan: Das sind zwei ganz unterschiedliche Traditionen. Die Europäer kommen aus einer Tradition der Mobilität, Erasmus von Rotterdam ist quer durch Europa von seiner Studien- und Wissenschaftlerzeit her gekommen. Ich glaube, dass es in Europa exzellente Universitäten gibt und jetzt geht's eben darum, die Studiengänge transparent zu machen, diese vielfältige Hochschullandschaft nicht zu harmonisieren, aber dafür zu sorgen, dass wirklich die Umstellung gelingt, beweglich zu bleiben. Es gibt auch Punkte, über die wir in Deutschland reden müssen. Das rigide Drei-plus-Zwei für Bachelor und Master muss beweglicher werden, wir müssen uns Gedanken machen über Studierende, die ausschließlich in einem anderen europäischen Land oder überhaupt im Ausland studieren, was wird mit Stipendien, was wird mit Bafög. Hier wollen wir prüfen Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung, wir sind dabei, die Qualitätssicherung sicherzustellen, also, da gibt es keinen Grund, Europa klein zu reden, es ist ein attraktiver Hochschulstandort ... aber wichtig ist ...
Müller: Frau Ministerin, wenn ich Sie unterbrechen darf, Sie sagen, das ist attraktiv: Warum gehen dann immer noch mehr, die gut genug dafür sind, in die Vereinigten Staaten?
Schavan: Weil es in den Vereinigten Staaten noch mehr Selbstständigkeit der Hochschule - damit auch verbunden eigene Entscheidungsfähigkeit - gibt, und das ist der Punkt bei uns. Die Hauptakteure des Bologna-Prozesses müssen die Hochschulen sein, die brauchen Freiheit, die brauchen genügend Finanzen, die brauchen ein Tutorensystem, viele Studierende fühlen sich an amerikanischen Universitäten besser betreut, Bachelor-Studiengänge in Europa gehen nur, wenn auch bessere Betreuung erfolgt.
Müller: Also, die guten Universitäten in den USA sind besser?
Schavan: Das lässt sich so nicht sagen, es gibt herausragende Universitäten in den USA, es gibt aber auch exzellente Universitäten in Europa, das ist überhaupt keine Frage, die brauchen aber zum Teil mehr Spielraum und - der entscheidende Punkt - das, was ich da studiere, den Abschluss, den ich mache, der muss international akzeptiert werden. Daran entscheiden Studierende, wohin sie gehen.
Müller: Reden wir, Frau Schavan, über die deutsche Seite. Es gibt harsche Kritik aus Brüssel, dass das in Deutschland alles so lange dauert. Warum kommen wir nicht schneller voran?
Schavan: In Deutschland sind 48 Prozent der Studiengänge umgestellt, noch nicht die großen Fachbereiche, ich denke an die Juristen und die Mediziner, von harscher Kritik kann hier überhaupt keine Rede sein. Wir werden die Lissabon-Konvention in nächster Zeit unterschreiben, also, auch hier gilt: Bis 2010 wird die meiste Arbeit geleistet sein.
Müller: Warum sind 48 Prozent, das ist immerhin noch weniger als die Hälfte, befriedigend für Sie?
Schavan: Ich sage ja nicht, dass das befriedigend ist, ich sage, dass damit deutlich wird, die Reform ist in den Universitäten angekommen. Übrigens ist das auch in vielen anderen Ländern noch so, dass für bestimmte Fachbereiche Vorbereitungen notwendig sind. Nein, die Bologna-Reform ist im Gang und sie wird in dem Maße beschleunigt werden in Deutschland, wie wir auch beweglicher werden, also, auch Möglichkeiten schaffen für vierjährige Bachelor-Studiengänge, die Möglichkeiten für die Hochschulen schaffen, wirkliche Tutorensysteme einzurichten, besondere Wissenschaftskulturen auch zu erhalten, also nicht päpstlicher zu sein als Bologna es vorsieht, ich glaube, das ist das entscheidende Signal, das von London ausgeht. Es geht um den Geist von Bologna, nicht um immer mehr Bürokratie, das heißt, wir denken auch nach, die Akkreditierung zu vereinfachen, da wo möglich auch die so genannte Systemakkreditierung, also nicht jeden einzelnen Studiengang, ich glaube, wir können seitens der Politik und müssen auch unseren Hochschulen jetzt helfen, voranzukommen und ihnen nicht Steine in den Weg legen, sondern genügend Spielraum für eigene Entscheidungen geben.
Müller: Frau Schavan, wie wichtig ist denn für den Deutschen, weil diese Kritik auch aus Brüssel immer wieder zu hören ist, die nationale Identität?
Schavan: Es ist für jedes Mitgliedsland, auch für Deutschland, wichtig, Stärken, die sich entwickelt haben, zu erhalten. Ich denke, da etwa an die Ingenieur-Studien, sie sind umstellbar, aber dabei darf nicht außen vor bleiben oder kaputt gehen, was an Stärke dieses Studiengangs international vorhanden ist. Darum geht es, das ist übrigens hier auch von vielen anderen gesagt worden, wir wollen keine Harmonisierung, sondern der europäische Weg heißt, dass nationale Wissenschaftskulturen auch mit ihren Stärken in Zukunft vorkommen.
Müller: Aber können wir das mit Blick auf 2010 - Sie haben es eben angedeutet - festhalten, bis 2010, also in drei Jahren, ist jede deutsche Universität Europa-abschlusskompatibel?
Schavan: Davon ist auszugehen, ja. Dann wird es die Weichen für ... in allen Universitäten werden gestellt sein, ob 100 Prozent der Studiengänge umgestellt sind, ist noch nicht sicher, aber dann wird es mit leichter Verspätung sein. Dieser Prozess ist unaufhaltsam, er ist notwendig, er ist die Voraussetzung dafür, dass Studierende und Wissenschaftler mobil sein können und das ist die Voraussetzung für die Attraktivität des europäischen Forschungsraumes.
Annette Schavan: Nun, die Zwischenbilanz hier in London zeigt, dass die Universitäten ein erhebliches Stück vorangekommen sind seit der letzten Konferenz in Bergen, das muss aber auch sein, denn der europäische Hochschulraum ist notwendig nicht nur für Studierende und Wissenschaftler in Europa, sondern auch um Europa attraktiv zu machen für diejenigen von außerhalb, etwa aus dem asiatischen Raum. Also, es ist ein gutes Stück geleistet, wir werden heute Morgen die weiteren Schritte vereinbaren und ich bin zuversichtlich, dass das, was Sie eben geschildert haben, in wenigen Jahren schon nicht mehr Realität ist.
Müller: Wie viel Boden haben die europäischen Unis gegenüber den amerikanischen schon verloren?
Schavan: Das sind zwei ganz unterschiedliche Traditionen. Die Europäer kommen aus einer Tradition der Mobilität, Erasmus von Rotterdam ist quer durch Europa von seiner Studien- und Wissenschaftlerzeit her gekommen. Ich glaube, dass es in Europa exzellente Universitäten gibt und jetzt geht's eben darum, die Studiengänge transparent zu machen, diese vielfältige Hochschullandschaft nicht zu harmonisieren, aber dafür zu sorgen, dass wirklich die Umstellung gelingt, beweglich zu bleiben. Es gibt auch Punkte, über die wir in Deutschland reden müssen. Das rigide Drei-plus-Zwei für Bachelor und Master muss beweglicher werden, wir müssen uns Gedanken machen über Studierende, die ausschließlich in einem anderen europäischen Land oder überhaupt im Ausland studieren, was wird mit Stipendien, was wird mit Bafög. Hier wollen wir prüfen Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung, wir sind dabei, die Qualitätssicherung sicherzustellen, also, da gibt es keinen Grund, Europa klein zu reden, es ist ein attraktiver Hochschulstandort ... aber wichtig ist ...
Müller: Frau Ministerin, wenn ich Sie unterbrechen darf, Sie sagen, das ist attraktiv: Warum gehen dann immer noch mehr, die gut genug dafür sind, in die Vereinigten Staaten?
Schavan: Weil es in den Vereinigten Staaten noch mehr Selbstständigkeit der Hochschule - damit auch verbunden eigene Entscheidungsfähigkeit - gibt, und das ist der Punkt bei uns. Die Hauptakteure des Bologna-Prozesses müssen die Hochschulen sein, die brauchen Freiheit, die brauchen genügend Finanzen, die brauchen ein Tutorensystem, viele Studierende fühlen sich an amerikanischen Universitäten besser betreut, Bachelor-Studiengänge in Europa gehen nur, wenn auch bessere Betreuung erfolgt.
Müller: Also, die guten Universitäten in den USA sind besser?
Schavan: Das lässt sich so nicht sagen, es gibt herausragende Universitäten in den USA, es gibt aber auch exzellente Universitäten in Europa, das ist überhaupt keine Frage, die brauchen aber zum Teil mehr Spielraum und - der entscheidende Punkt - das, was ich da studiere, den Abschluss, den ich mache, der muss international akzeptiert werden. Daran entscheiden Studierende, wohin sie gehen.
Müller: Reden wir, Frau Schavan, über die deutsche Seite. Es gibt harsche Kritik aus Brüssel, dass das in Deutschland alles so lange dauert. Warum kommen wir nicht schneller voran?
Schavan: In Deutschland sind 48 Prozent der Studiengänge umgestellt, noch nicht die großen Fachbereiche, ich denke an die Juristen und die Mediziner, von harscher Kritik kann hier überhaupt keine Rede sein. Wir werden die Lissabon-Konvention in nächster Zeit unterschreiben, also, auch hier gilt: Bis 2010 wird die meiste Arbeit geleistet sein.
Müller: Warum sind 48 Prozent, das ist immerhin noch weniger als die Hälfte, befriedigend für Sie?
Schavan: Ich sage ja nicht, dass das befriedigend ist, ich sage, dass damit deutlich wird, die Reform ist in den Universitäten angekommen. Übrigens ist das auch in vielen anderen Ländern noch so, dass für bestimmte Fachbereiche Vorbereitungen notwendig sind. Nein, die Bologna-Reform ist im Gang und sie wird in dem Maße beschleunigt werden in Deutschland, wie wir auch beweglicher werden, also, auch Möglichkeiten schaffen für vierjährige Bachelor-Studiengänge, die Möglichkeiten für die Hochschulen schaffen, wirkliche Tutorensysteme einzurichten, besondere Wissenschaftskulturen auch zu erhalten, also nicht päpstlicher zu sein als Bologna es vorsieht, ich glaube, das ist das entscheidende Signal, das von London ausgeht. Es geht um den Geist von Bologna, nicht um immer mehr Bürokratie, das heißt, wir denken auch nach, die Akkreditierung zu vereinfachen, da wo möglich auch die so genannte Systemakkreditierung, also nicht jeden einzelnen Studiengang, ich glaube, wir können seitens der Politik und müssen auch unseren Hochschulen jetzt helfen, voranzukommen und ihnen nicht Steine in den Weg legen, sondern genügend Spielraum für eigene Entscheidungen geben.
Müller: Frau Schavan, wie wichtig ist denn für den Deutschen, weil diese Kritik auch aus Brüssel immer wieder zu hören ist, die nationale Identität?
Schavan: Es ist für jedes Mitgliedsland, auch für Deutschland, wichtig, Stärken, die sich entwickelt haben, zu erhalten. Ich denke, da etwa an die Ingenieur-Studien, sie sind umstellbar, aber dabei darf nicht außen vor bleiben oder kaputt gehen, was an Stärke dieses Studiengangs international vorhanden ist. Darum geht es, das ist übrigens hier auch von vielen anderen gesagt worden, wir wollen keine Harmonisierung, sondern der europäische Weg heißt, dass nationale Wissenschaftskulturen auch mit ihren Stärken in Zukunft vorkommen.
Müller: Aber können wir das mit Blick auf 2010 - Sie haben es eben angedeutet - festhalten, bis 2010, also in drei Jahren, ist jede deutsche Universität Europa-abschlusskompatibel?
Schavan: Davon ist auszugehen, ja. Dann wird es die Weichen für ... in allen Universitäten werden gestellt sein, ob 100 Prozent der Studiengänge umgestellt sind, ist noch nicht sicher, aber dann wird es mit leichter Verspätung sein. Dieser Prozess ist unaufhaltsam, er ist notwendig, er ist die Voraussetzung dafür, dass Studierende und Wissenschaftler mobil sein können und das ist die Voraussetzung für die Attraktivität des europäischen Forschungsraumes.